Heiko Maus

Matthias Weckman

Das Leben des Hamburger Jacobi-Organisten und sein Schaffen für die Vox Humana

Rezension


Auf Orgelfreunde wirkt der Titel leicht irreführend, evoziert er doch die Vorstellung von einer esoterischen, dem geheimnisumwitterten Register Vox humana gewidmeten Weckman-Werkgruppe. Tatsächlich geht es jedoch um Weckmans Vokalwerke, die einen weitaus geringeren Bekanntheitsgrad genießen als seine Orgelwerke: Dreizehn vollständige Kompositionen für Singstimme(n) und obligate Instrumente, neun Continuolieder sowie ein Fragment sind heute bekannt, siebzehn durch Katalogeinträge dokumentierte Werke müssen als verschollen gelten.

Den ersten Teil der Studie bildet eine mit ca. 30 Seiten Umfang sehr ausführliche, auf umfassende Quellen- und Literaturkenntnis gestützte "biografische Skizze" des wohl 1616 in Niederdorla südlich von Mühlhausen/Thüringen geborenen Weckman (Maus verwendet konsequent die eigene Namensschreibweise des Komponisten). Barocken Kompositionslehren folgend, behandelt der Autor im Hauptteil der Studie die Vokalwerke nicht einzeln oder chronologisch, sondern nach den rhetorischen Regeln: Er beschäftigt sich zuerst mit der "Inventio (Textauswahl, Themenfindung)", dann folgen kapitelweise "Dispositio (Form, Besetzung), Elaboratio (Melodik, Harmonik), Decoratio (Figurenlehre) und die Elocutio (Aufführungspraxis)" (S. 3). Dieser Ansatz entspricht Weckmans Kompositionsprozess und dem musikalischen Pragmatismus seiner Zeit zweifellos eher als eine Analyse nach Formbegriffen des 19. oder 20. Jahrhunderts. Für den Leser hat das Springen von einem Werk zum andern innerhalb einer Argumentationskette allerdings den Nachteil, dass er mangels Notenbeispielen nur dann den vollen Nutzen aus Maus' Studie und z.B. der Formtabelle (S. 66-68) ziehen kann, wenn ihm die Editionen der einzelnen Vokalwerke vorliegen.

Die heute wohl nur Spezialisten bekannten Continuolieder von Weckman erschienen ausschließlich in Gedichtsammlungen des einflussreichen Poeten Philipp von Zesen. Maus bettet ihre detaillierte Analyse überzeugend in eine Darstellung der "Hamburger Liederschule" des 17. Jahrhunderts ein, doch auch hier wären im Sinne der Nachvollziehbarkeit ein oder zwei Noten-Beigaben in moderner Edition erwünscht.

Kein deutscher Komponist seiner Generation sei, so Maus' Fazit, "so vielseitig und zugleich originell wie Matthias Weckman" gewesen, der vor allem durch "den Einsatz von Chromatik und extravaganten harmonischen Wendungen [...] eine für seine Zeit außergewöhnliche Expressivität erreicht" habe (S. 131). Wie der Autor zu diesem Ergebnis gelangt, ist lesenswert und eröffnet interessante Querverbindungen zu anderen großen Meistern in Weckmans Umfeld. Man könnte sogar von Lesevergnügen sprechen.

Dr. Dorothea Schröder, Musikhistorikerin


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