Wilhelm Kaltenstadler

Haberfeldtreiben und Obrigkeit in Bayern

Abstract / Rezension


Mein Buch "Haberfeldtreiben und Obrigkeit in Bayern" ist im Jahre 1998 im Münchner Verlag Unverhau in 1. Auflage erschienen. Dieses Werk beruht weitaus mehr als mein Buch "Das Haberfeldtreiben. Geschichte und Mythos eines Sittenrituals" von 2011 auf archivalischen Quellen. Während dieses Werk Geschichte und Mythos - mehr volkskundlich als historisch - herausarbeitet, zeigt das Buch "Haberfeldtreiben und Obrigkeit in Bayern" (2015), weitaus mehr die vielschichtigen Auseinandersetzungen der Haberfeldtreiber mit den verschiedenen Arten der Obrigkeit auf. Während das Haberfeldtreiben im 18. und frühen 19. Jahrhundert noch eine lokale und periphere Angelegenheit war und sich in den lokalen Grenzen der zuständigen Hofmark, Dorfschaft und relativ selten des jeweiligen Landgerichts bewegte, so zog das Haberfeldwesen im Laufe des 19. Jahrhunderts geographisch und sozial immer weitere Kreise und wurde bis zu den Toren von München im Norden, bis zur Isar im Westen, bis zum Inn im Osten und bis zum Alpenrand im Süden praktiziert. Zunehmend wurden Haberfeldtreiben durch immer größer werdende Gruppen meist nicht mehr gegen einzelne ´Sünder´ veranstaltet, sondern richteten sich vielfach sogar gegen ganze Dörfer. Durch solche Massenveranstaltungen waren die lokalen und regionalen Obrigkeiten total überfordert, und es traten zunehmend die überregionalen und zentralen Obrigkeiten und Herrschaftsinstrumente auf den Plan, so vor allem die Regierung von Oberbayern und die Ministerial- und Militärbehörden. Selbst die bayerischen Könige mussten zum Haberfeldtreiben Stellung beziehen. Seit den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts war vielfach die Gendarmerie den Attacken der Haberer nicht mehr gewachsen, und es musste immer wieder Militär (Infanterie) aus München angefordert werden.

Es kamen nicht nur zivile Kräfte gegen die Haberer zum Einsatz, auch die kirchlichen Behörden wandten sich zunehmend mit geistlichen Waffen (Hirtenbriefe, Exkommunikation) gegen die renitenten Haberer. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts war nichts mehr von der einstigen Sympathie der lokalen Geistlichkeit den Haberern gegenüber zu spüren.

Auch im bayerischen Oberland hatten sich die Zeiten nicht nur zum Guten gewandelt. Es waren auch die Haberer schon lange nicht mehr die angeblichen strengen Sittenwächter, als welche sie noch immer in so manchen romantisierenden Publikationen dargestellt werden. Die neuere Forschung hat deutlich gemacht, dass so mancher bairischer Brauch, so auch das Haberfeldtreiben, von Kommerzialisierung und Folklorisierung damals nicht verschont blieb. Anführer der Haberer wie Thomas Bacher und der Killi Hausl, im Grunde anständige redliche Leute, hatten aber bis zum bitteren Ende die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Auch die Tageszeitungen des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts waren, einer germanistischen Ideologie verhaftet, nicht in der Lage, Tatsachen und Ideologie auseinanderzuhalten. Das nach dem Ende des 1. Weltkriegs praktizierte Haberfeldtreiben hatte im Grunde auf der einen Seite Saloncharakter, entwickelte aber auf der anderen Seite eine politische Dimension des Brauches, so z.B. beim Protest gegen den Flughafen in Erding.

Folgende Rezension erschien in der Süddeutschen Zeitung vom 20. Januar 2017

Eine weitere Rezension erschien im Rundbrief - Förderverein Bairische Sprache und Dialekte e.V., Nr. 89, Juli 2017, Seite 64-65


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