Karlheinz Lipp

Pazifismus in der Pfalz
vor und während des Ersten Weltkrieges

Ein Lesebuch

Rezension


Gegen Militarismus und nationalen Fremdenhass

Eine neue Publikation beleuchtet den Pazifismus in der Pfalz vor und während des Ersten Weltkriegs

Als prägend für die Entwicklung pazifistischer Ideen erwies sich die Deutsche Friedensgesellschaft (DFG), die 1892 von Bertha von Suttner und Alfred Hermann Fried gegründet wurde. Bei Kriegsbeginn im Jahre 1914 umfasste diese Friedensorganisation ca. 10.000 Personen in ca. 100 Ortsgruppen. Zum Vergleich: In der Pfalz existierten 540 Kriegervereine mit 35.986 Mitgliedern. Die erste pfälzische Ortsgruppe der DFG wurde in Neustadt/Haardt 1894 gegründet. Der Kaufmann C. Simon publizierte ab 1904 bis mindestens 1918 eine Reihe von pazifistischen Artikeln, in denen er sich gegen die Aufrüstung, gegen imperialistische Verbände und einen drohenden Krieg, gegen den Militärdienst sowie für das Schiedsgericht und den Abbau von Feindbildern aussprach.

Ein zweiter Schwerpunkt bildete die Ortsgruppe Kaiserslautern mit dem Hauptlehrer Ludwig Wagner. Das Verdienst dieses Friedenspädagogen lag in der Organisation von Ausländerseminaren, die allmählich mit Friedensseminaren verknüpft wurden. Wagner wollte damit besonders die Feindbilder zwischen Deutschland und Frankreich abbauen. Es war Wagners großer Erfolg, dass der VII. Deutsche Friedenskongress im Mai 1914 in Kaiserslautern stattfinden konnte.

Ebenfalls in den Bereich der Friedenspädagogik müssen Artikel angesiedelt werden, die dem Geschichtsunterricht eine pazifistische Ausrichtung geben wollten. So kritisierte z. B. Peter Herzog (Pirmasens) den weit verbreiteten militarisierten Geschichtsunterrichts des Kaiserreichs. Der größte Teil Protestantismus unterstützte die Kriegspolitik. Demgegenüber unterzeichneten fünf Pfarrer der Pfalz den protetestantischen Friedensaufruf von 1913, der sich gegen die Aufrüstung Deutschlands richtete. Ebenfalls gegen die forcierte Rüstungsspirale des Kaiserreichs wandte sich im gleichen Jahr ein Flugblatt der SPD. Der sozialistische Antimilitarismus prangerte ferner Misshandlungen von Soldaten und die militärischen Drohgebärden an - und warnte bis zum Juli 1914 vor einem Krieg. Nach Kriegsbeginn schwenkte die SPD der Pfalz ganz auf den Kriegskurs der Mehrheit der SPD ein.

Die ungeteilte Weltkriegsbegeisterung ist eher als Mythos zu werten

Der Beginn des Ersten Weltkrieges im Juli 1914 wurde oft und unkritisch als ein Ausdruck einer ungeteilten Kriegsbegeisterung angesehen. Beispiele aus pfälzischen Orten (Ilbesheim bei Landau, Altenglan und Rockenhausen) zeigen, dass diese Begeisterung eher als Mythos und Ausdruck einer Propaganda zu verstehen ist, und daher einer Korrektur bedarf. Am 16. November 1914 erfolgte die Gründung einer zweiten Friedensorganisation, der Bund Neues Vaterland. Adolf und Georg Bley (Kirchheimbolanden) gehörten dieser neuen pazifistischen Organisation an, die durch einen friedenspolitischen Sachverstand auf die Reichsregierung einwirken wollte. In der Debatte über Kriegsziele trat der Bund Neues Vaterland energisch den annexionistischen Verbänden entgegen. Als Reaktion auf die innenpolitischen Drangsalierungen, Verbote und Verhaftungen gründeten Friedensbewegte im Jahre 1916 eine weitere Friedensorganisation, die Zentralstelle Völkerrecht. Aus der Pfalz traten 25 Personen dieser Vereinigung bei, Adolf Bley wirkte sogar im Vorstand mit. Simon und Wagner blieben auch während der Kriegsjahre aktiv. Simon kritisierte in mehreren Artikeln den Ersten Weltkrieg. Wagners Buch von 1916 über den Volkerhass beinhaltet teilweise seine Friedensposition von vor 1914. Im Jahre 1918 beteiligte sich Wagner bei Aktionen der DFG. Der Schulleiter Johannes Stich (Zweibrücken) und der Pfarrer Valentin Hack (Rathskirchen) unterzeichneten den Friedensaufruf, den fünf Berliner Friedenspfarrer im Oktober 1917 anlässlich des 400-jährigen Jubiläums der Reformation verfassten. Infolge dieses Aufrufs konstituierte sich die "lose Vereinigung evangelischer Friedensfreunde", den die Stadtvikare Kurt Adolf Föll (Zweibrücken, Schwiegersohn von Stich) und Jakob Ott (Frankenthal) durch ihre Mitgliedschaft unterstützten.

Die Kriegsgegner Hugo Ball und Ernst Bloch gehen ins Exil

Für die pfälzischen Intellektuellen Hugo Ball (Pirmasens) und Ernst Bloch (Ludwigshafen) brachte der Erste Weltkrieg die Flucht in die Schweiz mit sich. Ball, der sich im August 1914 noch freiwillig zum Kriegseinsatz meldete, aber als untauglich ausgemustert wurde, entwickelte sich kontinuierlich zu einem entschiedenen Kriegsgegner. Im Frühjahr 1915 verlies er mit seiner Partnerin Emmy Hennings Deutschland und war, auch eine Folge des Krieges, in Zürich 1916 einer der Mitbegründer des Dadaismus. Im Frühjahr 1917 emigrierten Bloch und seine Frau Else von Stritzky aus Angst vor seiner Einberufung. ebenfalls in die Schweiz über. Ball und Bloch schlossen sich in ihrer neuen Heimat dem antimilitaristischen Organ "Die Freie Zeitung" an, um dann viele Artikel gegen den Krieg und die deutschen Militärs sowie für die Demokratie zu publizieren. Beim Maler Max Sievogt kam es durch seine Fronterlebnisse in Flandern im Herbst 1914 zu einer völligen Abkehr seiner zunächst positiven Einstellung zu Krieg und Gewalt. Entsprechend malte er im Banne der Verwüstung in den Jahren den Jahren 1916 und 1917 die grauenhafte Realität des Ersten Weltkrieges. Dazu veröffentlichte er auch entsprechende Graphiken. Im April 1917 gründete sich die USPD, die in der Pfalz zwei Ortsgruppen (Ludwigshafen und Pirmasens) aufbauen konnte und den Ersten Weltkrieg verurteilte. Der Januarstreik von 1918 fand auch in Ludwigshafen und Frankenthal statt - und bedeutete eine ernsthafte Gefahr für die Existenz des Kaiserreiches. Die desolate Lage an der Front und die katastrophalen Versorgungsengpässe in der Heimat beschleunigten das Kriegsende, auch in der Pfalz.


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