Hamid Reza Yousefi

Der Toleranzbegriff im Denken Gustav Menschings

Eine interkulturelle philosophische Orientierung

Band 7 der Schriftenreihe: Bausteine zur Mensching-Forschung

Rezension


Zu den zentralen Begriffen der Gegenwart, welche insbesondere im Kontext von kulturübergreifenden Diskursen immer wieder neu verhandelt und vorgestellt werden müssen. Vielfältige Diskussionen um den toleranz Dialog sind ebenso Gegenstand der Wissenschaft wie auch der Gesellschaft. Das weitreichende Umfeld des Begriffes selbst ist dabei ebenso mit einbezogen, wie seine vielschichtige Struktur, was ihn für alle Diskurse von Öffentlichkeit und kulturbetrachtender Wissenschaft fruchtbar macht. Davon ausgehend, dass eine interkulturell orientierte Toleranzforschung nur auf der Basis einer offenen Hermeneutik möglich ist, hält der Autor eine Auseinandersetzung mit der toleranztheoretischen und toleranzpraktischen Grundproblematik für unverzichtbar.

Hamid Reza Yousefi macht in diesem umfassenden Werk zu Gustav Menschings Toleranzbegriff in methodischer wie praktischer Hinsicht deutlich, dass nur ein neuer, für den offenen Diskurs bestärkter und die Einrückung in den weltphilosophischen Gedankengang offener Toleranzbegriff in ebenso programmatisch wie systematisch vorgestellter Absicht in der Lage ist, als Ausgangspunkt eines neuen Nachdenkens über Toleranz in Frage zu kommen.

Dabei geht Yousefi vom methodischen Aufbau der Studie aus und stellt in einem ersten Kapitel die methodische Entwicklung in Menschings Denken vor, die er in einzelne Entwicklungsphasen einteilt und den Übergang von der Theologie zu den angewandten Religionswissenschaften herausstellt. Ein weiterer, wesentlicher Aspekt des Denkens von Mensching ist der Begriff des Heiligen, welcher aus religiöser, philosophischer sowie religionswissenschaftlicher Perspektive beleuchtet wird. Hierüber geht Yousefi dazu über, Menschings Stellung zur Philosophie zu diskutieren und stellt einerseits religionsphilosophische, andererseits theologische Aspekte seines Denkens vor, ehe er in einem dritten Schritt eine Hinwendung Menschings zur Aufklärung konstatiert. In einem dritten Kapitel beschreibt der Autor das Programm der angewandten Religionswissenschaft, unter einer Vielzahl von Perspektiven auf Menschings Werk, in der er unter anderem eine humanistisch ausgerichtete Staatenlehre angelegt sieht. Das vierte Kapitel der Studie stellt Toleranz als umstrittene Tugend im historischen Wandel vor und beleuchtet auf diese Weise kritischwürdigend den Entwicklungsprozess von Toleranzkonzepten und Vorstellungen. Dabei zeigt Yousefi die Überführung von Menschings Denken zu einem interkulturellen Ansatz auf, der darum bemüht ist, methoden- wie standpunktpluralistisch vorzugehen, ohne hierbei eine vollkommene Egalität zu erstreben.

Eine intensive Beschäftigung mit dem angewandten Religionsverständnis Menschings bildet, auf Basis der zuvor analysierten, interkulturellen, pluralistischen Grundhaltung, den Kernbereich des fünften Kapitels. Stehen hierbei insbesondere Toleranz und Intoleranz im Fokus der Untersuchungen, so bilden die Grenzen der Toleranz und das Nicht-Tolerierbare den Abschluss des Kapitels, welches in Form einer umfassenden Reflexion auf die schwierigen Fragen von Wahrheits- oder Totalitätsansprüchen hinweist, die für einen toleranzoffenen Dialog zum Hindernis werden können.

Im sechsten Kapitel der Studie zeichnet sich vor allem die Analyse des angewandten Toleranzbegriffes aus den vorherigen Untersuchungen abgeleitet als regulatives Prinzip aus, dessen dialogische Verhaltensform ebenso wie seine praktische Funktionalität umfassend vorgestellt wird. Hierbei liegt besonderes Gewicht auf der inhärenten Struktur sowie der Architektur des umfassenden, globalen Dialoges, in dessen Zentrum der von Yousefi herausgestellte Toleranzbegriff aus dem Denken Menschings den essentiellen Wesenskern bildet. Dieser wiederum ist die grundlegende Voraussetzung für ein Gelingen des Dialoges mit und zwischen den Kulturen, was den Aufbau der Studie ebenso zu notwendigen Voraussetzungen für einen erfolgreichen, das heißt, umfassenden Dialog macht, wie die Bedingungen, die daran geknüpft sind, alle Dialogpartner gleichberechtigt und ohne hierarchische Abhängigkeitsverhältnisse miteinander in Korrespondenz zu setzen.

Die umfassende Studie zu Mensching präsentiert einen gelungen, wichtigen und essentiellen Beitrag zu einem weltweiten Philosophiebegriff, der es sich vor allem angesichts fortschreitender Globalisierungserscheinungen zur Aufgabe machen möchte, ein dialogisches Miteinander der Kulturen, Gesellschaften und Religionen zu fördern und eine schöpferische Leistung zu einer Weltphilosophie im Ermessen Karl Jaspers beitragen möchte. Aus diesem Grund ist die Studie vor allem wegen ihrer pluralistischen Perspektive, die eine interdisziplinäre Arbeit ebenso kennzeichnet, wie sie zugleich als Motivation derselben verstanden werden kann, ein unbedingt zu verwendendes Werk für jeden, der als interessierter Laie oder Wissenschaftler mit dem Thema der Interkulturalität befasst sein möchte.

Hamid Reza Yousefi


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