Karlheinz Lipp

Der Friedenssonntag im Kaiserreich
und in der Weimarer Republik

Ein Lesebuch

Rezension


Der Friedenssonntag gilt dem Autor als Symbol des Friedens generell. Erste Aktivitäten für einen Friedenssonntag gab es in Großbritannien seit den 1840er Jahren, Jahrzehnte später folgten dann zaghafte Versuche in Deutschland. Die Freie Evangelische Gemeinde Königsberg und das Reichsland Elsass-Lothringen gaben ein Beispiel. Ihren Aufrufen, Berichten und Reden widmet der Autor je ein Kapitel. Die Pazifistin Elsbeth Friedrichs aus Königsberg informierte über die Geschichte des Friedenssonntags, besonders in Großbritannien, würdigte die Initiativen der Quäker und gab methodische Hinweise für Feiern. In der Freien Ev. Gemeinde Königsbergs wurde der erste Friedenssonntag Deutschlands am 13. Dez. 1908 gefeiert. Dokumentiert ist die Predigt von Dr. Max Friedrichs. Ebenso der offene Brief der Deutschen Friedensgesellschaft, Ortsgruppe Königsberg, "an die Geistlichkeit aller Konfessionen", einen "Weltfriedenssonntag" am 3. Advent zu begehen. Den Kriegsdienst zu verweigern, kam den Mitgliedern bei Beginn des Ersten Weltkriegs nicht in den Sinn.

Vor dem Krieg warnte die Redaktion des Evangelisch-Protestantischen Kirchenboten für Elsass-Lothringen 1913, in dem sie den "Ausschuss des Bundes der Evangelischen Kirchen Frankreichs" unterstützte: "Welche Greuel träten da zutage, wie wurden Tausende und Abertausende hingeschlachtet ... Ganz sicher würde durch einen solchen Krieg nicht Friede geschaffen, sondern nur Grund zu neuem Zwist gelegt." Solche "systematische Ausübung von Gewalttätigkeit, wie es der Krieg ist", würden den "Absichten Gottes direkt ins Gesicht" schlagen. (53) Christus würde aufs Neue gekreuzigt. Der Quellenband dokumentiert Beispiele für friedenstheologische Einstellung im Elsass: Pfarrer K. A. Busch erinnerte im Kirchenboten an die Wehrdienstverweigerung der alten Kirche: "aber die Kirche ward Welt und segnete den Krieg ... die Liebe flüchtete sich ins Kämmerlein" (59) Auch der Präsident des Direktoriums der ev. Landeskirche Friedrich Curtius warb für den Friedenssonntag und für Verständigungs-Politik. Am 24. Nov. 1913 beschloss das Direktorium "zur Förderung der Friedensbestrebungen", am 2. Advent außer bei Dank und Fürbitte für die Erhaltung des Friedens auch in der Predigt einzutreten. Aber damals war - so Friedrich Curtius 1920 - der Einfluss der Alldeutschen und der deutsche Militarismus schon stark. Die Berliner Friedenspfarrer Walther Nithack- Stahn, Hans Francke und der badische Pfarrer Hermann Maas informierten über diese Initiativen und warben für diese Idee. Ebenso der Thüringer Friedenspfarrer Ernst Böhme in seiner Schrift ‚Die Unterlassungssünde der Kirche' 1920. Wie schon im Buch des Autors über den Friedenskampf der religiösen Sozialisten 1919-33 werden die Initiativen des Bundes der religiösen Sozialisten Deutschlands in einem Kapitel besonders gewürdigt. Ihre Pfarrer versuchten, in den Hochburgen der Bewegung Baden und Thüringen, Friedensgottesdienste verbindlich für alle Gemeinden festzulegen. Der zweite Advent oder ein Sonntag nahe dem Ersten Mai wurde vorgeschlagen, um die Verbindung von sozialer Gerechtigkeit und Frieden zu betonen. Aber die Anträge auf den Landessynoden wurden immer wieder abgelehnt. Emil Fuchs, damals Pfarrer in Eisenach, begründete auf dem Thüringer Landeskirchentag 12.-24 Mai 1927 den Antrag seiner Fraktion: Frieden entspricht dem Willen Gottes und der christlichen Liebe. Das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit sollen Christen zuerst erstreben. Noch nie gab es so viel Hass und Kampf auf der Welt. Gerade deshalb sollte jedem Pfarrer die "Pflicht auferlegt" werden, mit seiner Gemeinde einen Friedenssonntag zu begehen. Pfarrer Dr. Hans Müller erinnerte an die Schuld der Kirche wegen ihrer Verherrlichung des Krieges. Demgegenüber erinnerte Emil Fuchs an das Beispiel der 3000 Quäker, die wegen Kriegsverweigerung in englischen Gefängnissen saßen.

Auch das Wirken des Weltbunds für Freundschaftsarbeit der Kirchen steht mit einem Kapitel im Vordergrund der Quellen-Auswahl. Der Weltbund, hervorgegangen aus den deutsch-britischen Freundschafts-Beziehungen seit 1908, hatte vom 1.-3. August 1914 ca.100 Vertreter von Kirchen aus aller Welt eingeladen. Der Beginn des Ersten Weltkriegs unterbrach den Einfluss dieses Friedenskongresses, doch blieben die Kontakte der ökumenischen Organisation mit pazifistischer Ausrichtung erhalten. Während der Weimarer Zeit engagierte sich der Weltbund immer wieder für einen Friedenssonntag. Besonders aktiv waren die Ortsgruppen Nürnberg (Pfr. Christian Geyer), Heidelberg (Pfr. Hermann Maas), Danzig (Pfr. Vorweg). Gedacht wird auch des Franziskanerpaters Theophil Ohlmeier vom Friedensbund Deutscher Katholiken.

