Uwe Czubatynski

Bibliographie zur Kirchengeschichte
in Berlin-Brandenburg

Band 1:
Allgemeines und Altmark

Rezension


Neue und grundlegende Bibliographien werden immer seltener erarbeitet und Bibliographien überhaupt wohl auch immer seltener benutzt. Dieser durchaus negative Trend geht bisweilen mit einer schwindenden Fähigkeit (und Motivation), systematisch zu arbeiten, einher. Seine Entsprechung findet er überdies in der verbreitet spielerischen Art und Weise, Online-Bibliothekskataloge zu nutzen, wobei diese ebenso wie Online-Bibliographien immer öfter gravierende Lücken aufweisen oder - ganz im Gegensatz zur Erwartungshaltung der verwöhnten Nutzer - einen veralteten Stand präsentieren. Es gibt herausragende Gegenbeispiele, aber der Durchschnitt ist nicht gerade beflügelnd. Was Uwe Czubatynski, der Leiter des Domstiftsarchivs Brandenburg, in dieser Situation anbietet, ist ein scheinbar traditionelles, in Wahrheit ideales Gegengift. Der Bearbeiter, von Hause aus Theologe, Kirchenhistoriker und Bibliothekar, ist in diesem Metier kein Unbekannter, hat er doch bereits mehrfach Bibliographien (Bibliographie zur Geschichte der Orgel in Berlin-Brandenburg, 1993/2005; Das kirchliche Archivwesen in Deutschland, 1996/2005) veröffentlicht und zeichnet zudem auch für eine laufende bibliographische Berichterstattung zur Geschichte der Prignitz verantwortlich. Wesentliches Wirkungselement seines Gegengiftes ist wie schon bei vielen anderen von ihm bearbeiteten oder herausgegebenen Publikationen die von vornherein beabsichtigte Publikation auch im Internet. Im vorliegenden Fall - die Buchauflage ist mit 100 Stück ohnehin gering - wird der vollständige Text zeitlich versetzt, aber wohl noch im Folgejahr, als PDF im Internet auf dem Server der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) verfügbar sein. Dessen Durchsuchbarkeit dient dem Bearbeiter dann auch gleich zur Rechtfertigung für das Fehlen von Registern in der Buchausgabe - nun gut. Tatsächlich besteht der Wert des Verfahrens nicht zuletzt darin, formale und Qualitätsmaßstäbe aus der Welt gedruckter Bücher mit den Recherchemöglichkeiten des Supermediums Internet zu verknüpfen. Auch wenn Nachträge, anders als in einer Datenbank, nicht laufend hinzutreten können.

Das Gesamtwerk ist auf drei Bände angelegt, deren Inhalte also künftig über die DNB virtuell und doch im Buchlayout erreichbar sein werden. "Band 2 wird die Landschaften, Kreise und Orte im Land Brandenburg (… [ohne die Niederlausitz - P.B.]) umfassen, Band 3 die Abschnitte über Berlin, Preußen, die Niederlausitz sowie Personen und Orgeln" (S. 9). Familien und Personen der Altmark sind freilich schon in Band 1 enthalten. Czubatynski stützt sich grundsätzlich auf die im wesentlichen bis 1970 gehende Bibliographie zur Geschichte der Mark Brandenburg von Schreckenbach, erwähnt aber im Vorwort weder den Hauptbearbeiter des Teils V Altmark, Helmut Schönfeld, noch die Tatsache, dass dieser ja erst 1986 erschienen ist. ABM-Kräfte haben in des Bearbeiters Auftrag den "Schreckenbach" mit kirchengeschichtlichem Fokus ausgewertet, ein Verfahren, das nicht unbedingt die Gewähr für das vom Bearbeiter selbst gewohnte Niveau garantiert, der schon einmal, beim Altmärkischen Pfarrerbuch, diesen höchst problematischen Weg beschritten hat. Nun ist allerdings das gesamte Titelmaterial anschließend vom Bearbeiter weitergehend sortiert und vor allem um seit 1970/86 Erschienenes ergänzt worden. Vor allem aber hat Czubatynski mit dem erfahrenen Blick des selbst forschenden Nutzers eine Fülle an systematischen Verweisen und Querverweisen eingebaut, die gerade den Wert solcher geistigen Leistungen ausmachen, während die punktuelle Suche in elektronischen Titeldatenbanken so etwas meist dem Zufall bzw. der Assoziationsfähigkeit der Software überlassen muss. Czubatynski verweist stets, z. B. bei den einzelnen Orten, auf die genaue Stelle bei Schreckenbach (Schönfeld!), um auch auf die weitergehende Ortsliteratur aufmerksam zu machen, die der kirchengeschichtliche ABM-Fokus mit Recht beiseite gelassen hat, die aber vielfach indirekt auch gemeinde- oder baugeschichtlich relevant sein dürfte. Wie Schreckenbach-Schönfeld verweist er auch auf die einzelnen Kunstdenkmälerinventare, darüber hinaus weitere gedruckten Quellen und Literatur, etwa die (online einsehbaren) altmärkischen (bzw. bei Bedarf halberstädtischen) Kirchenvisitationsabschiede. Vergeblich gesucht hat der Rez. in diesen Ortsabschnitten allerdings die jeweiligen Artikel des Brandenburgischen Klosterbuches, das ja auch die Altmark enthält. Das insgesamt fürsorgliche Heranführen des Nutzers an die Sammelwerke auch über den Einzelort dürfte namentlich für Ortschronisten wichtig sein.

