Ilknur Özen

Philosophie des Herzens

Rezension


Das Herz. Philosophie. Beides zusammen wird im modernen akademischen Diskurs heute kaum noch bedacht. Das Herz steht für Gefühle, Empfindungen und Emotionen. Die moderne Wissenschaft steht für Sachlichkeit und Rationalität. Emotionen und Gefühle werden hier gar als störend bei der Erkenntnissuche betrachtet.

lknur Özen betrachtet die Philosophie des Herzens weitestgehend in Bezug auf Augustinus und Pierre Teilhard de Chardin. Das Buch beruht auf ihrer Magisterarbeit im Fachbereich Erziehungswissenschaft. Im Vorwort erläutert die Autorin auch eingehend, welche Kämpfe sie auszufechten hatte, um dieses Thema in der harten szientistischen Landschaft durchzubringen. Sie hat es geschafft und wir können uns an der Schönheit dieses Buches erfreuen. Beim Lesen sind wir aufgefordert, nicht nur mit dem mechanisch arbeitenden rationalen Verstand zu lesen, sondern die Botschaft hinter den Worten zu erfühlen.

Meines Erachtens wird die neue Wissenschaft über den intuitiven Verstand operieren, der den rationalen zwar integriert, jedoch nicht als Basis versteht. Das Herz spielt in der neu entstehenden Wissenschaft auf spiritueller Basis, eine zentrale Rolle.

"Das gerade Herz verkörpert die aufrichtige Haltung eines Menschen, das heißt die personale Ordnung findet in cor rectum ihre Spiegelung." (S. 41) Mit dieser aufrechten Haltung können wir dieses Buch lesen und verstehen.

Im Herzen transformieren wir die Pole auf einer dritten Ebene, sodass wir nicht mehr in den Spielen der Dualität gefangen sind, sondern unsere Handlungen und Wissen aus einer bereiten Perspektive generieren können. "Teilhard verwendet das Wort Herz als Kern, als die Innendimension der Materie und des Geistes, als eine göttliche Kraft des Zentrischen im Sinne der die Gegensätze auflösenden Synthese." (S. 73)

Nach einer Phase der Vorherrschaft des männlichen Prinzips, in dem die Materie mechanisch bearbeitet und in sie eingedrungen wurde, darf nun das weibliche Prinzip das männliche ergänzen. Weibliches wie männliches Prinzip sind in jedem vorhanden und warten jetzt auf unsere Integration.

"Das Einigende ist für Teilhard die weibliche Kraft, >nicht so sehr als ein Element in sich, sondern eher als Licht, das den Prozeß der universellen Konzentration erleuchtet [...], als Geist der Einigung" (S. 67)

llknur Özen verbindet die philosophischen Erkenntnisse zum Herzen mit den neuesten Erkenntnissen aus der naturwissenschaftlichen Forschung, konkret die des HeartMath-Instituts. Dadurch wird das Buch zu einem fundierten mehrdimensionalen Lesegenuss. Nur darf man nicht meinen, die Naturwissenschaft alleine könnte uns nun zur Herzerkenntnis führen. Dafür bedürfen wir zur Quelle unserer Weisheit im Innern unseres Herzens vorzudringen und echte Philosophie betreiben. Genau diese Verbindung zur Weisheit des Herzens, die eine integrierte Philosophie ausmacht, steht nun an und llknur Özen hat mit ihrem Buch dazu philosophisch fundiertes Herzwissen bereit gestellt.

Gabriele Sigg


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