Karlheinz Lipp

Pazifismus in der Pfalz
vor und während des Ersten Weltkrieges

Ein Lesebuch

Rezension


"Ein Lesebuch" - so nennt Karlheinz LIPP bescheiden seine Quellensammlung zum "Pazifismus in der Pfalz vor und während des Ersten Weltkriegs". Der Herausgeber hat auf diesem Gebiet bereits zahlreiche Beiträge vorgelegt und schöpft hier aus seinen profunden Kenntnissen der Thematik.

Die sorgfältig und differenziert ausgewählten Texte, die alle von einer kurzen Erläuterung eingeleitet werden, umfassen eine Vielzahl thematischer Aspekte. Zum einen wird das pazifistische Wirken des Neustadter Kaufmannes KARL SIMON und des Kaiserslauterer Lehrers LUDWIG WAGNER eingehend vorgestellt. Wagner veranstaltete vor dem Ersten Weltkrieg Ferienkurse für Ausländer, um dadurch vor allem gegen die so genannte Erbfeindschaft zwischen Frankreich und Deutschland vorzugehen, und war maßgeblich an der Organisation des VII. Deutschen Friedenskongresses beteiligt, der im Mai 1914 in Kaiserslautern stattfand.

Auf der Grundlage verschiedener Artikel aus der Parteizeitung "Pfälzische Post" werden die Position der SPD sowie ihre innerparteilichen Konflikte bis hin zur Abspaltung der USPD beleuchtet. Der Januarstreik 1918, Proteste der Bevölkerung infolge schlechter Versorgung und schließlich die Haltung der Kirchen finden ebenfalls Berücksichtigung. Bei den Themen Desertion und Wehrpflichtverletzung stellt der Verfasser fest, dass in der Pfalz nur Einzelfälle bekannt sind. Nichtsdestotrotz verdienen sie hier Erwähnung.

LIPP verweist auch auf die Gebrüder ADOLF und GEORG BLEY, die in Kirchheimbolanden seit 1913 eine Papierwarenfabrik betrieben. Beide waren die einzigen Mitglieder aus der Pfalz im Bund ‚Neues Vaterland'. Dieser im November 1914 in Berlin gegründete Verein kritisierte nicht nur den Krieg und die ihm zugrundeliegende imperialistische Außenpolitik, sondern trat auch für eine Demokratisierung ein. Bemerkenswert ist BLEYS Mitwirken in diesem Bund auch, weil er im November 1923 nach dem zunächst erfolgreichen Putsch der Separatisten, denen er sich angeschlossen hatte, zum Vizepräsidenten der "Autonomen Pfalz" wurde und in dieser Funktion seine pazifistische Grundhaltung erneut zum Ausdruck brachte.

Auch MAX SLEVOGT, ERNST BLOCH und HUGO BALL kommen zu Wort. Letzterer zählte zu den anfänglich vom Krieg Begeisterten, wandelte seine Meinung aber bald. Dazu trug unter anderem eine Reise durch Lothringen im September 1914 bei, deren Eindrücke BALL in einem Artikel für die Pirmasenser Zeitung schilderte. Bei den Texten von ERNST BLOCH und MAX SLEVOGT stellt sich die Frage, inwieweit diese als Ausdruck des Pazifismus in der Pfalz gelten können. Was LIPP hier in sein Buch aufnimmt, lässt - insbesondere im Falle BLOCHS - die pazifistische Position beider zwar deutlich werden, einen direkten Bezug zur Pfalz sucht man aber vergebens.

Im Vorwort macht LIPP eines seiner Hauptanliegen deutlich. Die anlässlich des Kriegsausbruchs 1914 zum Vorschein getretene Kriegsbegeisterung sei "eher ein Mythos und Ausdruck einer Propaganda" und bedürfe daher "einer deutlichen Korrektur". Diese These versucht er mit einigen Textausschnitten, die aus Tagebüchern oder persönlichen Erinnerungen stammen, zu belegen. Es ließen sich aber ebenso gut unzählige Texte ähnlicher Art finden, die das Gegenteil - nämlich die von LIPP in Frage gestellte Kriegsbegeisterung - ausdrücken. Insofern kann das Lesebuch diese Behauptung kaum verifizieren, jedoch kann sie als Anstoß für künftige Forschungen verstanden werden.

Karlheinz LIPPS Buch ist zweifelsohne ein verdienstvolles Werk. Seine Absicht macht der Verfasser in der Einleitung selbst deutlich. Die "Regionalgeschichte der Friedensbewegung und der Historischen Friedensforschung (sollen) erweitert werden". In Zeiten, in denen Nationalismus und Abschottung wieder populär zu werden drohen, lesens- und bedenkenswert.

Stefan Schaupp


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