Klaus Altmayer

Elagabal

Roms Priesterkaiser und seine Zeit

Rezension


Unter dem als Prolog bezeichneten Schlaglicht "Tyrann und androgyner Schöngeist" führt der Autor in sein Buch ein, welches im Hauptteil (S. 59 - 175, 187 - 192) einen Über- blick über das Leben des Kaisers Elagabal (reg. 218 - 222), und den aktuellen Forschungs- stand zu seiner Person bzw. Zeit bietet.
Der der dramatischen Literatur eignende Begriff des ‚Prologs' wirkt bewusst gewählt: Passagen aus Herodian und der Historia Augusta zitierend, nutzt der Verfasser diese Einführung, um mit Hilfe besonders "dramatischer" Bestandteile der Überlieferung und Rezeptionsgeschichte das Leserinteresse an seinem Gegenstand zu erwecken. Erfreulich ist dabei der weite Blick Altrnayers über Musik- und Kunstgeschichte, der die Gestalt des Kaisers vom 17. Jahrhundert bis Hollywood und der modernen Popkultur sowie durch ausgewählte Auffälligkeiten aus der Forschungsgeschichte erfasst; so z. B. die in diesem Jahrbuch (Bd. 47, 1997) veröffentlichte interessante These F. Krengels, der zufolge Elagabal auf zahlreichen seiner Münzen mit einem prominent an seinem Lorbeerkranz vor die Stirn gebundenen Stierpenis dargestellt sei, welche den Verfasser, anders als den Rezensenten, überzeugt.
An ausführliche Vorüberlegungen zur Quellenlage, zur Entstehung des inoffiziellen Namens Elagabal und einer Passage unter der Überschrift "Wie wird man römischer Kaiser?" schließt sich als nächster Hauptabschnitt eine Erörterung der politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen zur Herrschaft des Kaisers. Sie leitet nach einem weiteren Einführungsbestandteil (,‚Das römische Reich zur Zeit der Severer") in die eigentliche Biographie über, insofern sie Familie und Kindheit Elagabals und den Militärputsch gegen Macrinus umfasst, der Elagabal auf den Thron brachte. Anschließend wird die Herrschaft selbst betrachtet: Elagabals Weg nach Rom, seine Rolle als Priesterkaiser, sein Privatleben, ein Kapitel "Tyrannei, Günstlinge und Luxus" bis zu seinem schließlichen Untergang in einer Soldatenrevolte. Eine kurze Betrachtung des Sonnenkults nach Elagabal führt zum Epilog, der sich mit der Frage befasst, ob Elagabals Charakterisierung als "schlechter Kaiser" durch senatsnahe römische Quellen auch nach moderneren Kriterien objektivierbar sei.
Zwei als Nachtrage bezeichnete Kapitel befassen sich wiederum mit der Überlieferungslage und der modernen Rezeption (bis hin zu Uderzos Asterixfigur) antiker Texte, welche die Regierung Elagabals in einen allgemeinen Zusammenhang mit vermeintlichen Dekadenzerscheinungen der Kaiserzeit stellen: "Nachtigallzungen und Otternasen", sowie die, speziell im 3. Jh. "zügellose Soldateska". Ein Anhang mit Anmerkungsapparat, Zeittafel. Quellen- und Literaturverzeichnis, Personen- und Ortsregister und Münzabbildungen schließt den Band ab.
