Die Idee der Toleranz

in der Interkulturellen Philosophie

herausgegeben und eingeleitet von Hamid Reza Yousefi und Klaus Fischer

Band 3 der Schriftenreihe: Bausteine zur Mensching-Forschung

Rezension


Mit den nun vorliegenden Bänden zum Toleranzbegriff und zu Grundproblemen einer interkulturell orientierten, neben Verständnis für andere Kulturformen auch Orientierung bietenden Philosophie, wird die Reihe "Bausteine zur Mensching-Forschung" gehaltvoll fortgesetzt. Gustav Mensching, einer der Begründer der "Angewandten Religionswissenschaft", hat in einem guten Sinne interdisziplinär gearbeitet und die wechselseitige Bezogenheit von Religionswissenschaft und Philosophie gesehen, auch wenn ihm die gebührende Rezeption im Feld der Philosophie bisher versagt geblieben ist, ist anzunehmen, daß die jetzt publizierten Arbeiten das Forschungsinteresse an diesem bedeutenden Gelehrten des 20. Jahrhunderts weiter verstärken. Fokussierungspunkt hierbei könnte der Begriff der "inhaltlichen Toleranz" sein, der eine "aktive Anerkennung des Anderen in seiner Andersheit" voraussetzt und die Grundlage als "multidimensionaler Begriff" (9 f.) für interkulturelle Philosophie wie interreligiöse Dialoge bieten kann. Die in dem Band zum Toleranzbegriff versammelten Abhandlungen, Studien und Essays versuchen, die Persönlichkeit Gustav Menschings zu beleuchten, dazu gehört eine eindrückliche biographische Studie von Gerhard Mensching über seinen Vater, vor allem aber auch die religionswissenschaftlichen wie philosophischen Intentionen seines Werks fortzuführen. Insbesondere die von Yousefi und Fischer herausgegebene Aufsatzsammlung, die eine Vielzahl tiefgründiger Beiträge versammelt, zeigt die interdisziplinäre Relevanz der Toleranz-Konzeption, die sich mit dem Namen und dem Werk des bedeutenden Religionswissenschaftlers verbinden. Es ist dann der Herausgeber Yousefi selbst, der in Bezug auf Mensching von einer "philosophischen Neubesinnung" spricht, die aber über religionswissenschaftliche Fragestellung hinausgreifend auch "praxisrelevante Grundpositionen der Interkulturellen Philosophie" (217) erforscht und erarbeitet. Da gerade auf diesem Terrain, auf dem nicht nur Religionen, auch politischen Ideologien, säkulares wie transmundanes Heil versprechend, oder philosophische Systeme, vornehmlich im Gewande einer umfassenden Humanität, machtvoll agierende Absolutheitsansprüche wider jegliche intellektuelle Redlichkeit vorfindlich sind, erscheint es sinnvoll, nicht allein aus philosophischer Sicht, tatsächlich die "inhaltliche Toleranz" als "Zivilisationsprinzip" zu begreifen, um eine "zukunftsgerichtete Neugestaltung der Gegenwartskultur" (221) zu ermöglichen. Der Band über die Idee der Toleranz bietet eine facettenreiche Darstellung dieses Begriffs und zeigt Möglichkeiten der Umsetzung auf, allgemein verständlich formuliert, so wie es auch Gustav Mensching im Sinn gehabt hätte, der wußte, daß es kein Nachteil ist, verstanden zu werden, gerade wenn philosophisch-religionswissenschaftliche Diskurse jenseits der akademischen Sphäre fruchtbar wirken sollen. Verwiesen sei hier besonders auf Ram Adhar Mall, der sich in seinen philosophischen Arbeiten insbesondere dem Phänomen der Interkulturalität widmet (dies wird auch in dem ebenfalls nun vorliegenden vierten Band der Forschungsreihe insbesondere das Problem der Menschenrechte tiefsinnig wie differenziert analysiert). Er kritisiert die Ansprüche angemaßten Wissens, wie sie sich nicht nur im politischen und religiösen, sondern auch im wissenschaftlichen und kulturellen Bereich zeigen und formuliert programmatisch sozusagen das geistige Fundament einer interkulturellen Philosophie, wie sie dieser Zeit not täte: "Interkulturelle Philosophie ist der Name einer geistigen, philosophischen Einstellung, die alle kulturellen Prägungen der einen philosophia perennis wie ein Schatten begleitet und verhindert, daß diese sich in den absoluten Stand setzen. […] Interkulturelle Philosophie ist wie die Angewandte Religionswissenschaft integrativ-dialogisch orientiert und plädiert für Einheit ohne Einheitlichkeit. […] Interkulturelle Philosophie zielt auf eine Transformation der Philosophie jenseits ihrer bloß monokulturellen Zentriertheit ab." (92 f.)

Die Impulse, die die interdisziplinär angelegte und betriebene Gustav-Mensching-Forschung für das Feld der Geisteswissenschaften, für Philosophie wie für Religionswissenschaft, aber sicherlich auch für Soziologie und verwandte Disziplinen, sind vielfältiger Art. Insbesondere beherzigenswert ist dies vielleicht in dem wiederholt artikulierten Hinweis, den hier auch Klaus Fischer an sinnigen Beispielen eindrucksvoll aufzeigt, daß wissenschaftliche Forschung nicht im Einhalten methodischer Zwänge und sinnlosen Repetitieren und Variieren tradierter Gehalte sich zeigt, sondern all dieses Suchen nach Wahrheit sich im "offenen Horizont" (Jaspers) vollzieht, sich gleichzeitig gegen absolute Ansprüche und irrationale Anmaßungen, oft im Namen der Rationalität, behaupten und beweisen muß. Diese Offenheit, verbunden mit der Bereitschaft, auch das zu fördern, was den eigenen Überzeugungen und vermeintlich festgegründeten Erkenntnissen zuwiderläuft, wird heute oft schmerzlich vermißt, gerade im Metier der Wissenschaft. Wer die nun vorgelegten Studien, die sich dem geistigen Erbe Gustav Menschings verpflichtet wissen, aufmerksam liest, wird sich auch als Philosoph mit großem Interesse den Schriften des bedeutenden Denkers zuwenden und dessen vielgestaltiges Werk für sich entdecken wollen.

Thorsten Paprotny, Hannover


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