Das Programm einer neuen Schriftenreihe

L I B R I NIGRI

im Verlag Traugott Bautz

"Hans Rainer Sepp (Karls-Universität Prag) hat beim Verlag Traugott Bautz, ansässig in Nordhausen in Deutschland, zwei neue Buchreihen gegründet, die dieses Jahr an den Start gehen. Die Reihen zeichnen sich durch einige besondere und außergewöhnliche Eigenschaften aus, für die nicht zuletzt schon die Namen der Buchreihen Zeugnis ablegen. Die erste Buchreihe nennt sich "Libri nigri - Denken über Grenzen". Die dort publizierten "schwarzen Bücher" treffen sich an "Orten, an denen die Grenzen von Wirklichkeitsbereichen, Standpunkten, Fachrichtungen sowie Kultur- und Wissenstraditionen in den Blick geraten und ihre Voraussetzungen verhandelbar werden". Es sollen Bücher sein, die dem intellektuellen "Experiment" gerecht werden und daher nicht unbedingt den Zwängen eines Mainstream-Denkens Folge leisten. Es sind Bücher, denen es erlaubt ist, das Zentrum zu verlassen und von den Grenzen her zu denken. Vielleicht könnte man wagemutig, aber in einem dezidiert positiven Sinne auch von einem grenzgängerischen Denken sprechen. In dieser Reihe sind derzeit bereits 26 Buchpublikationen in Planung. Thematische Schwerpunkte umfassen die Phänomenologie, Hermeneutik und die interkulturelle Philosophie. Von Peter Schwankl ist beispielsweise eine Studie über die Phänomenologie des Diplomatischen in Vorbereitung. Von Tatiana Shchyttsova wird ein Tagungsband zur Intergenerativen Erfahrung veröffentlicht werden. Er verhandelt das auch in der Phänomenologie nach wie vor unterrepräsentierte Thema Alter bzw. das Verhältnis der Generationen zueinander. Gleichfalls mit einem ungewöhnlichen Thema befasst ist die Edition einer Vorlesung von Helmuth Vetter an der Universität Wien aus dem Jahr 1986 mit dem Titel Philosophie und/oder Wahnsinn. Von Suzi Adams The World between Ontology and Phenomenology darf ein Buch über Cornelius Castoriadis und Johann P. Arnason erwartet werden. Eröffnet wird die Reihe mit einer Studie vom Reihenherausgeber Hans Rainer Sepp selbst. Diese trägt den Titel confrontatio. Die Grenze denken und macht es sich zur Aufgabe, eine Neuinterpretation des Begriffs der Grenze in phänomenologischer Perspektive vorzustellen. Diese und andere Publikationen dürfen mit Spannung erwartet werden.

Die zweite Buchreihe heißt "libri virides", die "grünen Bücher", was auch mit "junge" oder "frische Bücher" wiedergegeben werden kann. Diese Buchreihe legt ihren Fokus gemäß ihrem Namen auf junge AutorInnen: "Die libri virides versammeln auf den Gebieten der Philosophie und der philosophisch inspirierten Wissenschaften herausragende Texte junger Autorinnen und Autoren. Mit ihnen soll ein Forum bereit stehen, das die Ideen und die Forschungsergebnisse einer neuen Generation vorstellt." Damit wird ein wichtiger Schritt in Sachen Förderung von JungwissenschaftlerInnen getan. In Zeiten eines immer schwieriger werdenden Publikationsmarktes ist eine solche wissenschaftliche Buchreihe von besonderem Wert für alle zukünftige Philosophie. Dass allerdings eine solche Initiative gerade von Hans Rainer Sepp ins Leben gerufen wurde, wundert wiederum weniger. Sepp hat sich Zeit seines wissenschaftlichen Arbeitens nicht nur um eine Öffnung der Phänomenologie in Richtung Interkulturalität bemüht und dort insbesondere den asiatischen Raum mit ihren neueren phänomenologischen Entwicklungen erschlossen, seine spezifische Leistung besteht auch in der fortdauernden und unermüdlichen Förderung junger Phänomenologinnen und Phänomenologen. Diese Reihe verleiht diesem Bemühen einmal mehr Ausdruck. Bis dato sind 10 Bände in dieser Reihe geplant. Sie wird mit zwei Sammelbänden von Matthias Flatscher und Iris Laner zum Thema Neue Stimmen der Phänomenologie eröffnet. Ein Buch von Johannes Preusker beschäftigt sich mit Marsilio Ficinos Studie Über die Liebe. Von Julia Schindler wird eine Interpretation der in Bochum lehrenden Phänomenologin Käte Meyer-Drawe über Maschinen und Menschen erscheinen - um auch hier nur eine Auswahl von Publikationen der "libri virides" zu nennen."

