Eveline Goodman-Thau/Hans-Georg Flickinger (Hg.)

Zur Aktualität des Unzeitgemäßen

Beiträge zum Jüdischen Denken

Reiner Wiehl zum Andenken

RAKIA - נקיע
Neue Horizonte in Jüdischer Geschichte, Philosophie und Kultur
Band I

Abstract / Rezension


Aus dem Klappentext

Von Beginn an war die Geschichte des jüdischen Monotheismus durch die Begegnung mit fremden Kulturen gekennzeichnet. In einem Prozess von Abgrenzung und Anpassung kristallisierte sich allmählich eine Identität heraus, die Exklusivität und Inklusivität ebenso wie Partikularismus und Universalismus erlaubt.

Im Dialog mit sich und der Umwelt, im Individuellen wie im Gesellschaftlichen entstand im Laufe der Jahrhunderte ein Denken, das eine gegenseitige Rezeptionsgeschichte zwischen dem Judentum und den verschiedenen Kulturen, mit denen es in Berührung kam, aufzeigt. In dem Maße, in dem die jüdische Tradition von fremdem Geistesgut inspiriert wurde, floss auch das jüdische Gedankengut in allen Epochen bis zur Gegenwart in das Abendland ein, wobei die spezifisch jüdischen Zuge nie verloren gingen. In dieser Hinsicht stellt das Judentum ein einzigartiges Phänomen in der europäischen Geistesgeschichte dar: Trotz der vielen Brüche und Verschmelzungen ist ein Kontinuum zu beobachten, welches stets eine Vermittlerrolle zwischen den Kulturen einnahm.

Im Vordergrund stehen dabei die Phänomene "Tradition" und "Kanon", die sich einem Leitfaden gleich durch sämtliche Epochen der der Geschichte verfolgen lassen. Gerade im europäischen Kontext wäre es wichtig, diesem nachzugehen, da in der jüdischen Tradition "Kanon" nie als abgeschlossener Korpus gesehen wurde, sondern als Quelle für die vielen Interpretationsformen, die, eingebettet, sei es Text oder Ritual, den jeweiligen Kontext zum Ausdruck bringen.

Die Erfahrung, dass Kultur, Wissen und Bildung immer von ihren Quellen aus verschiedenen Überlieferungen geprägt sind, hat die Begegnung von Judentum und Moderne grundsätzlich geprägt und sensibilisiert für die Differenzen in der - gerade auch - wissenschaftlichen Wahrnehmung von Kultur und Geschichte des Abendlandes bis hin zur Beschreibung dessen, was Moderne ist oder sein soll.

Nach fast einem Jahrhundert, in dem sich die Vernichtung des europäischen Judentums vollzogen hat, wächst allmählich das wissenschaftliche Bewusstsein für die Bedeutung der Religionen für alle Zweige der Geisteswissenschaften. Die Beschäftigung mit dem Judentum nimmt hier eine Sonderstellung ein, nicht nur wegen der größtenteils unbewältigten Vergangenheit, sondern auch wegen der unreflektierten Aufklärungsversuche einerseits und den verschütteten wissenschaftlichen Traditionen andererseits, die durch den Einbruch der Shoa nicht wieder aufgenommen werden konnten. In der Weiterführung des Humboldtschen Bildungsideals ist die Beschäftigung mit dem Judentum im Abendland somit eine wissenschaftliche wie auch kulturelle Aufgabe.

Die Reihe RAKIA - Neue Horizonte in Jüdischer Geschichte, Philosophie und Kultur / RAKIA - New Horizons in Jewish History, Philosophy and Culture eröffnet in diesem Sinne einen neuen wissenschaftlichen und intellektuellen Horizont zur Reflexion des Jüdischen im Abendland.


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