Klaus Altmayer

Elagabal

Roms Priesterkaiser und seine Zeit

Rezension


Elagabal hat seit der Jahrtausendwende Konjunktur. Altmayers (A.) Buch ist die dritte in kurzer Folge erscheinende diesem Kaiser gewidmete Monographie nach Arrizabalaga y Prado (2010) und lcks (2011).Den ebenfalls 2014 erschienenen Kommentar zur Heliogabalvita der HA aus der Feder des Rezensenten konnte A. nicht mehr zur Kenntnis nehmen.

Auch A. ergänzt und kontrastiert die literarischen Quellen mit außerliterarischen Zeugnissen, allerdings mit einer stattlichen Zahl bei Arrizabalaga und Icks unerwähnter Quellen und Erkenntnisse. Und dies, obgleich er sich (S. 7) explizit vor allem an einen breiteren Interessiertenkreis wendet. Entsprechend sind in den Verlauf der Lebensbeschreibung auch erklärende Exkurse eingestreut. Besonders instruktiv ist die Vorstellung und Kontextualisierung der drei literarischen (S. 17-22) sowie weiterer Quellen zum Beispiel epigraphischer und numismatischer Art. So wird einem allgemeineren Publikum anschaulich vermittelt, wie Historiker/innen mit Zeugnissen zu einer antiken Persönlichkeit heutzutage umgehen.

Die Grenze zu ziehen, was man im Laufe einer Erzählung erläutert und was nicht, ist gewiss immer äußerst schwierig, und es gibt auch hier Fälle wie etwa die tribunicia potestas, die S. 36 mit "Amtsgewalt eines Volkstribuns" übersetzt, aber wohl kaum erklärt wird, doch aufs Ganze betrachtet dürfte A. den Ansprüchen eines weiteren Interessiertenkreises auf fachlich saubere Art gerecht werden. Ausgezeichnet die Vorüberlegungen (S. 27-31) zu den Namen des Kaisers, vom zeitgenossisch nicht belegten (wenn auch als Spottname nicht auszuschließenden) Ela-/Heliogabalus bis zu auch bei Arrizabalaga und Icks nicht erwähnten Spitznamen aus Oxyrhynchus-Papyri (S. 28).

Besonders gelungen und weder antiken noch modernen Darstellungen blind vertrauend sind die Kapitel über Elagabal vor seiner Erhebung zum Kaiser und über diesen Vorgang selbst.[1]

Im Kapitel über Religionspolitik lasst A. sich nicht von der farbigen Empörung der antiken Historiker blenden, sondern fügt die Überlieferung zu einer gewiss nicht einzig möglichen, aber plausiblen Gesamtheit zusammen. Namentlich die Harmonisierung verschiedener Phasen der Religionspolitik mit den verschiedenen Ehen Elagabals leuchtet unmittelbar ein und ließe sich wohl noch vertiefen (S. 115-119). Überraschend hingegen, dass Optendrenks fundamentale Studie [2] (die im Wesentlichen zu denselben Ergebnissen kommt) offenbar nicht benutzt wurde. Gravierender sind Lücken in A.s Ausführungen zu Elagabals Bautätigkeit: Der abschließende Band zur Vigna Barberini [3] (wo der palatinische Elagabaltempel stand) fehlt in der Bibliographie, aber auch die Lektüre des Villedieu bereits benutzenden Palatin-Bandes von Coarelli [4] (der im Literaturverzeichnis figuriert) hätte die Fehlinformation verhindern müssen, der Jupiter-Victor-Tempel, den Elagabal zu einem Elagabalustempel umgewandelt habe (die frühere Tempelgottheit ist aber noch umstritten), sei domitianisch (S. 109). Auch von "sensationell schneller Umbauzeit" (S. 109) kann bei den lediglich partiellen Bauplanänderungen des im Entstehen begriffenen Baus nicht die Rede sein. [5]

Beim "Privatleben" erinnert A. zu Recht daran, dass die unzähligen Nachrichten über den nicht-öffentlichen Elagabal besonders skeptisch zu betrachten sind. In der ausgewogenen Gesamtbeurteilung der meist schlüpfrigen Thematik finden sich nur kleinere Ungenauigkeiten - CIL XIV 3553 besteht aus zwei unterschiedlichen Zeitebenen, an zweierlei Schriften erkennbar, und der Name Zoticus gehört nicht zur auf 224 datierten Inschrift, sondern zur wohl älteren anderen, könnte also, sofern wirklich Elagabals Günstling gemeint ist, noch aus seinen Tagen an dessen Hof stammen (S. 130), und die Floralia können angesichts antiker Berichte [6] wohl schwerlich ein "unschuldiges Frühlingsfest" (S. 132) genannt werden.