Silvia Stoller in "Journal Phänomenologie", Wien 2011

Herausgeber der Reihe:

Prof. Dr. Hans Rainer Sepp

Wissenschaftlicher Beirat:

  • Suzi Adams - Adelaide
  • Babette Babich - New York
  • Kimberly Baltzer-Jaray - Waterloo, Ontario
  • Damir Barbaric - Zagreb
  • Marcus Brainard - London
  • Martin Cajthaml - Olomouc
  • Mauro Carbone - Lyon
  • Chan Fai Cheung - Hong Kong
  • Cristian Ciocan - Bucuresti
  • Ion Copoeru - Cluj-Napoca
  • Renato Cristin - Trieste
  • Riccardo Dottori - Roma
  • Eddo Evink - Groningen
  • Matthias Flatscher - Wien
  • Dimitri Ginev - Sofia
  • Jean-Christophe Goddard - Toulouse
  • Andrzej Gniazdowski - Warszawa
  • Ludger Hagedorn - Wien - Praha
  • Terri J. Hennings - Freiburg
  • Seongha Hong - Jeollabukdo
  • Edmundo Johnson - Santiago de Chile
  • René Kaufmann - Dresden
  • Vakhtang Kebuladze - Kyjiw
  • Dean Komel - Ljubljana
  • Pavlos Kontos - Patras
  • Kwok-ying Lau - Hong Kong
  • Mette Lebech - Maynooth
  • Nam-In Lee - Seoul
  • Balázs Mezei - Piliscsaba
  • Rosemary R. P. Lerner - Lima
  • Monika Malek - Wroclaw
  • Viktor Molchanov - Moskwa
  • Liangkang Ni - Guanghzou
  • Cathrin Nielsen - Frankfurt am Main
  • Ashraf Noor - Jerusalem
  • Karel Novotný - Praha
  • Luis Román Rabanaque - Buenos Aires
  • Gian Maria Raimondi - Pisa
  • Kiyoshi Sakai - Tokyo
  • Javier San Martín - Madrid
  • Alexander Schnell - Paris
  • Marcia Schuback - Stockholm
  • Agustín Serrano de Haro - Madrid
  • Tatiana Shchyttsova - Vilnius
  • Olga Shparaga - Minsk
  • Michael Staudigl - Wien
  • Georg Stenger - Wien
  • Silvia Stoller - Wien
  • Ananta Sukla - Cuttack
  • Toru Tani - Kyoto
  • Detlef Thiel - Wiesbaden
  • Lubica Ucnik - Perth
  • Pol Vandevelde - Milwaukee
  • Chung-Chi Yu - Kaohsiung
  • Antonio Zirion - México City - Morelia

Lektorat:

Die libri nigri werden am Mitteleuropäischen Institut für Philosophie Prag herausgegeben
www.sif-praha.cz


Die libri nigri treffen sich bevorzugt an Orten, an denen die Grenzen von Wirklichkeitsbereichen, Standpunkten, Fachrichtungen sowie Kultur- und Wissenstraditionen in den Blick geraten und ihre Voraussetzungen verhandelbar werden. Begründungsabsichten nachzuspüren, gilt hier mehr, als Begründungen zu suchen, das wagende Experiment mehr als die gültige Schablone, die störende Bewegung mehr als der Drang nach Absicherung. Da die Orte für entscheidende Bewegungen meist Ränder und nicht Zentren sind und da Grenzen nicht einfach nur begrenzen, sondern vor allem Potentiale des Anderen und Fremden bergen, wird sich die Reihe auch dem Terrain des Utopischen nicht verweigern.

The libri nigri meet preferentially at sites where the boundaries of realities, standpoints, disciplines as well as cultural traditions and traditions of knowledge come into view and where their assumptions are negotiable. To trace their intentions of reasoning is more important than the search for the reasons themselves; the daring experiment means more than the effectual model; disturbing action more than the drive towards safeguarding. Since the sites for decisive action are found mostly on the fringes and not at the centers and since boundaries not only function as limits but also simultaneously cover up the potential for difference and otherness, this series will also not refrain from entering the terrain of the Utopian.



1 Hans Rainer Sepp
Die Grenze denken

2 Yoshiko Oshima
Zen - anders denken? Zugleich ein Versuch über Zen und Heidegger
2. Aufl.

3 Max Lorenzen
Philosophie der Nachmoderne
Die Transformation der Kultur - Virtualität und Globalisierung
Herausgegeben von Cathrin Nielsen

"Die Philosophie nähert sich einer nachmodernen Metaphysik nicht, weil sie eine neue Einheit von Erkenntnis und Existenz schüfe, sondern indem sie eine Spannung des Zugleich, als Dehnung, erzeugt, deren Rätselhaftigkeit zur Struktur nachmoderner Gedankenbewegungen wird. Was jetzt Gedanke ist, ist komplexes Produkt einer über sich hinausgreifenden Selbstreduzierung. In ihm findet keine Inspiration als Einheit von Untergang und Neugeburt mehr statt, vielmehr wird sie nun, in der Anschauung der Paradoxität des Daseins, zur monadologischen Begegnung mit dem ihr Fremden. Dieses Fremde eben ist dasjenige in der verbleibenden Autonomie des Denkens, das in seiner Gegenspannung als Unwägbares erscheint - es ist das Stumme, das Warum, die Frage selber, auch das Gleichgültige, und hierin das Movens der Reflexion, Quellpunkt ihrer Lebendigkeit und Daseinsbejahung wie auch ihrer Vergeblichkeit."

