Matthias Roser

"Schöpfungswissenschaft" an evangelikalen Bekenntnisschulen

Eine religionspädagogische Analyse

Rezension


Wie schon der Titel dieser Münsteraner Dissertation (betreut von Christian Grethlein) erwarten lässt, geht es um den Kreationismus, wie er an evangelikalen Bekenntnisschulen unterrichtet wird. Schon deshalb verdient diese Studie besondere Beachtung: Über evangelikale Schule ist in der Wissenschaft nur wenig bekannt. Allerdings werden auch hier keine Ergebnisse im Sinne der empirischen Schul- und Unterrichtsforschung geboten, aber doch eine präzise und aufschlussreiche Analyse von Dokumenten (der Vf. spricht von einer "Diskursanalyse", die sich auf die Grounded Theory stützt, 15).

Wie der Vf. es selbst beschreibt, ist es Ziel der Untersuchung, "konfessionskundliche Einsichten in den kritischen religionspädagogischen Diskurs zum bildungstheoretisch beobachtbaren Trend zu evangelikalen Bekenntnisschulen einzubringen" (8). Dargestellt und analysiert wird also nicht etwa einfach das bekannte Schulbuch von Fred Hartmann und Reinhard Junker, das im 3. Hauptteil im Zentrum steht. Bemerkenswerter Ist vielmehr der Versuch, den Gebrauch dieser und ähnlicher Bildungsmedien in den Kontext von Privatschulen (1. Hauptteil) sowie weiterreichend in einen theologischen Zusammenhang von "Schöpfungswissenschaft" und "Schöpfungsforschung" (2. Hauptteil) einzuzeichnen. Der 4. Hauptteil greift dann wiederum über das Schulbuch hinaus und ordnet es in die spezifische Form des Unterrichtens an den entsprechenden Schulen und deren Entwicklung ein.

Bei den Privatschulen legt der Vf. einen Schwerpunkt bei Schulen im "russlanddeutschen Milieu" (72), zu denen allerdings nur bedingt verlässliche statistische Angaben zu finden sind (etwa aus dem Nachrichtendienst, IDEA). Plastisch nachgezeichnet werden die pädagogischen Erwartungen, die in diesem Milieu vertreten werden und die vielfach auf ein Behüten der Kinder und Jugendlichen vor abträglichen gesellschaftlichen Einflüssen zielen. Schon dieser 1. Hauptteil des Buches ist besonders interessant, weil hier sonst kaum einmal berücksichtigte Quellen etwa aus der entsprechenden verbandspolitischen Arbeit aufgenommen werden (beispielsweise Verbands Evangelischer Bekenntnisschulen). Damit wird deutlich, wie entsprechende Schulen in weitere Zusammenhänge einer (politischen) Interessenvertretung eingebunden sind. Sie sollten also nicht einfach als Einzelschulen wahrgenommen werden. Weiter wird deutlich, dass evangelikale Schulen derzeit ein starkes Wachstum erfahren, wodurch der Untersuchungsgegenstand in seiner Aktualität noch einmal unterstrichen wird.

Im Hinblick auf "Schöpfungswissenschaft" und "Schöpfungsforschung" werden im 2. Hauptteil unter Berücksichtigung von Quellen aus dem nationalen und internationalen Kontext wichtige theologische Strukturen herausgearbeitet, insbesondere hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Schöpfungsglaube und Evolution. Die Befunde entsprechen weithin dem aus früheren Untersuchungen zum Kreationismus Bekannten. Neu ist jedoch, dass die Analyse mit einer Untersuchung der an den entsprechenden Schulen gepflegten Didaktik verknüpft wird. Dabei zeigt sich, dass die Form des Lehrens und Lernens an den entsprechenden Schulen nicht nur "schöpfungswissenschaftlich" bestimmt ist, sondern auch eine starke "instruktionistische" Tendenz aufweist: "Die paradigmatische Struktur der allgemeIn-didaktischen Theoriebildung in der Trias: Fundierung in einen informationstheoretischen bzw. instruktionstheoretischen Offenbarungsverständnis - Verkündigung der Offenbarung in Schule und Unterricht und Heiligung des Denkens und des Lebens als Ziel von Schule und Unterricht erweist sich nun auch für die einzelnen Fachdidaktiken als normativ." (156)

Vor diesem Hintergrund gewinnt die Analyse des Schulbuchs im 3. Hauptteil eine weiterreichende Bedeutung. So kann gezeigt werden, dass dieses Buch von Hartmann/Junker in der Tat eine gleichsam leicht zugängliche Darstellung der "Schöpfungswissenschaft" bietet und sich zugleich an dem beschriebenen Didaktikverständnis orientiert. Dies wird anhand verschiedener Unterrichtsreihen exemplifiziert und weiter belegt. Das Schulbuch erscheint so als ein Mosaikstein, der sich nahtlos in das beschriebene Tableau evangelikaler Privatschulen und schöpfungswissenschaftlicher Orientierung einfügt.

Diese Sicht wird im letzten Hauptteil im Blick auf das (Selbst-)Verständnis der entsprechenden Schulen noch einmal weiter vertieft, mit Hilfe von Analyen zu deren Verständnis von "Evangelisation", aber auch etwa hinsichtlich der Rolle von Lehrerinnen und Lehrern, die hier als "Konversionsagenten" in den Blick kommen (229).

Das Buch ist vor allem aufgrund der Fülle an ausgewerteten Quellen und Materialien interessant und wertvoll, eben weil sich der Blick hier auf bislang zumindest in der Religionspädagogik weithin nicht beachtete Zusammenhänge richtet. Dass diese Zusammenhänge gerade auch religionspädagogisch bedenklich stimmen sollten, führt der Vf. vielfach vor Augen.

Erschwert wird die Lektüre des Bandes allerdings durch zwei Eigentümlichkeiten, die nur zum Teil dem Vf. anzulasten sind. Auf den Autor selbst zurück geht die Entscheidung, die Darstellung in einem mitunter doch ermüdenden beständigen Wechsel zwischen langen Zitaten und knappen Interpretationen durchzuführen. Eher dem Verlag anzulasten ist hingegen die Wahl einer viel zu kleinen Drucktype, die viele Leserinnen und Leser von vornherein abschrecken wird.

Prof. Dr. Friedrich Schweitzer
Lehrstuhl f. Praktische Theologie/Religionspädagogik, Universität Tübingen


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