Fengli Lan

Metaphor

The Weavers of Chinese Medizin

With an Introduction by Friedrich Wallner

libri nigri Band 47

Rezension


Die Autorin ist Schülerin des Wiener Wissenschaftstheoretikers Friedrich G. Wallner, der den Konstruktiven Realismus entwickelte, in der Hoffnung hierdurch Wissenschaftssysteme aus sich selbst heraus verstehen zu können. So ist dieses Buch auch durchzogen von der Idee nicht die Gemeinsamkeiten zwischen westlicher und chinesischer Medizin zu sehen, sondern ihre Unterschiede. Wallner hält beide Systeme für "incommensurabel" Der Autor selbst hat einen Hauptaspekt chinesischen und chinesisch-medizinischen Denkens als Kernunterschied zu westlichem und westlich-medizinischem Denken identifiziert: Qu Xiang Bi Lei: Taking Image and Analogizing. Kurz gesagt ist dies die Kunst der Metapher: "Chinese medicine is a linguistic knowledge system with metaphor at its deep structure, and the metaphor is the weaver of Chinese rnedicine." Von einem medizinanthropologischen Standpunkt aus ist es gerechtfertigt zu behaupten, dass die Realität als Abbild der Wirklichkeit immer sozial und kulturell konstruiert ist. Doch läuft dieser Ansatz Gefahr, chinesische Sichtweisen zu abstrahieren, als eigenes Denksystem zu "verherrlichen". Der Autor schreibt: "Interpreting metaphors in Chinese medicine is a key to understand, reconstruct, inherit and develop Chinese medicine."

Bei "develop" muss ich widersprechen: Menschen, egal wo auf der Welt und egal zu welcher Zeit versuchten in ihrem Streben nach Gesundheit und in ihrem Kampf gegen Krankheit dahinterzukommen, was denn Gesundheit und Krankheit ausmacht. Sie gingen von wahrnehmbaren Phänomenen aus, besahen sich auch in unterschiedlichem Maße innere Organe, und sie interpretierten alles Erfahrene und Gesehene zeit- und kulturspezifisch. Das Aufstellen von Metaphern bzw. das Denken in systematischen Entsprechungen, wie P. U. Unschuld (!) es ausdrückte war nicht das Ziel, sondern ein in China über ausreichend lange Zeit vorhandenes Denkmuster, das der medizinischen Theorie Sicherheit vermittelte.

Die Ergebnisse dieses Denkens - jeglichen Denkens - werden dann, wenn neuere Erkenntnisse vorliegen durch neue Sichtweisen ersetzt. Diese neuen Sichtweisen sind in der Regel biologischer, naturwissenschaftlicher, weniger metaphorisch. Aber das interessiert natürlich eher den Arzt. der chinesische und konventionelle Medizin in seiner medizinischen Praxis zu vereinen sucht, der also anders als Wallners Schule von Wissenstheoretikern die Gemeinsamkeiten sucht. Das Beharren auf Unterschieden, gar ihre Verabsolutierung, behindert Weiterentwicklung: Fortschritt beinhaltet Offenheit für Neues. Jenseits dieser epistemologischen Teilkritik bringt dieses Buch eine ausführliche Analyse all der Anteile der chinesischen Medizin - mit großer Betonung auf sprachlicher Analyse: Qi, Yin und Yang, die Fünf Phasen, Leitbahn, Gefäße, Begriffe wie Diagnose, Symptome, Muster, Therapie, Bedeutung von Zahlen, Bedeutung von Begriffen wie Feuer etc. Der Vorteil für denjenigen, der hierüber mehr erfahren möchte: Alle ltems werden als chinesisches Schriftzeichen und in der Pinyin-Umschrift gebracht, außerdem wird auf unterschiedliche westliche Übersetzungen eingegangen, z. B. "five phases, five elements, five agents".
Das Englisch ist leicht verständlich. Alles in allem wird der Leser viel Interessantes und auch Neues in dieser Analyse der Begrifflichkeiten der klassischen chinesischen Medizin finden.
T. Ots


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