Max Lorenzen (1950-2008) war freier Publizist und Privatgelehrter. 1997 gründete er gemeinsam mit Helmut Welger den Verein "philoSOPHIA", seit 2000 war er Herausgeber des online erscheinenden "Marburger Forums". Lorenzens zahlreiche Bücher, Aufsätze und Rezensionen galten dem Projekt einer "Philosophie der Nachmoderne", an der er bis zu seinem plötzlichen Tod arbeitete. Der vorliegende Band bietet den ausgearbeite-ten, wenn auch jäh abbrechenden Nachlasstext zu diesem Projekt.

Die Herausgeberin: Cathrin Nielsen arbeitet als Freie Lektorin für Philosophie in Frankfurt am Main (www.lektoratphilosophie.de).

4 Friedrich G. Wallner und Hisaki Hashi (Hg.)
Globalisierung des Denkens in Ost und West
Resultate des Österreichisch-Japanischen Dialogs

Das Faktum der Globalisierung verlangt heute eine Erneuerung der Epistemologie. Für deren Neukonzeption kann eine intensive Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Denkweisen von Ost und West einen grundlegenden philosophischen Beitrag leisten. Dem kritisch-reflexiven Denken der Komparativen Philosophie kommt dabei besondere Bedeutung zu. An der Tangente unterschiedlicher Denksysteme eröffnet sich so die Perspektive einer interdisziplinären Forschung, welche die Kraft hat, für die Philosophie in einer globalisierten Welt den Weg zu bahnen. Die Beiträge dieses Bandes stellen Etappen dieses Weges vor.

Die Herausgeber: Univ.-Prof. Dr. (i. R.) Friedrich G. Wallner arbeitet als Vertreter des "Konstruktiven Realis-mus" auf den Gebieten der Wissenschaftstheorie und Epistemologie. Beide Personen erhielten den Theodor-Körner-Preis der Republik Österreich. Univ.-Doz. MMag. Dr. Hisaki Hashi, ist Expertin für Komparative Philo-sophie und Interdisziplinäre Forschung an der Universität Wien.

5 Ales Novák
Heideggers Bestimmung des Bösen

Das Denken Martin Heideggers (1889-1976) ist ontologisch ausgerichtet, und so behandelt auch die vorliegende Schrift genuin "ethische" Fragen wie die Frage nach dem Ursprung und Wesen des Bösen aus der Perspektive des "Seinsdenkens". Heideggers eigene Auffassung des Bösen als des (In)Grimmes orientiert sich an Schellings Philosophischen Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit (1809). Deshalb wird sowohl Schellings Schrift als auch Heideggers Deutung detailliert dargestellt, um auf diese Weise alle Grundzüge von Heideggers Bestimmung des Bösen aufzuhellen.

Aus Heideggers Textkorpus werden neben der beiden Schellingauslegungen Abhandlungen aus dem Zeitraum 1945-1946 in Betracht gezogen sowie ein Textpassus aus den Zollikoner Seminaren. Am Beispiel der Wesensbestimmung des Bösen werden gleichzeitig die Grenzen von Heideggers "Seinsdenken" aufgezeigt.

Der Autor: Aleš Novák (geb. 1975) ist Dozent für Philosophie an der Karls-Universität Prag, Tschechische Republik.

6 André Julien S. E. Faict
Die anthropologischen Voraussetzungen des interkulturellen Dialogs

Es gehört zu den Eigentümlichkeiten der Wirkungsgeschichte der komparativen Philosophie, dass Hajime Nakamura (1912-1999) bisher nur die Beachtung gefunden hat, die ihm aufgrund seiner indologischen und buddhologischen, aber nicht philosophischen Leistungen zukommt. Dieses Buch soll dazu beitragen, in anthropologische Voraussetzungen des interkulturellen Dialogs einzuführen, und zwar im Sinne eines Wegweisers zu Nakamuras interkulturell orientierten komparativ-philosophischen Hauptwerken. Nakamuras zentrales interkulturelles Anliegen "vom Standpunkt einer Weltintention" aus hat den Autor dazu veranlasst, diese Fragestellung zunächst im Nachvollzug der historischen Problementfaltung bei Dilthey, Misch, Bollnow und Plessner zu verfolgen. Es werden Themen wie die Erkenntnisanthropologie Diltheys, das Problem der Unergründlichkeit sowie das Ausdrucksproblem bei Dilthey, Misch und Plessner untersucht. Abschließend wird der interkulturelle Dialog auf seine erkenntnisanthropologischen und hermeneutischen Voraussetzungen hin befragt. Das zentrale Anliegen dieser interkulturell philosophischen Arbeit ist, die Explikation der Bewegung von der Anthropologie zur Hermeneutik sichtbar zu machen.

