Interkulturelle Koran-Bibliographie

zusammengestellt und herausgegeben von Ramin Khanbagi

Rezension


Der Koran bildet zusammen mit dem Hadith, den gesammelten Aussprüchen und beispielhaften Handlungen des Propheten Muhammad sowie den von ihm geduldeten Taten anderer, die Hauptquelle der islamischen Theologie und der Scharla. Um so verwunderlicher ist es, daß bisher niemand versucht hat, die reiche Literatur zum Koran und verwandten Themen umfassend bibliographisch zu erfassen, weder im Westen noch in den islamischen Ländern. Erschienen sind vielmehr vor allem Verzeichnisse der Übertragung des Korans in andere Sprachen, meist solche in einzelne Sprachen oder Sprachgruppen. Lediglich eine umfassende Bibliographie zu diesem Thema ist mir bekannt, die von Ismet Binark und Halit Eren verfaßte und 1986 von Ekmeleddin lhsanoglu herausgegebene Welt-Bibliographie der gedruckt erschienenen Koranübersetzungen. Ansonsten gibt es eine Reihe kleinerer Bibliographien zu spezielleren Themen, oft als Zeitschriftenaufsätze veröffentlicht. Um so verdienstvoller ist es, das Ramin Hanbigi das hier zur Besprechung vorliegende Werk zusammengestellt und publiziert hat. Gefördert wurde die umfangreiche Arbeit durch die Stiftung für Islamische Studien e.V. (SIS). Der Verfasser ist "Doktor der Philosophie an der Freien Islamischen Universität in Teheran". Bibliographisch ist er bereits mit einem Werk über die persische Poesie in Erscheinung getreten.

Die Bibliographie verzeichnet insgesamt 6542 Titel in "mehr als dreißig europäischen und nichteuropäischen Sprachen", darunter auch Swahili und Yoruba u.a. afrikanische Sprachen sowie Malaiisch, Javanisch. Vereinzelt sind auch russische, arabische und persische Veröffentlichungen verzeichnet, wenn auch nicht systematisch und vollständig. Auch in den aufgeführten Sprachen fehlen allerdings wichtige Titel, so z.B. der im Rahmen der Forschung zur Entstehung und frühen Geschichte des Korantextes wichtige, 2010 in Leiden erschienenen Kongressband The Qur'an in context, wie auch die weiteren drei Titel der Reihe Texts and studies on the Qur'an, die seit 2009 erschienen sind. Bei einer kursorischen Durchsicht des Bandes zeigt es sich dann, das die Bibliographie grundsätzlich nur Publikationen enthält, die bis einschließlich 2008 veröffentlicht wurden, so das sich das Fehlen der genannten Titel damit erklärt.

In einem bibliographischen Werk mit so weitgefaßter Thematik und von einer solch breit angelegten Herkunft der verzeichneten Materialien darf man das Fehlen einzelner Schriften nicht überbewerten; da läßt sich immer etwas finden, wenn man nur genug bohrt. Allerdings müssen grundlegende Beschränkungen der Materialien ausdrücklich erwähnt werden; eine solch grundlegende Beschränkung auf Publikationen, die bis 2008 erschienen sind, muß in der Einleitung erwähnt werden, besonders da bei einer erst 2014 erschienenen Bibliographie auch spätere Veröffentlichungen zu erwarten waren. Es fehlt ferner ein Hinweis darauf, welches die Hauptsprachen sind, in denen man die größtmögliche Vollständigkeit erwarten kann, und das für alle anderen Sprachen eben nur eine mehr oder weniger große Auswahl zu finden ist - nach welchen Kriterien auch immer. Stattdessen wird in der Einleitung ausführlich die Interkulturalität des Verzeichnisses beschrieben, insbesondere die Berücksichtigung von Materialien aus gegensätzlichen Forschungsmeinungen, aus unterschiedlichen Kulturkreisen, in verschiedenen Sprachen und anderes mehr - alles eigentlich Selbstverständlichkeiten für eine gute Bibliographie.

Die Bibliographie gliedert sich in drei Teile: den Anfang macht die BibIiography of Qur'an transiations (Nr. 1 - 464, S. 11 - 58), die alphabetisch nach den Sachtiteln und nicht, wie man es erwarten könnte, zunächst nach Sprachen geordnet ist. Der zweite Teil, die weit umfangreichere Bibliography of Qur'anic studies (Nr. 465 - 6542, S. 59 - 570) ist dagegen nach Verfassern sortiert. Es folgen drei Register: der Book index (S. 571 - 759), der alle Sachtitel aus den beiden bibliographischen Teilen alphabetisch verzeichnet; ferner dem Name Index (S. 761 - 819), der alle Namen enthalt, die in den bibliographischen Teilen nicht an ordnungsrelevanter Stelle stehen - ein durchaus nützliches Register; es wird jedoch auch hier nicht erklärt, welche Namen aufgeführt sind, das muß man sich wieder selbst erschließen. Das Werk wird beschlossen durch einen ausführlichen Subject index (S. 761 - 997), durch den die Bibliographie sachlich erschlossen wird und diese damit überhaupt erst sinnvoll zugänglich macht. Stellenweise wirkt dieser thematische Index allerdings etwas aufgebläht: so fragt man sich, ob es in einer Bibliographie zum Koran nötig ist, "Qur'an & Qur'anic Studies" (rund 8 Spalten) sowie "Qur'an Studies" (rund 7 Spalten) als eigene Lemmata aufzuführen - ganz zu schweigen davon, worin der Unterschied zwischen diesen beiden liegt. Ferner werden zahlreiche Schlagwörter mehrfach aufgeführt, so, um nur ein Beispiel zu nennen, ist das Thema "Korankommentar" unter mehreren Lemmata aufgeführt: unter Commentaries (S. 854) und Qur'an: Commentaries (S. 943) mit identischen Stellenangaben, ein weiteres Mal unter Qur'an: Tafsir (S. 950) ohne die Seitenangaben der beiden früheren Einträge und schließlich noch einmal unter Tafsir (S. 979 - 983), mit wieder anderen Stellen (Umfang: rund 9 Spalten). Die Reihe der Unterschlagwörter zu Qur'an: Commentaries, Qur'an: Tafsir und Tafsir ist dabei noch gar nicht berücksichtigt. Hier ist somit der gleiche Sachverhalt unter verschiedene Lemmata aufgeteilt, teils mit redundanten, teils mit unterschiedlichen Stellenangaben.

Trotz aller hier geäußerten Kritikpunkte ist das Werk, wenn man sich erst einmal richtig eingelesen hat, eine äußerst wertvolle Materialsammlung und künftig sicherlich unverzichtbar für die meisten derjenigen, die sich intensiv mit dem Koran und seinen Inhalten beschäftigen wollen; es hat daher seinen berechtigten Platz im Referenzbestand einer Bibliothek.

Walter Werkmeister


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