Markus Porsche-Ludwig, Jürgen Bellers (Hrsg.)
Handbuch der Religionen der Welt

Broschierte Ausgabe in 5 Bänden


Teilband 2: Europa

Noch in den 1990er-Jahren wurde die religiöse Dimension in Politik und Politologie weitgehend vernachlässigt. Man hat viel zu wenig gesehen, dass Religion die Tiefendimension vieler Antagonismen und Konflikte zwischen den Völkern und Nationen, und oft noch mehr innerhalb der Nationen, in den Städten, Schulen, Familien bildet. Das hat sich glücklicherweise geändert, und der vorliegende schöne Überblick zur Geschichte und aktuellen Lage der Religionen in nahezu allen Staaten der Welt kommt einem großen Bedürfnis nach Information über die Rolle der Religionen entgegen. Immer im Blick sollte man dabei die Ambivalenz der Religionen haben: sie können Gesellschaft und Politik negativ beeinflussen und sind oft Ursache oder Verstärkung von Feindschaft, Hass, Gewalt und sogar Krieg. Aber gleich zeitig ist zu sehen und anzuerkennen, dass Religion auch eine konstruktive Rolle in Gesellschaft und Politik spielen kann. Jedenfalls besitzen Religionen nicht nur ein Konflikt-, sondern auch ein starkes Friedenspotential, das sich in den verschiedenen Religionen und Ländern natürlich höchst unterschiedlich auswirkt.

Zweifellos gibt es viele Beispiele, wie gerade im 20. Jahrhundert religiöse Persönlichkeiten und Gruppen Kriege verhindert, in Konflikten zu Waffenstillständen und Friedensverhandlungen beigetragen und sich um Versöhnung verfeindeter Gruppen und Staaten bemüht haben. Das gilt besonders für die einst tödlich verfeindeten Nationen Europas, wo nach 1945 eine fast kriegsfreie außenpolitische Geschichte begonnen hat, die bis auf den heutigen Tag andauert. Religiös geprägte Staatsmänner und Friedensgruppen in den Religionen haben dabei eine zentrale Rolle gespielt.

In Indien und China haben die hinduistische und konfuzianische Kultur bei allen gewaltsamen Konflikten doch aufs Ganze gesehen eine friedensfördernde Rolle gespielt. Auch der Islam wird nach den zum Teil erfolg - reichen Rebellionen des letzten Jahres und angesichts der dort in Verantwortung gelangten gemäßigteren, islamischen Regierungen anders und realisti - scher zu bewerten sein. Auch im Judentum und besonders in Israel sehnen sich viele Menschen nach Frieden und begründen dies religiös. Ja, es gibt zahlreiche Friedensaktivisten, sowohl auf israelischer als auch auf arabischer Seite, die sich gerade aus religiöser Motivation kraftvoll für die Beilegung des schon allzu lange andauernden Palästina-Konflikts einsetzen.

Wie auch immer: Religiöse und nicht-religiöse Menschen sollten heute die Ver antwortung für den Frieden gemeinsam wahrnehmen, und dafür ist auch eine solide Information über die verschiedenen Religionen eine grundlegende Bedingung. So wünsche ich denn diesem inhaltsreichen und klar gegliederten Handbuch viel Erfolg und Wirkung in einer Welt, die sich ihrer gemeinsamen ethischen Grundlagen mehr und mehr bewusst wird.
Tübingen, im September 2012
Hans Küng

Das Geleitwort wurde der Gesamtausgabe entnommen,

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