Karlheinz Lipp

Pazifismus in der Pfalz
vor und während des Ersten Weltkrieges

Ein Lesebuch

Rezension


Mutig gegen Feindbilder und den blutigen Völkerkrieg

Der Historiker Karlheinz Lipp aus Alsenz präsentiert eine Geschichte des Pazifismus in der Pfalz vor und während des Ersten Weltkriegs

Es ist eine bisher kaum beachtete, aber wichtige Facette der Regionalgeschichte: der Pazifismus in Pfalz vor und während des Ersten Weltkriegs. In diese Nische stößt das Werk des 1957 in Alsenz geborenen Historikers Karlheinz Lipp. Einen Querschnitt des vielfältigen Friedensdenkens und -engagements in der Pfalz um 1900 bis 1918 gibt sein "Lesebuch". Es orientiert sich meist an der historischen Chronologie und bietet eine Vielzahl an Textquellen aus Archivalien, Tagebuchaufzeichnungen, Flugblättern, Zeitungsartikeln, Schriften und Büchern.

Lipp macht deutlich, dass sich mutige Frauen und Männer mit ganz unterschiedlichem gesellschaftlichen, politischen und religiösen Hintergrund gegen den "Hurra-Patriotismus" vieler Deutscher stellten. Der Autor studierte in Mainz Geschichte und Evangelische Theologie für das Lehramt an Gymnasien und ist seit 1992 Studienrat für Geschichte und evangelische Religion an einer Berliner Oberschule.

Prägend für die Entwicklung und Verbreitung pazifistischen Gedankenguts war auch in der Pfalz die Deutsche Friedensgesellschaft, die 1892 von den österreichischen Pazifisten Bertha von Suttner und Alfred Hermann Fried in Berlin gegründet wurde. Friedensbefürworter waren in deutschen Landen vor 1914 gleichsam nur mit der Lupe zu finden: Nur 10000 frühe Friedensbewegte gab es in einer Reichsbevölkerung von 67 Millionen Menschen. Allein in der Pfalz existierten 540 Kriegervereine mit fast 36000 Mitgliedern, "Zahlen, die bezeichnend genug sind', wie Lipp schreibt. Dennoch sei die Vorstellung einer allgemeinen Kriegsbegeisterung auch in der Region eher ein Mythos und Ausdruck der Propaganda gewesen. Sein kenntnisreiches Buch ist auch ein "Who is Who" des Pfälzer Pazifismus dieser Zeit. Der Kaiserslauterer Friedenspädagoge Ludwig Wagner brachte den VII. Deutschen Friedenskongress 1914 in seine Stadt.

Auch kritisiert Lipp die fragwürdige Rolle der evangelischen Kirche. Er zeigt auf, dass "der weitaus größte Teil des deutschen Protestantismus die aggressive und imperialistische Kriegspolitik des Kaiserreichs" unterstützte. Anlässlich des 400. Reformationsjubiläums 1917 verfassten fünf Berliner Pfarrer einen Friedensruf, dem sich die Pfarrer Johannes Stich aus Zweibrücken und Valentin Hack aus Rathskirchen anschlossen. Infolgedessen formierte sich die "lose Vereinigung evangelischer Friedensfreunde". Der große Januarstreik von 1918 in Ludwigshafen und Frankenthal habe einen Höhepunkt in der Kritik am Ersten Weltkrieg gebildet. Dieser habe, zumindest für einige Tage, eine ernste Gefahr für die Existenz des Kaiserreichs dargestellt.


Copyright © 2015 by Verlag Traugott Bautz