André Julien S. E. Faict (geb. 1977 in Belgien) studierte Ostasienkunde, Philosophie und Religionswissenschaften an den Universitäten Gent und Köln sowie, als Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) an der Ludwig-Maximilians-Universität und der Hochschule für Philosophie (SJ) in München. Er promovierte 2010 in München und bekleidet seit 2011 ein Lehramt für Philosophie und Moral. Seine Schwerpunkte sind die japanische Philosophie (insbes. Buddhismus und Kyôto-Philosophie), Anthropologie, Hermeneutik (insbes. interkulturelle Philosophie) sowie Phänomenologie (insbes. Phänomenologie der Religion). Zusammen mit K. Ueno veröffentlichte er den Band: Interkulturalität im Denken Hajime Nakamuras, 2006.

7 Peter Schwankl
Diplomatisches Verhalten
Ein phänomenologischer Versuch über das Wesen des Diplomatischen
Herausgegeben von Georg Lechner

Das Diplomatische ist eine Eigenschaft der Person, keine Eigenschaft der Gesellschaft. Wie aber kann der eine die Wirklichkeit des anderen erfassen? Ist Individualität unauswechselbar und unwiederholbar, oder gibt es Kommunikationsbrücken zum Anderen? Ist intersubjektive Annäherung durch einen atmosphärischen Bereich von Sympathie möglich? Wann ist der Andere nicht mehr Mittel zu eigenen Zwecken, sondern in seiner Würde Selbstzweck? Vermittelt diplomatisches Verhalten zwischen dem Individuum und der Gesellschaft auf der Basis "verbindender Formen"? Ist Diplomatie die womöglich einzige Methode, politische Probleme ohne Gewalt zu lösen? Ist die erste diplomatische Tugend die Wahrheitsliebe? Warum greift die Definition von Diplomatie als institutionellem Instrument außenpolitischer Interessen zu kurz? Und fällt bei alldem diplomatisches Verhalten nicht "wesenhaft in den Bereich der existentiellen und nicht der völkerrechtlichen, außenpolitischen, verwaltungstheoretischen, institutionssoziologischen Problematik", wie der Autor klar definiert?

Mit solchen Fragen und Thesen hat Peter Schwankl in seiner hier zum ersten Mal publizierten Untersuchung den gesamten Bereich des Diplomatischen in seinen historischen institutionellen, sozialen und interpersonalen Dimensionen aus psychologischer, philosophischer, soziologischer und politischer Sicht aufgerollt. Dabei konnte er sich auf Forschungsarbeiten von Helmuth Pleßner, Severus Clemens, Heinrich Wildner und Harold Nicolson oder Ernest Satow, aber auch Henry Kissinger beziehen; für weitere problemgeschichtliche Zusammenhänge berief er sich insbesondere auf zentrale Begriffe wie den "Ernst" und die "indirekte Mitteilung" bei Sören Kierkegaard, die "Sozialsphäre" bei Max Scheler, "soziale Begrenzung" bei Georg Simmel, auch Verweise auf die besondere Stellung des Funktionärtums bei Josef Stürmann und die Dimension des Absurden bei Albert Camus fehlen nicht. Methodisch folgt die Untersuchung im Sinne von Alexander Pfänder dem phänomenologischen Verfahren.

Der Autor: Peter Schwankl (1930-1981) studierte Philosophie und Psychologie sowie Physik und Mathematik an der Universität München. Er promovierte bei Josef Stürmann, Schüler von Alexander Pfänder, mit einer systematischen Arbeit über das Unbewusste. Nach einer Assistentenzeit absolvierte er ein Studium der Internationalen Beziehungen am Bologna Centre of the School of Advanced International Studies of the John Hopkins University und der Politischen Wissenschaften an der Universität München. Anschließend wirkte er am German Department der University of the Punjab in Lahore (Pakistan) und war Leiter des dortigen Deutschen Kulturinstituts. Nach einer Tätigkeit im Auswärtigen Dienst auf diplomatischen Posten (Presse, Kultur) in Westafrika und Südostasien engagierte er sich ab 1966 in der Friedrich Ebert Stiftung im Bereich der internationalen Beziehungen.

Der Herausgeber: Georg Lechner war langjähriger Leiter von Goethe-Instituten in Asien, Nordamerika und Europa und ist Buchautor, Übersetzer, Essayist und Dokumentarfilmer. Er ist u. a. Initiator der "East-West Encounters" Bombay und Vorstandsmitglied des Indien-Instituts München.

8 Paul Janssen
Vom zersprungenen Weltwerden

Sprachlichkeit als Sprachvermöglichkeit genommen - sofern sie zu verschiedenartigen weltverwandelnden Realisierungen führen kann - treibt irgendwann den Kampf zwischen Genügen und Ungenügen von Menschenwelt und Welt hervor. Er ist im geschichtszeitlichen Weltwerden virulent, nachdem sich in ihm der Aufgang der Sprachlichkeit in einer objektiv wissbaren, den bisherigen Weltzusammenhang sprengenden Weise zugetragen hat. Als Quelle dieses Kampfes verhindert die Sprachlichkeit zugleich seine eindeutige Entscheidung. Er macht auf allen Ebenen die Art von Lebendigkeit aus, die der Welt eigen ist. Welche Folgen hat er, wenn man die Welt als ganze in den Blick zu nehmen versucht?