In der eigentlichen Elagabal-Biographie (S.59 - 175) bietet Altmaver einen gut gegliederten und recherchierten Überblick über den familiären Hintergrund und das Leben des Kaisers und erschließt dem Leser dabei den umfangreichen aktuellen Forschungsstand, der in jüngerer Zeit durch Monographien wie die von L. de Arrizabalaga y Prado (The Emperor Elagabalus: Fact or Fiction?, Cambridge 2010) oder Martijn Icks (deutsch nach der US-amerikanischen Version von 2011 als: Elagabal. Leben und Vermächtnis von Roms Priesterkaiser, Darmstadt 2014) ergänzt worden war. Dabei werden die Einzelkapitel jeweils an den Kapitelenden auf ein bis zwei Seiten zusammengefasst. Ob das zur besseren Benutzbarkeit des Buches beiträgt, oder doch - angesichts der durchaus nicht überlangen Kapitel - einfach redundant, allenfalls etwas schulmäßig wirkt, über diese Frage ließe sich trefflich streiten. Letztlich dienen Wiederholungen stets didaktischen Zwecken, was zu dem hier rezensierten Buch insofern gut passt, als es sich sprachlich und inhaltlich auch für breitere Leserschichten und junge Studierende besonders eignet; zwei Zielgruppen, die heute nicht mehr so einfach zu unterscheiden sind. Etwas störend wirkt die Neigung des Autors, die Historia Augusta - zweifellos eine der wichtigsten literarischen Quellen zum 3. Jh. - zwar reichlich zu benutzen, sich aber im gleichen Atemzug fast dafür zu entschuldigen, da sie als Quelle ja nicht recht glaubwürdig sei und die ausnahmsweise Glaubwürdigkeit extra betont werden muss (z. B. S. 21, 23, 97, 99, 108, 130). Die Diskussion um die Historia Augusta dürfte den meisten Lesern bekannt sein; wo nicht, genügte eine knappe Passage in der Quelleneinführung. Ein derart beharrliches Infragestellen ihres Aussagewertes hat die Historia Augusta nicht verdient.
Angesichts der zahlreichen modernsten Arbeiten zur Gestalt des Kaisers waren grundlegend neue Positionen eigentlich nicht zu erwarten. Gleichwohl bezieht Altmaver klare Stellung gegen den Trend der Forschung, wenn er ausführlich für ein Aufwachsen Elagabals in Italien sowie dessen Kaisernähe argumentiert. So habe Elagabal gemeinsam mit seinen Eltern die Kaiser Septimius Severus, Caracalla und Geta als Knabe auf deren Feldzügen nach Britannien bzw. Caracalla später in den Osten begleitet, wo sich Elagabal zur Zeit der Ermordung Caracallas wohl in Antiochia befand. Sein Heranwachsen in Italien würde natürlich wichtige und folgenreiche Forschungsperspektiven auf Elagabals späteres Wirken als Priesterkaiser verändern. Denn das vielfach belegte Unverständnis römischer Autoren angesichts des ihnen als exotisch-pervers erscheinenden öffentlichen Auftretens des jungen Kaisers wird heute regelmäßig damit erklärt, dass Elagabal unter ganz anderen gesellschaftlichen Normen aufgewachsen sei, als sie in Rom üblich waren: nämlich in Emesa. dort bekanntlich als Spross derjenigen Familie, innerhalb derer das Oberpriesteramt des lokalen Sonnengottes Elagabal erblich war. Dementsprechend wird Elagabals Namensbestandteil Bassianus etymologisch mit einem phönizischen Wort für Priester erklärt (S. 59). Nach Ansicht des Autors sei der spätere Kaiser erstmals mit dem Orientzug seines Onkels Caracalla in den Osten gelangt. Dort sei er vom Staatsstreich des Macrinus überrascht worden und in den Heimatort seiner Familie mütterlicherseits ausgewichen. Erst zu diesem Zeitpunkt habe er das Oberpriestertum des Hauptgottes von Emesa übernommen und die mit ihm verbundenen Kultpraktiken kennengelernt, an denen Rom später so Anstoß nahm. Aus Sicht des Rezensenten spricht manches für diese Position - und A. ist insofern mit seinen Argumenten ihr bester Anwalt, doch vielleicht mehr noch dagegen.
Die scheinbar tiefe Verankerung Elagabals im Kult seines Gottes konnte für eine langfristige, frühe Prägung sprechen, also für eine Kindheit in Emesa. Andererseits mag das von A. in Anspruch genommene Jahr 217/18, das der spätere Kaiser gewissermaßen im Exil in Emesa verbrachte, für diesen in eine Phase besonderer religiöser Formbarkeit gefallen sein und damit das spätere Verhalten des jungen Mannes hinreichend erklären. Historisch betrachtet helfen derartige psychologisierende Erwägungen allerdings wenig weiter. jedenfalls reichen sie nicht hin, den Quellenbefund zu korrigieren. Und dieser spricht mit Herodian fur Elagabals Aufwachsen in Emesa.