Bei der Tyrannentopik wäre meines Erachtens zu berücksichtigen, dass der ansonsten wichtige Grausamkeitstopos wenigstens in der HA eine überraschend geringe Rolle spielt (S. 138). Die politischen Morde behandelt A. besonders aufschlussreich, betont ihre letztlich moderate Anzahl und selbst im ungnädigen Bericht Dios noch durchscheinende Berechtigung (S.142-144). Die ausführlichen Klagen über Elagabals Günstlingswirtschaft kontrastiert er effizient mit der prosopographischen Evidenz - die prominenten Liebhaber sind in keinen Ämtern belegt, viele der hohen Funktionäre unter Elagabal dienten auch vor oder nach ihm (S. 150). Comazons Laufbahn inklusive Datierung seiner Stadtpräfekturen und seine Zuordnung zu Maesa leuchtet ein und sollte bei kommenden Untersuchungen berücksichtigt werden (S. 148). Beim Juristen Paulus hingegen bleibt zu bedenken, dass weder sicher ist, dass er der Vater von Elagabals erster Gattin Julia Paula war (S. 115/153) noch dass er im Zuge der Scheidung verbannt wurde. Seine Prätorianerpräfektur gehört jedenfalls nach jene Ulpians und damit unter Severus Alexander - doch auch an ihrer Realität insgesamt hat bereits Howe [7] berechtigte Zweifel angemeldet.

Bei den Luxuria-Vorwürfen trennt A. sauber zwischen dem unerschöpflichen Anekdotenschatz der HA (den er S. 154-157, wenn auch im Konjunktiv, ausführlich wiedergibt - aber wer konnte diesem farbenfrohen Material auch widerstehen?) und den konziseren Verschwendungsvorwürfen aus Dio und Herodian, die er aber ebenfalls substantiell korrigieren kann: Nur gerade bei liberalitates lässt sich wirklich ein überdurchschnittlicher Aufwand nachweisen - und dabei geht es um Stabilisierung der Herrschaft, nicht um persönliche Extravaganz (S. 158).

In den für uns besonders schwer fassbaren Ereignissen und Konstellationen, die zu Elagabals Untergang führten, stellt A. klar den Gegensatz zwischen Aktionen und Haltungen des Kaisers und jenen seiner überlebenden Hofangehörigen (Maesa, Mamaea, Alexander und Comazon etwa) heraus. Als Argument für die Alexander früh zugedachte große Rolle führt A. seine tatsächlich eher ungewöhnliche Reskriptentätigkeit an (S. 163).

Allerdings schenkt A. meines Erachtens dem Bericht der HA zu Elagabals Ende zu viel Glauben. Die Kapitel 13 bis 17, die aus einer guten Quelle stammen sollen, die im Rest der Vita nur punktuell benutzt sei, [8] sind meines Erachtens voller Fiktionen und loser Enden im Erzählstrang. A. nimmt leider auch die absurde Episode über die Senatsvertreibung (v. HeI. 16), die keine andere Quelle erwähnt, samt der schwankartigen Rettung Ulpians fur bare Münze, die auch von Vertretern der "guten Quelle" längst als skurrile Einlage erkannt worden ist. [9] Dass die HA den 1. Aufstand breit schildert (v. HeI. 13,1- 15,6; allerdings datiert sie ihn nicht konkret, wie A. S.167 behauptet), den entscheidenden 2. Aufstand hingegen wesentlich knapper, ist A. aufgefallen, aber offenbar nicht verdächtig vorgekommen; die pittoresk grausige, dem Geschichtsbild des Prooemiums der Vita entsprechende Tötung von Elagabals Günstlingen (16,5: ut mors esset vitae consentiens [10]) wird ebenfalls kommentarlos wiedergegeben (S. 174).[11]

Im lehrreichen Kapitel 6 zum Sonnenkult nach Elagabal ist der Zusammenhang mit der Biographie des Kaisers manchmal nur noch sehr locker. Ein kleinerer Ausrutscher wie die aus der HA stammende Behauptung, Tacitus und Florianus seien Bruder gewesen (S. 184), fällt neben der kundigen Behandlung vor allem des Uranius Antoninus und Aurelians nicht ins Gewicht. Hoch zu loben sind die Ausführungen zur Illusorizität authentischer Biographie im Epilog (S. 187f.). In der abschließenden Würdigung Elagabals und namentlich seines Unverständnisses für die kaiserliche Rolle befindet A. sich sehr nah an dem ihm offenbar unbekannten Aufsatz von Mader.[12]

Samuel C. Zinsli
Seminar für griechische und lateinische Philologie
Universität Zürich


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