Zu den zentralen Begriffen der Gegenwart, welche insbesondere im Kontext von
kulturübergreifenden Diskursen immer wieder neu verhandelt und vorgestellt werden
müssen. Vielfältige Diskussionen um den toleranz Dialog sind ebenso Gegenstand der
Wissenschaft wie auch der Gesellschaft. Das weitreichende Umfeld des Begriffes
selbst ist dabei ebenso mit einbezogen, wie seine vielschichtige Struktur, was ihn für
alle Diskurse von Öffentlichkeit und kulturbetrachtender Wissenschaft fruchtbar
macht. Davon ausgehend, dass eine interkulturell orientierte Toleranzforschung nur
auf der Basis einer offenen Hermeneutik möglich ist, hält der Autor eine Auseinandersetzung
mit der toleranztheoretischen und toleranzpraktischen Grundproblematik für unverzichtbar. Hamid Reza Yousefi macht in diesem umfassenden Werk zu Gustav Menschings Toleranzbegriff in
methodischer wie praktischer Hinsicht deutlich, dass nur ein neuer, für den offenen Diskurs
bestärkter und die Einrückung in den weltphilosophischen Gedankengang offener Toleranzbegriff
in ebenso programmatisch wie systematisch vorgestellter Absicht in der Lage ist, als Ausgangspunkt
eines neuen Nachdenkens über Toleranz in Frage zu kommen. Dabei geht Yousefi vom methodischen Aufbau der Studie aus und stellt in einem ersten Kapitel die
methodische Entwicklung in Menschings Denken vor, die er in einzelne Entwicklungsphasen einteilt
und den Übergang von der Theologie zu den angewandten Religionswissenschaften herausstellt. Ein
weiterer, wesentlicher Aspekt des Denkens von Mensching ist der Begriff des Heiligen, welcher aus
religiöser, philosophischer sowie religionswissenschaftlicher Perspektive beleuchtet wird.
Hierüber geht Yousefi dazu über, Menschings Stellung zur Philosophie zu diskutieren und stellt
einerseits religionsphilosophische, andererseits theologische Aspekte seines Denkens vor, ehe er
in einem dritten Schritt eine Hinwendung Menschings zur Aufklärung konstatiert. In einem dritten
Kapitel beschreibt der Autor das Programm der angewandten Religionswissenschaft, unter einer Vielzahl
von Perspektiven auf Menschings Werk, in der er unter anderem eine humanistisch ausgerichtete Staatenlehre
angelegt sieht. Das vierte Kapitel der Studie stellt Toleranz als umstrittene Tugend im historischen
Wandel vor und beleuchtet auf diese Weise kritischwürdigend den Entwicklungsprozess von Toleranzkonzepten
und Vorstellungen. Dabei zeigt Yousefi die Überführung von Menschings Denken zu einem interkulturellen
Ansatz auf, der darum bemüht ist, methoden- wie standpunktpluralistisch vorzugehen, ohne hierbei eine
vollkommene Egalität zu erstreben. Eine intensive Beschäftigung mit dem angewandten Religionsverständnis Menschings bildet, auf Basis der
zuvor analysierten, interkulturellen, pluralistischen Grundhaltung, den Kernbereich des fünften Kapitels.
Stehen hierbei insbesondere Toleranz und Intoleranz im Fokus der Untersuchungen, so bilden die Grenzen der
Toleranz und das Nicht-Tolerierbare den Abschluss des Kapitels, welches in Form einer umfassenden Reflexion
auf die schwierigen Fragen von Wahrheits- oder Totalitätsansprüchen hinweist, die für einen toleranzoffenen
Dialog zum Hindernis werden können. Im sechsten Kapitel der Studie zeichnet sich vor allem die Analyse des angewandten Toleranzbegriffes aus den
vorherigen Untersuchungen abgeleitet als regulatives Prinzip aus, dessen dialogische Verhaltensform ebenso wie
seine praktische Funktionalität umfassend vorgestellt wird. Hierbei liegt besonderes Gewicht auf der inhärenten
Struktur sowie der Architektur des umfassenden, globalen Dialoges, in dessen Zentrum der von Yousefi herausgestellte
Toleranzbegriff aus dem Denken Menschings den essentiellen Wesenskern bildet. Dieser wiederum ist die grundlegende
Voraussetzung für ein Gelingen des Dialoges mit und zwischen den Kulturen, was den Aufbau der Studie ebenso zu
notwendigen Voraussetzungen für einen erfolgreichen, das heißt, umfassenden Dialog macht, wie die Bedingungen, die
daran geknüpft sind, alle Dialogpartner gleichberechtigt und ohne hierarchische Abhängigkeitsverhältnisse miteinander
in Korrespondenz zu setzen. Die umfassende Studie zu Mensching präsentiert einen gelungen, wichtigen und essentiellen Beitrag zu einem weltweiten
Philosophiebegriff, der es sich vor allem angesichts fortschreitender Globalisierungserscheinungen zur Aufgabe machen
möchte, ein dialogisches Miteinander der Kulturen, Gesellschaften und Religionen zu fördern und eine schöpferische
Leistung zu einer Weltphilosophie im Ermessen Karl Jaspers beitragen möchte. Aus diesem Grund ist die Studie vor allem
wegen ihrer pluralistischen Perspektive, die eine interdisziplinäre Arbeit ebenso kennzeichnet, wie sie zugleich als
Motivation derselben verstanden werden kann, ein unbedingt zu verwendendes Werk für jeden, der als interessierter Laie
oder Wissenschaftler mit dem Thema der Interkulturalität befasst sein möchte. Hamid Reza Yousefi
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