Rainer Hackel

Stromausfall im Paradies

Ein Reisebericht aus Ghana

Rezension


Ghana-Eindrücke: Geringer Verdienst, teure Lebensmittel

Bad Nauheim (cor). Als Dr. Rainer Hackel im Jahr 1995 das erste Mal nach Ghana reiste war sein erster Eindruck schockierend. "Mein Blick nahm zunächst die Armut wahr", sagt der Bad Nauheimer. Zwei Jahre später trat er die nächste Reise an - und entdeckte die faszinierenden Facetten, die Ghana bietet. Die Liebe zum fremden Land und seinen Menschen war entfacht. Mittlerweile zieht es den promovierten Studienrat aus Nieder-Mörlen seit 20 Jahren nach Ghana.

In seinem jüngst erschienenen Reisebericht mit dem Titel "Stromausfall im Paradies" entwirft er ein differenziertes Bild des westafrikanischen Landes und geht auf die Situation von Afrikanern in Deutschland ein.

Rainer Hackel lernte 1992 die Ghanaerin Agnes Yaa in Gießen kennen, das Paar heiratete 1996. Die erste gemeinsame Reise führte sie vor 20 Jahren unter anderem in die Hauptstadt Accra. Schnell erkannte Hackel, wie groß die Armut ist. Kinder sind oft gezwungen, für den Lebensunterhalt mitzuarbeiten, können nicht in die Schule gehen. "Die Stromversorgung reicht nicht fürs ganze Land", sagt Hackel. Lehrer verdienen gerade 100 Euro pro Monat. Erschreckend: "Die Lebensmittel sind weitaus teurer als in Deutschland." Billigpreisketten gibt es dort nicht. Das Leben für viele Menschen in Ghana findet auf den Straßen und Märkten statt. "In dem Land müsste vieles verändert werden", sagt Hackel. Auch das Bildungssystem, staatliche Schulen müssten verbessert werden. "Zudem das Gesundheitssystem und die Infrastruktur."

Die Verbindungsstraße zwischen Accra und Kumasi, den beiden größten Städten, bestehe teilweise aus einem holprigen Feldweg. In jeder zweiten Familie ziehe es jemanden nach Europa oder in die USA. Im Exil nehmen Zuwanderer einfache Jobs an, arbeiten für Mindestlohn als Reinigungskraft oder am Fließband. "Die Familien in der Heimat sind trotzdem auf Auswanderer angewiesen. " Mit dem Verdienst werde nicht nur die Familie unterstützt. "In Ghana hat es dadurch einen Bauboom gegeben." Zuwanderer aus Ghana kamen nicht, um das Sozialsystem auszunutzen, sie wollten arbeiten. Doch oftmals blieben Ghanaer unter sich, fühlten sich in dem fremden Land nicht wohl. Ein Gefühl, das Rainer Hackel nachvollziehen kann. "Das Lebensgefühl fehlt hier", erklärt er. Im Vergleich zu Afrika sei das soziale Leben in Europa von Kälte geprägt. "Zudem kann man innerlich nicht von seiner Heimat loslassen. " Deutsche sollten nicht erwarten, dass Afrikaner zu Europäern werden, Verwurzelungen sollten respektiert werden.

In seinem Buch beschreibt Hackel die Situation eines afrikanischen Physiotherapeuten, der nach Jahren nach Ghana zurückkehrt und seinen deutschen Pass verbrennt. Seine Frau Agnes habe sich in Deutschland gut integriert, Kontakt zu Deutschen aufgebaut, pflege aber auch afrikanische Traditionen. Vor gut einem halben Jahr hat sie einen Afroshop im Innenhof der Friedberger Spardabank eröffnet. Hier bietet sie afrikanische Frisuren und Produkte an. Ihn habe das Lebensgefühl in Ghana gefesselt. "Die Würde, der Stolz und die Schönheit des Landes." Die Menschen dort hatten eine ganz andere Lebensauffassung. Trotz harter Arbeit seien die Menschen dankbar. "Ich habe dort viel Solidarität und Zusammengehörigkeitsgefühl kennengelernt." Man fühle sich in dem Land frei, in Ghana werde alles offen diskutiert. Missstände wurden in den Medien deutlich benannt, etwa der jüngste Ärztestreik, der 500 Menschenleben gefordert habe. "Es gibt während des augenblicklichen Streiks nur eine eingeschränkte Notversorgung."

Trotz vieler trauriger Missstände sieht Hackel, wie die Ghanaer, auch vieles positiv. "Die Menschen wirken trotzdem glücklicher, sind stolz auf ihre Nation." Eines seiner positiven Beispiele beschreibt das Marktgeschehen in Pankrono. Das Viertel sei für Töpferwaren bekannt, am Straßenrand werde gehandelt. "Auf einem Platz saß eine ältere Frau und töpferte." Sie benutzte keine Scheibe, sondern formte die Tonmasse allein mit den Händen. Dank großer Geschicklichkeit entstand ein Krug. Schaulustige versammelten sich, auch der "weise Mann", wie Rainer Hackel in Ghana genannt wird, verfolgte das Schauspiel. Es herrschte familiäre Atmosphäre. Als der Krug fertig war, setzte die gut gelaunte Frau ein fertig gebranntes Exemplar auf den Kopf und tanzte unter Beifall der Zuschauer. "Ich wurde Zeuge einer ganz anderen Art von Arbeit."


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