Ein gewichtigeres Argument gegen dessen Aufwachsen in Italien konnte aus seiner zweiten Ehe nut Aquilia Severa abgeleitet werden. Auch wenn man diesen Schritt mit Altmayer wohl zutreffend als einen hieros gamos betrachten will: Spricht diese Ehe nicht eher dafür, dass Elagabal in einer von Italien weit entfernten Region ‚sozialisiert' wurde, in der eine Ehe mit einer Vestalin eben nicht als unvorstellbares Sakrileg gegolten haben muss? Doch zurück zum Beginn der Herrschaft des Knabenkaisers. Dass der Gott von Emesa nach 218 kurzzeitig zur Hauptgottheit Roms avancieren sollte, wird mit seiner Rolle als Schlachtenhelfer erklärt: Im Entscheidungskampf gegen Macrinus scheint das Pferd des jungen Elagabal durchgegangen und diesen dem Feind entgegengetragen zu haben, was wiederum seine Truppen mit nach vorne riss. Die Umgebung Elagabals berichtete in diesem Zusammenhang von einer Gotteserscheinung auf dem Schlachtfeld, die den Sieg der severischen Partei herbeigeführt habe. Altmayer weist dabei zu Recht auf eine sehr wichtige kleine Münzemission hin, auf welcher der Sonnengott statt seiner üblichen Attribute mit dem von Zeus/Jupiter entlehnten Donnerkeil ausgestattet ist. Das zeigt, wie der Sonnengott von Emesa in unmittelbarer Folge des Sieges an Sol / Helios angeglichen und gleichzeitig ikonographisch an Jupiter als den höchsten Gott des Reiches angenähert wird, dessen Platz er letztlich übernehmen sollte, sobald der Kultstein des Elagabal von Emesa durch seinen ‚Priesterkaiser' feierlich in die Hauptstadt überfuhrt worden war. So treffend diese Beobachtung ist, kommen wir damit zu einigen Schwächen der Arbeit, die gerade aus numismatischer Sicht ins Gewicht fallen. Die Prägung mit dem einen Donnerkeil tragenden Sonnengott ist zweifellos sehr wichtig. Die ihr gewidmete Diskussion einer einzelnen numismatischen Quelle (S. 92 - 94) steht jedoch etwas erratisch im Gesamttext und hatte sich vielleicht besser für eine Miszelle geeignet. Problematischer ist die Tatsache, dass gerade diese Münze nicht abgebildet wird. Da der Autor zudem den Stil der Prägung ausführlich diskutiert, um aus ihm Schlüsse zur Münzstättenzuweisung zu ziehen, wird die ganze Passage selbst für den fachkundigen Leser wenig brauchbar.
Für den Numismatiker positiv ist die Tatsache, dass Altmayer der Münzprägung Elagabals insgesamt einen hohen Quellenwert einräumt und die weiterführende Sekundärliteratur einbezieht. Gleichwohl hat man gelegentlich den Eindruck, dass ihm die numismatische Ausbildung und Praxis weitgehend fehlt, wie in der Vergangenheit einflussreiche Historiker zu Fehlschlüssen verleitet und in der Folge der Werrtschätzung numismatischer Quellen in der Geschichtsforschung geschadet hat. Rätselhaft bleibt, wie der Verfasser im methodischen Teil über den Abnutzungsgrad der Münzstempel (!) Datierungsfragen entscheiden oder eine relative Chronologie der Emissionen herstellen will (S. 26). Ist dabei an die Betrachtung von Stempelkopplungen gedacht? So wichtig diese Methode z. B. für undatierte griechische Serien ist, so würde sie kaum jemand für die Münzprägung der Severer anwenden. Hier knüpft die Datierung in der Regel wesentlich einfacher an die Ämteriterationen in den Legenden an. Das wird aus Altmayers Text nicht hinreichend klar. Dass die Antoninianprägung Caracallas einen Doppeldenar darstellen sollte (S. 51), ist vom Prinzip her richtig. Man sollte aber auch Diskussionen einbeziehen, wonach Caracalla mit dem neuen Nominal ein anderes wichtiges Ziel im Auge hatte, nämlich speziell das der erleichterten Perserkriegsfinanzierung. Denn der "Doppeldenar" war nicht nur leichter als zwei Denare. Er scheint in Kleinasien auch einen Wechselkurs von zwei Drachmen gehabt zu haben (W. Weiser, Katalog der Bithynischen Münzen der Sammlung des Instituts für Altertumskunde der Universität zu Köln, Bd. 1: Nikaia, Wiesbaden 1983, S. 174 mit Anm. 138), die jeweils nur geringfügig weniger Silber enthielten als Denare. Das machte den Umtausch für die durchziehenden Soldaten, so weit sie in Reichswährung bezahlt wurden, noch attraktiver.
