Die pfälzischen Mitarbeiter und Ortsgruppen der 1892 von Bertha von Suttner und
Alfred Hermann Fried gegründeten "Deutschen Friedensgesellschaft" gehören
natürlich in ein solches Lesebuch, genauso wie die Pfälzer Pazifisten, die sich 1914 an der Gründung einer zweiten Friedensorganisation, dem "Bund Neues Vaterland",
beteiligten, und die 25 Pfälzer, die sich mitten im Krieg 1916 der "Zentralstelle
Völkerrecht" anschlossen. Aber über die deutschlandweit Anfang des 20. Jahrhunderts arbeitenden Friedensorganisationen gibt es - nicht zuletzt Dank des o.g. Autors - eine
Reihe von Veröffentlichungen. Das gilt auch für die Pfälzer Persönlichkeiten, die sich dem Krieg durch Flucht in die Schweiz entzogen, wie der Philosoph Ernst Bloch, oder Künstler, wie der Maler Max Slevogt, die im Krieg vom Kriegsbefürworter zum scharfen Kritiker wurden. Für die Ansprechgruppe dieses Lesebuchs besonders interessant dürften die Kapitel
sein, die sich mit Geschichtsunterricht für den Frieden und Friedenspädagogik befassen, Themen, die damals in der "Pfälzischen Lehrerzeitung" lebhaft diskutiert wurden. Noch Anfang 1914 hieß es in selbiger: "Wir wenden uns lediglich gegen die übliche Überfütterung mit Kriegsgeschichte und verlangen, dass auch die Friedensarbeit in entsprechender Weise zur Geltung komme. Wenn die Völker nicht abrüsten, so kann
wenigstens in der Schute eine Abrüstung platzgreifen." (S.53) Neben den inhaltlichen Auseinandersetzungen mit Kriegsverherrlichung und Völkerhass schildert der Autor auch eine Reihe ganz praktischer Maßnahmen zur Völkerverständigung, wie die vier- bis neunwöchigen "Ferienkurse für Ausländer und
Ausländerinnen", die der Padägoge Ludwig Wagner von 1905 bis 1913 jeweils im
Sommer für mehrere Wochen in der Pfalz organisierte. "Da der weitaus größere Teil der
(bis zu 200) Teilnehmenden an den Ferienkursen aus Frankreich kam, stellte der
deutsch-französische Sprach- und Kulturaustausch den Schwerpunkt des Programms dar. Wagners friedenspädagogisches Ziel bildete den Abbau von Feindbildern und die Überwindung der "Erbfeindschaft" zwischen Deutschland und Frankreich." (S. 63) Ausführlich befasst sich Karlheinz Lipp auch mit der Politik der Sozialdemokratie in der Pfalz - vom Antimilitarismus vor dem Ersten Weltkrieg über die Auseinandersetzung um die Zustimmung zu den Kriegskrediten bis zur Gründung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) aus Protest gegen die den Krieg unterstützende Politik der SPD-Führung. Dabei kommt der Autor zu der Feststellung, dass - von Ausnahmen abgesehen - die SPD der Pfalz immer der offiziellen Parteilinie folgte und sowohl zu den Kritikern der Kriegskredite wie auch zu den "Unabhängigen" eine große Distanz wahrte. Dabei dokumentieren Zeitungsausschnitte über
Mitgliederversammlungen der SPD während des Krieges auch manches, über das man
lachen konnte, wenn es nicht zum Weinen wäre.
So heißt es z.B. über eine Mitgliederversammlung der SPD Ludwigshafen 1916 - also mitten im Krieg: "Der Mitgliederstand ist durch Einberufungen zum Heer auch in diesem Quartal weiter zurückgegangen. Zu diesem natürlichen Rückgang der Einnahmen kommt ein weiterer. Eine Anzahl von Genossen, die voll beschäftigt ist, ist der irrigen Meinung, während des Krieges keine Beiträge zahlen zu brauchen." (S.174)
Wer Sätze wie diesen liest, versteht den beißenden Spott eines Kurt Tucholsky über
die "gute alte SPD".
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