Es geht nicht darum, die Entscheidung dieses Kampfes in einer Harmageddon-Schlacht herbeizuführen. Solcher Verderbtheit menschlichen Vorstellens stehe entgegen, dass das Treiben all dessen, was in der Welt um machtvollen Bestand, um Ausbreitung und Anerkennung kämpft - mit allen ihm zugehörigen Entsetzlichkeiten -, nicht angetastet werden soll, sofern das zu weltbezüglichen Differenzbildungen nötigt. Will man eine Entscheidung nicht-welthafter Art offen halten, bedarf es einer gegen die Sprachvermöglichkeit und gegen fundamentale Möglichkeiten ihrer Weltbestimmungen und Weltbildungen gerichteten Wendung, durch welche die der Welt innewohnende Insuffizienz in eine radikale Nichtigkeit hingesteigert wird. Von ihr aus sind einige Phänomene, die sich an lebendigen Sprachwesen als Weltvorkommnisse finden, in einen Blickwinkel zu rücken, welcher der Welt fremd ist, damit sie für ein Namensscheues durchlässig werden, das mit der Welt unverträglich ist - wogegen Religionen um ihrer Weltbestandsfähigkeitswillen verstoßen müssen. Es ist daher Welthaftes so in eine Bestimmtheit hineinzudenken, dass welthaft Unmögliches sich als ein alle Differenzen zur Welt von sich Abweisendes melden könne - wenn es dies denn täte. In sprachlicher Entstelltheit könnte man versucht sein zu sagen: Einer unbedingten Liebe als welthaft Unmöglichem sei es nicht verwehrt - damit sie nicht von der Welt ausgesperrt werde -, dass sich von ihr her eine darum unbekümmerte Welt als untragbar ausnehme, weil sie Geliebtes und zu Liebendes in ein nicht enden könnendes, Schmerz zurücklassendes Nichtsein entzieht. Denn zu leben ist ein hinnehmendes Haften an dem, was fast nicht ist und dabei die des Nichts würdige Selbstherrlichkeit des Weltwerdens dokumentiert.

In dieser Perspektive ist die Welt in ihrer Art von Selbstgenügsamkeit auf dem Umweg über die europäische Geschichte wieder zu dem geworden, was sie ist; was sie immer auch in geschichtlicher Unberührtheit gewesen ist, aber zugleich in den Weltbildungen der lebendigen Sprachwesen nie gewesen ist; als was sie erst jetzt entschieden gewusst wird. Bejaht man das, so hat sich die Welt aus der Art von Sprachgläubigkeit herausgedreht, welche die Geschichte Europas dominiert hat und die zäh weiterlebt.

Der Autor ist Professor im Ruhestand an der Universität zu Köln. Er hat in den letzten Jahren die Phänomenologie in den Horizont des Themas Weltwandel und Sprachwandel gerückt.

9 Constantin Noica
De dignitate Europae
Aus dem Rumänischen übertragen von Georg Scherg und herausgegeben von Madalina Diaconu

Constantin Noica (geb. 25.07.1909 in Vitanesti, Kreis Teleorman, gest. 04.12.1987 in Sibiu/Hermannstadt) zählt zu den bedeutendsten rumänischen Philosophen des 20. Jahrhunderts. Nach seiner Promotion in Philosophie in Bukarest mit der Doktorarbeit Skizze für eine geschichtliche Darstellung des "Wie ist etwas Neues überhaupt möglich", arbeitete er von 1941-1944 als Philosophie-Referent am Rumänisch-Deutschen Institut in Berlin - Anlass für ihn, in Freiburg im Breisgau, die Vorlesungen Martin Heideggers zu besuchen. Nach Machtübernahme durch das kommunistische Regime stand er von 1949 bis 1958 in Câmpulung-Muscel unter Hausarrest und war von 1958 bis 1964 politischer Gefangener. Anschließend, in den Jahren 1965-1975, arbeitete er als Forscher am Institut für Logik der Rumänischen Akademie. Die letzten zwölf Jahre seines Lebens verbrachte er in Paltinis, einem Luftkurort in der Umgebung von Hermannstadt, wo er eine reichhaltige Wirksamkeit entfaltete. Wichtigste Werke: Jurnal filosofic (Philosophisches Tagebuch, 1944), Despartirea de Goethe (Abschied von Goethe, 1976), Sentimentul românesc al fiintei (Das rumänische Seinsgefühl, 1978), Sase maladii ale spiritului contemporan (Sechs Gebrechen des zeitgenössischen Geistes, 1978), Devenirea întru fiinta (Das Werden zum Sein, 1981), Scrisori despre logica lui Hermes (Briefe zur Logik des Hermes, 1986).