Schließlich zur eingangs erwähnten These E. Krengels, die in dein auf vielen Münzen Elagabals vorne am Lorbeerkranz angebrachten Gegenstand einen Stierpenis erkennen will: Dass Krengel ihren Befund durch Autopsie am Veterinärmedizinischen Institut der Münchner Universität verifiziert hat, durfte vor allem die Grenzen empirischer Modelle für die Erforschung antiker Ikonographie aufzeigen. Trotz vielfacher Verbundenheit antiker Mysterienkulte mit Fruchtbarkeitsritualen dürfte die Vorstellung eines vertrockneten Stierpenis an der Stirn eines Kaisers, selbst eines dem Orient aufgeschlossenen Kaisers wie Elagabal, abwegig sein. Erwägenswerter bleiben daher Erklärungen als Horn (nach hellenistischem Vorbild?) oder auch als auf einen ausgestreckten Finger reduzierten Anbetungsgestus.
Bildbedeutungen vergangener Epochen sind und bleiben uns oftmals unzugänglich. Gleichwohl soll hier, mit aller gebotenen Reserve, ein weiterer Deutungsversuch für den Stirnfortsatz am Lorbeerkranz Elagabals versucht werden, indem wir uns an den oft hilfreichen Bahnen von Bildern bewegen, die in ihrer Zeit gang und gäbe waren. Das undefinierte kleine Kranzelement ist stets mit dem bärtigen Bild des sehr jungen Kaisers verbunden. Vielleicht hilft eine Hinweis der Elagabalvita in der Historia Augusta (17, 5) weiter, nach welcher der schließlich ermordete und in den Tiber geworfene Kaiser von der spottsüchtigen römischen Bevölkerung posthum den Spitznamen Tiberinus erhielt, in Anlehnung an den Flussgott der Hauptstadt.
Gleichzeitig erinnert Elagabals schließlich kurzer Vollbart unmittelbar an das Bild Caracallas, als dessen Sohn sich Elagabal ausgab, um von der großen Beliebtheit seines angeblichen Vaters beim Militär zu profitieren. Es fällt in diesem Zusammenhang auf, dass Überlegungen zur Außenpolitik Elagabals in der antiken wie modernen Literatur weitgehend fehlen. Altmayers Buch bildet hier keine Ausnahme. Das dürfte zum Teil darin gut begründet sein, dass aus Sicht der severischen Familie erst einmal die Restabilisierung ihrer Herrschaft nach innen im Vordergrund stand, was sich in der Überlieferung niederschlug.
Andererseits ist es wenig wahrscheinlich, dass die fast vierjährige Regierung Elagabals keinerlei außenpolitische Konzepte entwickelt hat. Dies wäre allein mit der Sieghaftigkeit als unverzichtbarer Kaisertugend unvereinbar; erst recht, wenn sich dieser Kaiser dem siegreichen emesischen Sonnengott besonders verbunden fühlt. Ein Herrscher, der sich als Sohn des Caracalla ausgibt und sein Bild diesem derart angleicht, dürfte gar keine Alternative gehabt haben als das Erbe von dessen Orientfeldzugsplänen zu übernehmen, sofern er in den Augen von Bevölkerung und Soldaten glaubhaft bleiben wollte. Denn die gesamte Selbstdarstellung der selbständigen Herrscherjahre Caracallas war auf den Perserkrieg und des Kaisers Rolle als novus Alexander ausgerichtet.