Band 1 enthält neben Einleitung, Abkürzungsverzeichnis (v. a. Siglen), Register der zitierten Bibliotheken und einem Verzeichnis der (ausgewerteten?) Bibliographien die Hauptgruppen Allgemeines und Altmark, welch letztere sich im Umfang ungefähr die Waage halten. Erstere ist vor allem chronologisch gegliedert (S. 33-66 Mittelalter, S. 67-72 Reformation, S. 73-127 Protestantismus seit der Reformation; ein recht knapp wirkender Abschnitt zur neuzeitlichen Katholischen Kirche auf S. 129-132 ist gleichsam etwas exkurshaft angefügt). Zu Beginn des allgemeinen Abschnittes wird epochenübergreifend Literatur zu folgenden Themen aufgelistet (S. 18-31): Archiv- und Bibliothekswesen, Kirchenbuchwesen, Presbyterologie, Zeitschriften/Zeitungen, Quellenkunde, Gesamtdarstellungen. Der Abschnitt zur Altmark (S. 133-251) ist wie folgt gegliedert: [1.] Bibliographien, Gesamtdarstellungen, Abgekürzt zitierte Literatur, Periodika, Quellen/Quellenkunde, Kunst/kirchliche Bauten, Plastik/Malerei/Kunsthandwerk; [2.] Allgemeines (Von den Anfängen bis zur Reformation, Bistum Halberstadt, Bistum Verden, Reformation, Protestantismus seit der Reformation, Kirchenverfassung/Kirchenrecht, Gesangbuch); [3.] Landschaften, Landesteile; [4.] Familien und Personen; [5.] Orte und Ortsteile. Namentlich bei den beiden letzten Punkten zur Ortsgeschichte und zur Personen- und Familiengeschichte hat der Bearbeiter besonders viel eigene Arbeit geleistet, wobei gerade diese Themen notgedrungen am schwersten vollständig zu erfassen sind. In den regionalen altmärkischen und lokalen Abschnitten gewinnt man freilich den Eindruck eines ganz auf die evangelischen (Landes-)Kirchen konzentrierten Fokus. Katholische Kirchen scheint es nach der Reformation in der Altmark nicht gegeben zu haben. Es wird sich zeigen, ob das z. B. im Niederlausitz-Abschnitt in Band 3 anders gehandhabt wird, wo wie bei der Altmark ebenfalls ein anderes (katholisches) Bistum als das Berliner und entsprechende Periodika ins Spiel kommen.

Positiv zu vermerken ist die chronologische Reihung nach Erscheinungsjahren, die stets den Forschungsgang und seine Lücken gut nachvollziehen lässt. An sich selbstverständlich, aber bei Czubatynski immer - erfreulich mitdenkend - auf eigener Forschungserfahrung und Kenntnis basierend sind die nicht wenigen Annotationen (auch so etwas sucht man zumeist in den Literatur-Datenbanken vergeblich). Hilfreich, wenngleich sicher unvollständig bleibend, ist die Kleindruck-Angabe ausgewählter Rezensionen zu den erfassten Monographien, zumal darin bisweilen wichtige Korrekturen und nicht zuletzt Forschungskontroversen stecken können. Bereits gewöhnt hat man sich an des Bearbeiters Marotte, nicht nur ausgewählte Standorte, sondern auch seine eigenen privaten Signaturen mitzuteilen. So erfährt man, dass er von Plümachers Bibliographie zum kirchlichen Bibliothekswesen nicht nur ein privates Original besitzt, sondern "auch Kopie mit hschr. Ergänzungen". Bisweilen stören diese hier und da sicherlich hilfreichen Standortangaben aber ein wenig den Überblick über das eigentliche Titelmaterial. Da bei den Standorthinweisen zudem keineswegs immer die für "Außenstehende" relevanten großen Bibliotheken genannt werden, bleibt das ganze begrenzt praktikabel. So sinnvoll es bei älteren Drucken immer ist, wird ein Titel des 19. oder 20. Jahrhunderts ohnehin im KVK o. ä. gesucht werden (müssen) und heutzutage auch meist schnell zu finden sein. Etwas verwunderlich ist die einleitende Bemerkung, dass ausgerechnet die Dienstbibliothek des vom Bearbeiter geleiteten Archivs "erst teilweise herangezogen werden" konnte (S. 8). Die Auflösung abgekürzter Vornamen ist nur sehr inkonsequent durchgeführt. Verlagsangaben hätten getrost weggelassen werden können.

Trotz einzelner Kritikpunkte gebührt Uwe Czubatynski einmal mehr großer Dank aller in der Landesgeschichte und der (evangelischen) Landeskirchengeschichte Aktiven. Denn er hat ihnen hier und jetzt und nicht erst in zwanzig Jahren ein Instrument an die Hand gegeben, das wohl kein anderer geschaffen hätte und das doch (hoffentlich) in Zukunft von allen - als Buch oder als Digitalisat - oft und dankbar benutzt werden wird. Mit Spannung werden nun die Folgebände erwartet, möchte man doch auch wissen, wie ein einzelner Bearbeiter die Herkulesaufgaben, die sich etwa bei den vielschichtigen Abschnitten "Berlin" und "Preußen" stellen, löst.

Peter Bahl


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