Harald Seubert (Hrsg.)

Orte des Denkens

Festschrift für Hamid Reza Yousefi zum 50. Geburtstag

Rezension


Im November dieses Jahres begeht der Psychologe, interkulturelle Philosoph und Pädagoge Hamid Reza Yousefi seinen 50. Geburtstag. Zu diesem Anlass gibt Harald Seubert die angezeigte Festschrift heraus. In 29 Beiträgen, aufgeteilt in sieben Themenbereiche, die von interkultureller Religionswissenschaft über Menschenrechte bis hin zu Memorabilia zur Person Hamid Reza Yousefi reichen, kommen in diesem Band Kollegen und Freunde Yousefis zu Wort.

Der Band ist vielfältig aufgebaut und deckt in seinen ersten sechs Themenbereichen einen Teil von Yousefis Wirken ab. Im ersten Themenbereich wird in drei Beiträgen die interkulturelle Toleranz betrachtet. Hierbei wird nicht ausschließlich darauf eingegangen, was diese sei und welchen Nutzen sie hatte. Hinter zunächst widersprüchlich anmutenden Titeln, die das Denken anregen, wie "Friedlicher Streit und streitiger Friede", stehen Arbeiten, die sich gründlich mit dem Toleranzbegriff auseinandersetzen und sein Potenzial ebenso wie seine Grenzen ausarbeiten.

Hierin wird nicht nur auf Yousefis Werk eingegangen, sondern zahlreiche weitere Autoren herangezogen, um die eigenen Thesen zu stützen. Ebenfalls gehen die Autoren differenziert mit der Angst vor dem Fremden und dem Unbekannten um. Einstimmig wird deutlich, dass Toleranz nur dann mehr sein kann als eine leere Worthülse, wenn Offenheit gegenüber dem Anderen gelebt und nicht bloß gelehrt wird.

Im nächsten Themenbereich wird in drei Beiträgen auf interkulturelle Religionswissenschaft und Theologie eingegangen. Hier drehen sich die Themen insbesondere um das Zusammenspiel zwischen Christentum und Islam, zwischen europäischen und westasiatischen Traditionen. Beinahe zwangsläufig wird hierbei Yousefis Lebensweg zum Thema, der von Teheran, seinem Geburtsort, nach Deutschland führt. Auch ein Vergleich zwischen Yousefi und der deutschen Schriftstellerin Clara Viebig in Bezug auf den Umgang mit Traditionen und Festen der jeweiligen Kultur wird in diesem Themenbereich einbezogen.

Im Folgenden beschäftigen sich vier Beiträge mit Ur-Sehnsucht und interkultureller Kommunikation, Yousefis Steckenpferd. Schnell wird deutlich, dass Kommunikation der Schlüssel zum Verständnis zwischen Kulturen ist und dass das Kinderspiel "Ich sehe was, was du nicht siehst" mit Kommunikation zu tun hat. Auch für Menschen, die sich wenig mit interkulturellem Denken befassen, wird deren Bedeutung anhand der Ur-Sehnsucht verdeutlicht. Der Mensch, unabhängig von seiner jeweiligen Kultur, hat laut diesen Beiträgen das Bedürfnis, die Welt zu verstehen. Bedingt durch die limitierte Wahrnehmungsfähigkeit des Einzelnen verlangt dieses Verständnis nach Kommunikation, wobei diese in der heutigen zunehmend globalisierten Welt immer wichtiger wird, um die Welt verstehen zu können.

Die Beschäftigung mit Menschenrechten und deren Entwicklung ist ein logischer Schritt von der Beschäftigung mit dem Zusammentreffen verschiedener Kulturen. In den drei Beiträgen dieses Abschnitts werden insbesondere die Menschenrechte als internationale und interkulturelle Norm dargestellt. Diese Gedanken werden im Aufsatz "Von der Würde des Menschen zur Würde der Kreatur" weitergeführt. Die Forderung von Menschenrechten wird als Bemühung um die Würde des Menschen angesehen, die noch einen Schritt weitergehen muss, da die Menschen, bedingt durch neue Technologien weitergehen als Kant oder davor die Stoa, wodurch eine Brücke zu nah- und fernöstlichen Denktraditionen geschlagen wird.