De dignitate Europae enthält eine Reihe von Beiträgen, die in deutscher Übersetzung erstmals gesammelt 1988 in Rumänien erschienen. Das Buch erzählt die Kulturgeschichte Europas neu als Abfolge grammatikalischer Kategorien, vom Substantiv bis zur Präposition, und zeigt die stilistische Prägnanz Constantin Noicas, der seine Philosophie einer breiteren Leserschaft zugänglich zu machen verstand. Eine aktuelle Einführung zu dieser Wiederauflage soll den Zugang zu einem Denker erleichtern, der, historisch bedingt, zu Unrecht noch immer zu wenig über seine Landesgrenzen hinaus bekannt ist.

Der Übersetzer Georg Scherg (1917-2002) ist ein nach der Wende 1990 ausgesiedelter, deutschsprachiger Schriftsteller aus Rumänien. Die Herausgeberin Madalina Diaconu (geb. 1970 in Bukarest) ist Privatdozentin für Philosophie an der Universität Wien.

10 Constantin Noica
Briefe zur Logik des Hermes
Aus dem Rumänischen übertragen von Stefan Moosdorf und Christian Ferencz-Flatz

Constantin Noica (geb. 25.07.1909 in Vităneşti, Kreis Teleorman, gest. 04.12.1987 in Sibiu/Hermannstadt) zählt zu den bedeutendsten rumänischen Philosophen des 20. Jahrhunderts. Nach seiner Promotion in Philosophie in Bukarest mit der Doktorarbeit Skizze für eine geschichtliche Darstellung des "Wie ist etwas Neues überhaupt möglich", arbeitete er von 1941-1944 als Philosophie-Referent am Rumänisch-Deutschen Institut in Berlin - Anlass für ihn, in Freiburg im Breisgau, die Vorlesungen Martin Heideggers zu besuchen. Nach Machtübernahme durch das kommunistische Regime stand er von 1949 bis 1958 in Câmpulung-Muscel unter Hausarrest und war von 1958 bis 1964 politischer Gefangener. Anschließend, in den Jahren 1965-1975, arbeitete er als Forscher am Institut für Logik der Rumänischen Akademie. Die letzten zwölf Jahre seines Lebens verbrachte er in Păltiniş, einem Luftkurort in der Umgebung von Hermannstadt, wo er eine reichhaltige Wirksamkeit entfaltete. Wichtigste Werke: Jurnal filosofic (Philosophisches Tagebuch, 1944), Despărţirea de Goethe (Abschied von Goethe, 1976), Sentimentul românesc al fiintei (Das rumänische Seinsgefühl, 1978), Şase maladii ale spiritului contemporan (Sechs Gebrechen des zeitgenössischen Geistes, 1978), Devenirea întru fiintă (Das Werden zum Sein, 1981), Scrisori despre logica lui Hermes (Briefe zur Logik des Hermes, 1986).

Die Übersetzer: Stefan Moosdorf studierte Romanistik und Slavistik in Köln und ist seit 2006 freier Übersetzer in Bukarest mit Schwerpunkt Belletristk. Christian Ferencz-Flatz ist Forscher im Fach Philosophie am Alexandru-Dragomir-Institut / Rumänische Gesellschaft für Phänomenologie, Bukarest. 2008 promovierte er mit der Arbeit Situation und Relevanz. Zur Destruktion des Wertbegriffes bei Martin Heidegger an der Universität Bukarest. Übersetzungen ins Rumänische von Werken Heideggers (Ontologie. Hermeneutik der Faktizität) und Husserls (Logische Untersuchungen, zusammen mit I. Tanasescu und B. Olaru), Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie. Erstes Buch).

11 Ananta Charan Sukla (Ed.)
Art and Expression
Contemporary Perspectives in the Occidental and Oriental Traditions

The present work addresses the issue of Expression in its rise with the humanism of the Romantic era and fall with the postmodernist attack on the Cartesian subject. A distinguished team of international scholars focus this key concept in philosophical aesthetics and literary theory from interdisciplinary perspectives in both the Western and Eastern traditions. Against all odds, having lost its humanist platform, Expression still stands on its own merit as a critical concept explaining the artwork in all its genres. The book appeals to the graduate students, advanced scholars and faculty in philosophy and criticism of the arts, art history and cultural studies.

The editor: Ananta Charan Sukla, formerly professor and Head of the Department of English at Sambalpur University, has been visiting professor at the Institute of Aesthetics, University of Uppsala. He is an eminent philosopher of art, religion and language, the founder editor of Journal of Comparative Literature and Aesthetics (inception 1978), an Honorary Associate of the LORO International Study Group in Comparative Aesthetics at the University of Siena, a member of the editorial Board of the Internet Journal Contemporary Aesthetics. His numerous publications include The Concept of Imitation in Greek and Indian Aesthetics (1977), Esthetica Indiana Contemporanea (1996), Art and Representation (2001), Art and Experience (2003), Art and Essence (with Stephen Davies, 2003), Sridharasvámi: A Medieval Philosopher of Religion (2010), Visvanatha Kaviraja: A Medieval Sanskrit Theorist(2011).

