Rainer Waßner (Hg.)

Gestalt und Gestalten der Soziologie in Hamburg

120 Jahre Wissenschaft vom Sozialen

Rezension


Der Sammelband enthält hauptsächlich Beiträge des Herausgebers Rainer Waßner, der das Seminar für Sozialwissenschaften der Universität Hamburg aus eigener Dozententätigkeit kennt und bereits in den 1980er-Jahren einschlägige Publikationen vorgelegt hat. Überwiegend porträtieren die Beiträge bekannte Soziologen, die in Hamburg im 20. Jahrhundert gewirkt haben. Zusätzlich enthält der Band einen Rückblick auf die "68er"-Bewegung und einen Artikel zur Geschichte des "Pferdestalls" am heutigen Allende-Platz, seit den 1960er-Jahren Standort der Sozialwissenschaften.

An namhaften Soziologen herrschte in Hamburg kein Mangel. Der Begründer der deutschen Soziologie, Ferdinand Tönnies, lebte und arbeitete hier um 1900. Auf ihn ist die Einrichtung des ersten Lehrstuhls für Soziologie 1926 zurückzuführen. Lehrstuhlinhaber war Andreas Walther, zunächst von Tönnies gefordert, nach 1933 arbeitete er als systemkonformer Stadtforscher.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Helmut Schelsky der prominenteste Hamburger Soziologe an der Universität (1953-1960). Denn der spätere Star (Lord) Ralf Dahrendorf lehrte "nur" an der Akademie für Gemeinwirtschaft. Schelsky nach seinem Weggang von Hamburg umstritten, gewann auch in der außeruniversitären Öffentlichkeit Aufmerksamkeit, vor allem mit seiner oft zitierten These von der "nivellierten Mittelstandsgesellschaft". Bemerkenswert persönlich und einfühlsam sind die Porträts von Heinz Kluth und Janpeter Kob gelungen, beide Lehrstuhlinhaber seit den 1960er-Jahren, in einer Phase, als die Soziologie massenhaft Studierende anzog, allerdings weit überwiegend im Nebenfach. Ein lesenswertes Buch, auch zur Hamburger Geschichte allgemein, dem man beispielsweise entnehmen kann, wie einige "68er" in das rechtsextreme Lager abdrifteten und was der Straßenname "Schlüterstraße" mit Kaiser Wilhelm II. zu tun hat.

Angelika Rosenfeld


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