Birgit Siekmann/Peter Schmidtsiefer (Hg.)

Global Players oder Vaterlandslose Gesellen?

Beispiele aus dem Wuppertal für Begegnungen mit der „weiten Welt“

Rezension


Das Wuppertal hat schon früh weitgreifende Außenkontakte entwickelt. "Globalisierung" kennzeichnete seine gewerbliche Wirtschaft, lange bevor der Begriff geprägt wurde. Denn - anders als etwa in Bergbaugebieten - die für das dominierende Textilgewerbe notwendigen Rohstoffe waren hier nicht vorhanden, man musste sie von auswärts beschaffen. Und auch der Absatz der gefertigten Produkte erforderte die Präsenz Wuppertaler Kaufleute auf Messen und Märkten praktisch in der ganzen Welt. Als etwa der Barmer Kaufmann Adolf Erbslöh im Jahre 1900 starb, meldete die Barmer Zeitung, dass er in seinem Leben wohl 50 Mal über den Atlantik nach Amerika gefahren sei und 15 Jahre in New York gelebt habe.

Die vorliegende Publikation widmet sich der Begegnung Wuppertaler Bürger mit der weiten Welt anhand einiger aufschlussreicher Beispiele aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Dabei liegt das Schwergewicht des Bandes weniger auf einer Darstellung der wirtschaftlichen Verflechtung des Tals mit dem Ausland, vielmehr auf den kulturellen Impulsen, die das Wuppertal empfing, aber auch austeilte. So etwa berichtet Birgit Siekmann über das Auftreten Wuppertaler Pastoren und des CVJM auf internationalen Treffen nach dem Ersten Weltkrieg, auf denen man mit den Franzosen um die alleinige deutsche Kriegsschuld stritt und um internationale Unterstützung für die ablehnende Position der Deutschen warb. Die nationalistische deutsche Presse zieh den CVJM dennoch der "Jämmerlichkeit".

Schon von ihrer Aufgabe her war die Rheinische Mission ein Zentrum der Begegnung Hans Joachim de Bruyn-Ouboter mit der "heidnischen" Welt. So ist es nur folgerichtig, dass Ludwig Nollau (1810-1869), einer ihrer weniger bekannten Missionare und ein Mitbegründer der United Church of Christ in den USA, mit einer biographischen Skizze von Dietrich Meyer gewürdigt wird. Weitgehend unbekannt dürfte ebenfalls sein, dass das Wuppertal im späten 19. Jahrhundert ein Zentrum des Anarchismus in Deutschland war, dessen Vertreter und dessen international vernetzte Struktur Günther van Norden vorstellt.

Mit einer Darstellung des einflussreichen Wuppertaler Unternehmers Abraham Frowein (1878-1957) durch Peter Schmidtsiefer kommt auch die Wirtschaft des Wuppertals zu Wort. Frowein, der Sohn einer wohlhabenden, alteingesessenen Elberfelder Familie, pflegte schon vor dem Ersten Weltkrieg weltweite Kontakte und baute diese in der Weimarer Republik in verschiedenen Positionen, so in der Internationalen Handelskammer und im Reichsverband der Deutschen Industrie, weiter aus. 1933 wurde er aus dessen Präsidium gedrängt, danach spielte er eine wichtige Rolle bei der Arisierung des "jüdischen" Kaufhauses Leonhard Tietz. Seine konservative, einen "wirklichen" Frieden durch Hitler beschwörende und die Radikalen der NSDAP ablehnende Haltung wird von dem Autor eindrucksvoll herausgearbeitet.

Der lesenswerte Band wird eingeleitet mit einem klugen Aufsatz desselben Verfassers über die "mental maps" von Wuppertalern, Bilder von der globalen Dimension der Welt, die maßgebliche Bewohner des Tals entwickelten. Beendet wird er mit einem Portrait des aus Elberfeld stammenden jüdischen Unternehmers Paul Zivi (1899-1979) aus der Feder von Ulrike Schrader. Zivi emigrierte im Zuge der Weltwirtschaftskrise in den frühen 1930er Jahren nach Brasilien und gründete in Porto Alegre eine Besteckfabrik, ein großes Unternehmen, das bald den ganzen Kontinent mit Messern versorgte - ebenfalls ein bemerkenswerter "global player".

Volkmar Wittmütz


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