12 Dean Komel
Den Nihilismus verwinden
Ein slowenisches Postscript zum 20. Jahrhundert

Der slowenische Philosoph Dean Komel widmet sich in seinem Buch einer Besinnung auf das Phänomen des Nihilismus - nicht nur in der Weise, wie dieses sich in der Philosophie zu Wort meldet, sondern auch auf den Gebieten der Geisteswissenschaften sowie von Kunst, Politik und Gesellschaft, also in der europäischen Gegenwart überhaupt. Seine Erörterung trägt den Stempel der spezifischen Erfahrung, die Slowenien mit dem Nihilismus des 20. Jahrhunderts gemacht hat. Dabei zeigt sich, dass die Auseinandersetzung mit der nihilistischen Geschichtlichkeit eine sowohl für Slowenien als auch für Europa zentrale Bedeutung erhält, als eine Auseinandersetzung, die ein Gespräch über Zukunft erst möglich macht. Die Annahme, dass die gegenwärtige europäische und globale gesellschaftliche Krise nur ökonomisch bedingt sei, wirkt vor diesem Hintergrund reduktiv und stößt auf Renitenz, besonders was den Sinn des menschlichen Daseins angeht.

Der Autor: Dean Komel ist Professor für gegenwärtige Philosophie und Philosophie der Kultur an der Universität Ljubljana. In deutscher Sprache erschienen von ihm die Bücher Tradition und Vermittlung. Der interkulturelle Sinn Europas (2005) und Intermundus. Hermeneutisch-phänomenologische Entwürfe (2009); außerdem gab er die Sammelbände Annäherungen. Zur hermeneutischen Phänomenologie von Sein und Zeit (1999, Hrsg.) und Kunst und Sein. Beiträge zur Phänomenologischen Ästhetik (2004) heraus.

13 Tatiana Shchyttsova (Hg.)
In statu nascendi
Geborensein und intergenerative Dimension des menschlichen Miteinanderseins

Im Kontext des demographischen Wandels ist das Verhältnis zwischen den Generationen zu einer akuten sozial-politischen und sozialökonomischen Frage geworden - und dies zu einer Zeit, da Strategien zu einer künstlichen Verjüngung des menschlichen Organismus mehr und mehr die Norm des alltäglichen Lebens definieren. Vor diesem Hintergrund widmet sich der Band der Erforschung der intergenerativen Dimension des menschlichen Miteinanderseins und behandelt so grundlegende Phänomene wie das Geborensein, die generative Bezogenheit des Menschen und das Verhältnis zwischen den Generationen bzw. zwischen Jungen und Alten, Erwachsenen und Kindern. Die Autorinnen und Autoren des Bandes knüpfen an die Einsicht an, dass die Möglichkeiten wie auch die Probleme, vor denen wir heute angesichts sozialer Umformungen und medizinisch-technischer Innovationen stehen, neue Antworten auf die Frage erfordern, welche Bedeutung die intergenerative Differenz für das individuelle wie auch soziale Leben besitzt. Dabei gilt es auf zwei Tatsachen und ihren wesentlichen Zusammenhang einzugehen: dass wir unsere Lebenswelt intergenerativ teilen und dass mich das Vorkommnis der Geburt auf eine unhintergehbare Art und Weise zu einer / einem Beteiligten an der intergenerativ konstituierten Lebenswelt macht.

Der Band, den eine explizit phänomenologische Ausrichtung kennzeichnet, führt mit der Viel-Seitigkeit seiner Analysen vor, inwieweit die phänomenologische Philosophie gerade kraft ihrer diversen Ansätze zu einer Klärung dieser äußerst komplexen Problematik der Intergenerativität beitragen kann.

Die Herausgeberin: Tatiana Shchyttsova ist Professorin für Philosophie und Leiterin des Forschungszentrums für Philosophische Anthropologie an der European Humanities University in Vilnius, Litauen.

14 Chung-Chi Yu and Kwok-ying Lau (Eds.)
Phenomenology and Human Experience

Phenomenology and Human Experience is a volume of eleven essays generated from part of the works presented at "Border-Crossing: The 4th International Conference of P.E.A.CE (Phenomenology for East-Asian CirclE)" held in December 2010 at the National Sun Yatsen University, Taiwan. The themes treated include: interconnection between ethical space and space of truth, freedom in the biotechnologically enhanced world, wildnature facing the extension of urbanization, landscape as a way of thinking and living, Husserl's meditation on death, the subtle difference between Heidegger's and Gadamer's hermeneutics, Merleau-Ponty's reversibility thesis revisited, Patočka's phenomenology of body and subjective movement, and Edith Stein's phenomenology of education. They are original contributions or renewed reflections from East-Asian phenomenologists, joined by their Western colleagues, on the most divergent aspects of human experience. This is another concrete proof that more than a century since its emergence on German soil, phenomenology has spread across linguistic and geographical borders to become one of the most vibrant global philosophical movements.

The editors: Chung-Chi Yu is Professor at the Institute of Philosophy, National Sun Yatsen University of Taiwan, and currently Director of the Institute. - Kwokying Lau is both Professor at the Department of Philosophy and Director of the Edwin Cheng Foundation Asian Centre for Phenomenology at The Chinese University of Hong Kong.

