Im ersten Abschnitt über die Fehlbarkeit des Fallibilismus diskutiert der Autor die
Konsequenzen dieser methodischen Grundannahmen. Es geht um die Frage von
Wahrheit und Gewissheit und um das Problem, ob ein konsequenter Fallibilismus
nicht zu einem starken Agnostizismus führen müsse. Der Autor plädiert für einen
moderaten Fallibilismus, der auch Fragen der Pragmatischen Philosophie (Ch.S.
Peirce) aufnimmt (45f). Im zweiten Abschnitt wird über den Gegenstand und die
Methode der Sozialwissenschaften gehandelt, es geht um die Frage, ob die hermeneutische Methode in den Geisteswissenschaften (W. Dilthey) scharf von den positivistischen Methoden in den Naturwissenschaften (G. von Wright) unterschieden
werden muss. Letztlich gehe es immer um die praktische Leistungsfähigkeit
bestimmter Methoden (72). Im Abschnitt über den methodologischen Monismus
wird diskutiert, ob K.R. Popper nicht eine Nähe zum Wiener Kreis hatte, was aber
verneint wird. Im Positivismus-Streit sei dies geklärt worden (89). Breit erörtert wird die normative Genese und die Wirkungsgeschichte von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Theorien, wie sie vor allem von der Erlanger
Schule (P. Lorenzen) ins Spiel gebracht wurde. Im Bezug zur Pragmatischen Philosophie werde einsichtig, warum Genese und Wirkungsgeschichte von philosophischen Lehren immer mitbedacht werden müssen (vgl. K. O. Apel). Dann geht es um die Frage, ob Poppers Ethikbegründung als negativer Utilitarismus gesehen werden kann. Denn es gehe ihm nicht um das Erreichen des größtmöglichen Glücks, sondern um die optimale Minimierung von Leiden. Die Verminderung von Leiden sei immer mit moralischer Dringlichkeit verbunden, sie habe unbedingte Gültigkeit. Leiden und Glück lassen sich nicht gegenseitig aufwiegen, eine gleiche Verteilung von Leiden sei zumindest als Fernziel vernünftig. Damit komme Popper auch in die Nähe der christlichen Sozialethik, er könne als ein
exzentrischer Utilitarist gesehen werden (147f). Aktuell ist die Frage nach der moderaten Toleranz in pluralistischen Gesellschaften.
Popper hatte betont, dass eine totale Toleranz sich selbst zerstöre. Deswegen unterscheidet der Autor zwischen den Intoleranten und den Extra-Intoleranten. Die ersten müssten im Namen der Meinungsfreiheit toleriert werden, den zweiten müsse aber klar entgegengetreten werden. Der Autor plädiert für eine breite Toleranz, doch die Frage stellt sich heute angesichts akuter Bedrohungen völlig neu. Demokratische Gesellschaften müssen ständig darum ringen, wie viel an Toleranz sie ertragen können, ohne den Zusammenhalt zu gefährden. Zum Schluss diskutiert der Autor die Frage, ob monotheistische Religionen wirklich intoleranter seien als polytheistische Glaubenssysteme (J. Assmann und O. Marquart). Er betont, dass der christliche Monotheismus im späten 20. Jh. sehr tolerant geworden sei. Hier unterscheidet der Autor leider nicht zwischen dem philosophischen Monotheismus (Sokrates, Platon, Stoiker) und dem politischen Monotheismus (Reichschristentum und Islam). Zudem bedenkt er nicht, dass alle politischen Monotheismen (Indien, Persien, Judentum, Christentum und Islam) von den Kriegern mit militärischer Gewalt durchgesetzt wurden. Damit bleibt ein hoch aggressives Potential immer erhalten. Christentum und Judentum sind allein durch die rationale Aufklärung toleranter geworden. Der Islam hat bis heute keine rationale Aufklärung zugelassen. Erstaunlich ist die Widmung des Buches an den Theologen Karl Barth, welcher
der kritischen Philosophie gegenüber sehr ablehnend war und eher als ein
vernunftfeindlicher Glaubenspositivist eingestuft wird. Insgesamt aber handelt es
sich um ein sehr wertvolles Buch, das die Wirkmächtigkeit des Kritischen Rationalismus in Erinnerung ruft. Der Autor hat wesentlich dazu beigetragen, das
kritische Denken in Südost-Europa zu verbreiten und nachhaltig zu verwurzeln.
Damit erhält und behält das Buch auch eine große philosophische und politische
Aktualität. Anton Grabner-Haider, Graz
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