Unermüdlich während seines ganzen Lebens wirkte Friedrich Siegmund-Schultze (1885 - 1969) für den Frieden und den zum Frieden mahnenden Sonntag. In seiner Zeitschrift ‚Die Eiche' sowie einem Sonderdruck gab er 1930 einen Überblick über Feiern in europäischen Ländern sowie Australien, Japan und China und in den deutschen Ländern und Städten. Eine Initiative des Weltbunds für einen Friedenssonntag 1928 wurde von den Kirchen leitenden Gremien boykottiert. Als geeigneten Termin im Blick auf Lesungen empfahl er den zweiten Advent. Das Ev. Zentralarchiv Berlin nannte 27 Zeitungen, die seine Übersicht rezensierten und kommentierten. In der ‚Zeitschrift für Religion und Sozialismus' begrüßte Pfarrer Heinz Kappes, Karlsruhe, den Bericht und erklärte, Friede und Gerechtigkeit gehören zusammen mit dem Hinweis auf das Reich Gottes, weswegen auch die Feiern zum 1. Mai zugleich Friedensfeiern sein sollten.

Ebenso äußerte sich J. Raphael, Leiter der jungjüdischen Pazifisten im Dortmunder Generalanzeiger vom 9.Nov.1930. Unterstützt wurde er auch von Pfr. Albrecht Gubalke, Sangerhausen, in seinem Blatt ‚Die Unruhe'. Aus dem liberal-demokratischen Lager sind Artikel von Ferdinand Justus Laun, Gießen-Okarben, (Christliche Welt) und Johannes Herz, Leipzig, (Evangelisch-Sozial) in den Quellenband aufgenommen. Ebenfalls im Dortmunder Generalanzeiger kritisierte Auguste Kirchhoff jenen Frankfurter Pastor, der in seiner Predigt Jesus am Maschinengewehr sah als typisch für altheidnische Vorstellungen von einem Kriegsgott und berichtete über F. Siegmund-Schultzes Schrift. Der Aufruf der Deutschen Vereinigung des Weltbundes nannte Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe als christliche Friedensidee und Voraussetzung für einen wirklichen Frieden im Gegensatz zu beklagten Versailler Friedensvertrag. Den Geist Gottes in "diesen schwachen Bemühungen" sah auch die Herrenhuter Brudergemeine, um die "verbindende Macht der Liebe Christi zu bezeugen". F. Siegmund Schultzes Bericht im Jahr 1931 spiegelt zwar die Hoffnung, dass sich die Idee allmählich durchsetzt, berichtet aber zugleich über Pessimismus wegen nationalistischer Bestrebungen und Enttäuschung über die Rolle des Völkerbunds bei der Abrüstungsfrage. Im Bericht 1932 ist von nationalsozialistischen Äußerungen die Rede, welche junge Pfarrer eingeschüchtert hätten. "Einen "Vorgeschmack des Dritten Reiches hat der religiössozialistische Pfarrer Harry Truckenbrodt in Thüringen erlebt, weil fünfzig "Deutsche Christen" seine Gottesdienste in der Adventszeit und auch Weihnachten gestört hätten. Überliefert wird im Quellenband die Rede von Sup. Diestel im neuen Medium Radio am 2. Advent 1931. Hervorgehoben sind die Namen der Friedensprediger: Pfr. Wilhelm Mensching, Petzen, Versöhnungsbund, Lic.Wielandt, Berlin, Pfr. Kühne, Hermanswerder, Sup. Ungnad, Strausberg (Mark), D. F. Siegmund Schultze, Görlitz, Pfr. Ritzhaupt, Erfurt, Pfr. Holtz, Prof. D. Lang, Pfr. Kawerau, Pfr. von Broecker, Halle, Gen.Sup. D. Stoltenhoff, Prof. D. Dr. Stählin, Pfr. Radecke, Lic. Menn, rheinische Provinzialgruppe des Weltbunds, Sommer, Mann, Wallau, Ortsgruppe des Weltbundes Frankfurt, Pfr. Maas, Heidelberg, Pfr. NoId, Nördlingen, Pfr. Veit, Nürnberg, Dr. Alo Münch, München, Karl Müller Wittenberg. Hervorgehoben werden auch die Kreuzritter neben dem Weltbund: Außer dem Quellen- und Literaturverzeichnis ist ein Personenregister dem Band beigegeben.

Dem Autor, der sich für die historische Friedensforschung schon große Verdienste erworben hat, ist es zu danken, dass Friedensbestrebungen, die seit der Machtergreifung Nazis jäh ein Ende fanden, gewürdigt werden. So bekommen die Gemeinden die Chance, der Zeugen des Friedens an ihrem Ort zu gedenken und ihrem Beispiel zu folgen. "Gedenkt an Eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben, ihr Ende schaut an und folgt ihrem Glauben nach!" (Hebr. 13,7).

Reinhard Gaede


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