Bernd Jaspert

Kirchengeschichte in theologischen Handbüchern

Rezension


"Der Einfluss des Willens. Vorsatzes. Endzwecks, ob er gleich eben jetzt erst da ist, und nicht in alter Zeit da war: giebt der Erzählung eine wirkliche Richtung, die in der Begebenheit selbst ehedem nicht da war." Dieser Satz des Hallenser Theologen Johann Salomo Semler aus dem Jahre 1788 trifft zweifelsohne prägnant auf die Darstellungen der Kirchengeschichte in evangelischen und katholischen Handbüchern der Theologie zu, die in den letzten Jahrzehnten veröffentlicht wurden. In seiner Studie, in der er über 20 dieser Handbücher untersucht, verdeutlicht Bernd Jaspert, der viele Jahrzehnte im Pfarrdienst der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck tätig war und Kirchengeschichte an der Universität Marburg lehrte, dies prägnant.

So steht bei dem katholischen Kirchenhistoriker Hubert Jedin in dessen "Handbuch der Kirchengeschichte" (1962-1979) die Entwicklung des Kirchenbegriffs in allen Epochen im Vordergrund. Anders als die meisten protestantischen Kirchenhistoriker verstand er die Kirchengeschichte auch als ‚.heilgeschichtlich", dessen "letzter Sinn nur im Glauben erfasst werden kann" (S. 14). Eine andere Sicht der Kirchengeschichte findet sich schon in dem Buch "Geschichte des Christentums in Grundzügen" von dem evangelischen Kirchenhistoriker Bernd Moeller, das in der ersten Auflage 1965 ("2011) erschienen ist. Moeller bietet statt der traditionellen Kirchengeschichtsschreibung "bewusst eine Christentumsgeschichtsschreibung" (S. 27). Zu Recht macht Jaspert darauf aufmerksam, dass die Deutung der Kirchengeschichte als Christentumsgeschichte in den Darstellungen der letzten Jahrzehnte zunehmend dominiert, auch wenn sie nicht in allen fällen eingehend begründet wird. Diese Deutung der Kirchengeschichte kann seiner Meinung nach allerdings zu dem Problem führen, "dass die Geschichte des Christentums begrifflich weniger klar ist als die Kirchengeschichte" (S. 49). Wie die Untersuchung verdeutlicht, finden sich bei den Handbüchern ganz unterschiedliche Positionen zur Frage nach dem Gottesbezug der Darstellung. die von einer heilsgeschichtlichen Sicht bis zur profanen Darstellung reichen. Interessant ist, dass die alte Periodisierung in Antike - Mittelalter - Neuzeit - Moderne, obgleich sie viel kritisiert worden ist und wird, nach wie vor bei den Darstellungen verwandt wird. Zunehmend wichtiger wird in den Darstellungen der Kirchengeschichte - nicht erst seit der Veröffentlichung der "Kirchengeschichte" durch die beiden katholischen Theologen Herbert Gutschera und Joachim Maier sowie den evangelischen Theologen Jörg Thierfelder im Jahre 1992 - die ökumenische Perspektive. Zu Recht kritisiert der Verfasser an vielen der behandelten Darstellungen. dass sie "im Wesentlichen auf die deutsche und europäische Kirchengeschichte konzentriert" (S. 90) sind und die außereuropäische nur am Rande behandeln. Wie der Historiker Hartmut Lehmann betont, wird es zukünftig darum gehen, die "produktive Vielfalt des Weltchristentums" in den Darstellungen sachgemäß zu behandeln. Bernd Jaspert ist mit seiner Untersuchung der kirchengeschichtlichen Handbücher ein kluges, informatives Buch gelungen.

Dirk Fleischer


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