Die Rezension möchte sehr vorsichtig den Gedanken an einen Flussgott ins Spiel bringen, zumal der Bart Elagabals zusehends zu verwildern scheint (Abb. 1, Privatsammlung; auf Altmayers ähnlichem Exemplar Abb. 9 ist der kleine Fortsatz ebenso vorhanden, aber wegen der schwachen Ausprägung vom Autor verkannt worden), was für derartige Wassergottheiten nicht untypisch sein dürfte. Flussgötter sind in der antiken Bildhauerkunst oder Münzglyptik oft mit Schilf- oder Riedgraskränzen ausgestattet, deren längere Blätter markanter als der Lorbeer über die Stirn hinausragen (Abb. 2; Follis des Hanniballian, ca. 335 - 337; Rv. ein die Grenze zu Persien syria lisierender Flussgott mit Schilfkrone). Dass man Elagabal posthum nur deswegen als Tiberinus bezeichnete, weil sein Körper in den Tiber geworfen wurde, wäre etwas plump und entbehrte des Esprits. "Gut" wäre der Scherz erst dann, wenn er einen Bezug zu Elagabals Selbstdarstellung gehabt hätte. Da bei sollten wir nicht ausschließen, dass dem "Tiberinus" der römischen Spötter ein Wortspiel mit "Tigrinus" zugrunde lag. Der politische Erbe des "neuen Alexander" Caracalla würde als "Tigrinus" den Tigris zu überschreiten haben, um seinen siegreichen Krieg in das Herz des Perserreiches zu tragen und die römischen Grenzen über den strategisch bereits erreichten Euphrat hinaus an den Tigris zu erweitern. Eben dieses Versprechen könnte sich in dem wilden, "flussgottartigen" Kaiserporträt ausdrücken. An einen "Zwitter" zwischen kaiserlichem Lorbeer und Schilfkranz des Tigiris sollte also wenigstens nachgedacht werden, zumal die römische Münprägung unter orientalischem Einfluss auch andere vergleichbare Zwitter keimt - die Antiochener Antoniniane des Aurelian nut Vabalathus, auf denen Letzterer die einzigartige Kombination von römischem Lorbeer und hellenistischer Königsbinde trägt. Sollte unsere Überlegung zum Kombinationskranz Elagabals zutreffen, so würde das Bild zweifellos durch eine entsprechend verbalisierte Perserkriegspropaganda transportiert - und dies mag dem unglücklichen Kaiser post mortem den Spitznamen "Tiberinus" eingetragen haben.
Auch jenseits der Numismatik ergibt sich fur Altmayers Werk ein durchaus differenziertes Bild: Was z. B. die Hinweise des Autors zur antiken Religion angeht, so finden sich sehr unterschiedliche Betrachtungsschärfen. So finden sich Passagen, die einen sehr guten Zugang eröffnen. Beispielhaft seien seine sensiblen Ausführungen zum römischen Kaiser als Gott und damit als Herrn über die Naturgewalten genatnnt; eine Rolle, die mit vielen Beispielen (S. 63 f.) bestens illustriert wird. Dem unverbunden gegenüber stehen etwas lehrhaft-schematisch anmutende und wohl unzutreffende Bemerkungen zum vermeintlichen Unterschied zwischen deus und divus. Der römische Kaiser sei laut Altmayer eben kein Gott gewesen, sondern "nur" als göttlich, also als weniger als ein Gott, verstanden worden. Unbewusst stehen dahinter wohl systemfremde, durch hier nicht passende christliche Wertvorstellungen überfrachtete Axiome, die mit M. Clauss (Kaiser und Gott. Herrscherkult im römischen Reich, Stuttgart/Leipzig 1999, S. 356) heute nicht mehr als communis opinio dargestellt werden sollten.
Die übergreifenden Kapitel, die Elagabal in den Gesamtzusammenhang seiner Epoche stellen, gehören zu den weniger starken Teilen der Arbeit. Allgemeinste Betrachtungen zu monarchischen Staatsverfassungen bis zum modernen Papsttum und zu Kambodscha und dem Heiligen Römischen Reich (S. 32 f.) gehören in dieser Form eher in einen Oberstufenaufsatz denn eine wissenschaftliche Monographie. Auch Teile wie die zum Sonnenkult nach Elagabal, Nachtigallenzungen und Otternasen oder zum Heerwesen des 3. Jhs. sind unterhaltsam und anschaulich, bieten aber wenig Substanzielles, Als allererste Anregungen zum Thema sind sie allerdings gut brauchbar.
Eine Gesamtbewertung würde aus Sicht des Rezensenten daher zwiespältig ausfallen. Wem es im Wesentlichen um eine flott geschriebene Darstellung der Regierung Elagabals geht, die einen fundierten Zugang zum neuesten Forschungsstand ermöglicht - und das obendrein zu einem vergleichsweise günstigen Preis, dem sei das Buch sehr empfohlen. Erst recht gilt das für den allgemein interessierten Leser, der sicher auch Spaß an launigen Exkursen zu römischem Luxusleben und "Dekadenz", zur antiken Religion und allgemeinen Betrachtungen zum römischen Heerwesen haben wird.

Konstantin Olbrich


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