Wie bei einer Festschrift für einen interkulturellen Philosophen zu erwarten ist, nimmt der Themenbereich des interkulturellen Philosophierens mit sieben Beiträgen den größten Raum ein. Hier kommen der Herausgeber Harald Seubert wie auch Philosophen aus nahöstlichen Kulturen. Kritisch wird der Eurozentrismus der hiesigen Philosophen betrachtet, der sich nicht selten auf Worthülsen stützt. Widersprüche werden aufgezeigt, wie Vorwürfe an die indische Philosophie, für den Philosophen zu theologisch und für den Theologen zu philosophisch zu sein, oder die Gleichsetzung mangelnder Synonyme für das griechische Wort "Philosophie" mit dem Nicht-Vorhandensein von Philosophie in anderen Kulturen. Jedoch wird nicht nur Kritik erhoben, sondern auch Gemeinsamkeiten aufgezeigt und Wege gesucht, wie verschiedene Philosophien in gegenseitigem Austausch und Koexistenz funktionieren können.

Vier Beiträge beschäftigen sich mit interreligiösen Begegnungen. Hierbei wird eine gewisse Streitbarkeit und Streitlust deutlich, insbesondere in Hans-Christian Günthers Beitrag "Die Politik jüdisch-christlicher Werte.. Gibt es eine Alternative?"

Polarisierende Meinungen und provozierende Thesen werden vertreten, um dem eigenen Ärger über Unzulänglichkeiten der okzidentalen Gesellschaft Luft zu machen. Letztlich sind sich alle in einem Punkt einig: Ohne Offenheit und Achtung vor anderen Religionen kann es keine konfliktfreie Begegnung geben. Und letzten Endes zerstören entsprechende Konflikte auch die eigene Religion, weshalb Offenheit der einzige Weg ist, um in der heutigen Welt im Einklang mit der jeweils eigenen Religion leben zu können.

Der letzte Themenbereich beschäftigt sich mit der Person Hamid Reza Yousefi. Ein 19-seitiges Schriftenverzeichnis macht den beeindruckenden Umfang von Yousefis Werk deutlich. Alltägliche Begegnungen, aus denen etwas Bedeutenderes erwächst, werden festgehalten. Auch kreative Arten der Würdigung wie "Das Haus des Denkens" finden sich in diesem Abschnitt. Langjährige Freunde Yousefis kommen ebenso zu Wort wie Menschen, die ihn erst seit Kürzerem kennen, ehemalige Studenten wie auch Menschen, die ihn in eher alltäglicher Weise erlebten.

Der Band ist klar verständlich, logisch aufgebaut und abwechslungsreich gegliedert. Die Beiträge sind auch für fachfremde Leser verständlich und interessant. Der abwechslungsreiche Stil macht erkennbar, dass sich hier nicht nur eine Gruppe untereinander bekannter Individuen austauschen möchte, sondern auch Fachfremde oder neugierige Leser mit einbezogen und mit Yousefis Arbeitsbereichen vertraut gemacht werden sollen.

Weiterhin hat dieser Band nicht die bloße Ehrung der Person Yousefis zum Ziel, sondern sie stellt eine weiterführende Beschäftigung mit dessen Werk dar, die Einbringung eigener Gedanken und das Herausarbeiten bedeutender Punkte von Yousefis Werk mit dem Ziel, diese weiterverfolgen zu können. Der Band will den 50. Geburtstag von Yousefi zum Anlass nehmen, einen Ausblick auf die Zukunft zu geben und den Leser zu ermutigen, sich seine eigenen Gedanken zu den jeweiligen Themen zu machen, auch wenn diese nicht den Ansichten des jeweiligen Autors entsprechen sollten.

Claudia Mayer


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