15 Daniel Aebli
Wie modern ist die Antike?
Studien und Skizzen zur Altertumswissenschaft

Seitdem Huntingtons Prognose vom "Kampf der Kulturen" am 11. September 2001 aktualisiert wurde, scheint Fukuyamas "Ende der Geschichte" definitiv verschoben, und nach der Schuldenkrise bedeutet auch Spenglers "Untergang des Abendlandes" mehr als ein auflagesteigerndes Schlagwort. In dieser weltgeschichtlichen Situation sollte die Auseinandersetzung mit der Antike, immer noch Europas "nächstes Fremde" (Uvo Hölscher), nicht nur defensiv, etwa im Kampf um altsprachliche Stundentafeln und altertumswissenschaftliche Lehrstühle, geführt werden, vielmehr auch offensiv mit den kritischen Methoden der Gesellschafts- und Kommunikationstheorie, die in diesem Buch durch J. Habermas und die Rezeptionsästhetik M. Fuhrmanns und H. R. Jauß' repräsentiert ist. Wir finden Verkörperungen, Spuren und Verfallserscheinungen einer Kultur des argumentierenden Redens und des müßigen Verweilens. Diese spiegelt, zusammen mit ihrer ökonomischen Basis, der Sklaverei, unsere eigenen vielfältigen Abhängigkeiten vom Konsum-, Wachstums- und Machbarkeitswahn bis zu den Exzessen des Kapitalismus, und zeigt mögliche Wege der Befreiung auf. Die hier aus vier Jahrzehnten versammelten, aus verschiedenen Anlässen entstandenen Aufsätze entfalten diesen Ansatz auf mehreren Entwicklungsstufen und Ebenen der Analyse und Reflexion.

Der Autor: Daniel Aebli, geboren 1945 in Glarus/Schweiz, promovierte 1970/1971 in München als Klassischer Archäologe. Nach seiner Assistentenzeit in Salzburg habilitierte er sich 1976 in Konstanz für das Lehrgebiet "Theorie und Geschichte der Ästhetik". Von 1977 bis 2007 lehrte er an der Hochschule RheinMain (Wiesbaden) Kunst- und Kulturgeschichte.

16 Hiroo Nakamura
Für den Frieden

"Sei Nagasaki die letzte Atombombenopferstadt!" - Die vernünftigen Menschen in Japan schämen sich dafür, dass ein Land, das auf seine überlegene Technologie eigentlich stolz sein sollte, trotz der harten Erfahrung sowie des innigsten Wunsches der Atombombenopfer in Hiroshima und Nagasaki die Katastrophe von Fukushima verursacht hat. Diese Katastrophe hat den Fehler der bisherigen Wirtschafts- und Energiepolitik bewiesen. Sie spiegelt die Schwäche der Politik nicht nur in Japan, sondern der ganzen Welt; politische, kulturelle und religiöse Konflikte sind heute eher noch komplizierter geworden. Man muss aufs Neue danach fragen, ob die Menschheit zu Beginn des 21. Jahrhunderts wirklich im beständigen Fortschreiten zum Besseren ist.

Erasmus von Rotterdam, Immanuel Kant und Salomo Friedlaender (ein "Altkantianer" des 20. Jahrhunderts, der heute wieder entdeckt zu werden beginnt) haben schon, jeder auf seine Weise, ihre Zeitgenossen ermahnt, die kriegerische Selbstzerstörung zu beenden, einen dauerhaften Frieden anzustreben und dafür sich der Moralität klar und fest bewusst zu werden: Sie soll als ratio cognoscendi der Freiheit der Menschlichkeit zugehören.

An diese klassischen und modernen Texte anknüpfend und sich auf Grundprinzipien der japanischen Verfassung berufend, plädiert der Autor dafür, dass der Mensch ohne Zweifel Hoffnung auf Zukunft hat. Der ewige Friede ist allein dem Menschen selbst als Person überlassen; letztere ist das Subjekt der Freiheit und der Moralität, also kommt es auf die Erziehung zur Persönlichkeit an.

Der Autor: Hiroo Nakamura, japanischer Kantforscher, ist als Professor für Ethik (engineering ethics) am Nagano National College of Technology tätig. Er hat drei Bücher zu Kant verfasst (auf Japanisch) sowie zwei Bücher übersetzt; zuletzt: La Constitution japonaise et la philosophie kantienne (Seibundo, Tokyo 2008) und Vernunft und Frieden. Ausgewählte Texte zur politischen Theorie von Salomo Friedlaender/Mynona (hg. von Hartmut Geerken, Detlef Thiel und Hiroo Nakamura, Shintensha, Tokyo 2012).

17 Günter Fröhlich
Anthropologische Wege
Ulmer Stadthausvorträge

Das gemeinsame Thema der in den Anthropologischen Wegen erscheinenden Beiträge ist bei aller scheinbaren Heterogenität der Einzelstudien der Mensch und seine Orientierung in der Welt. Unsere kulturelle Welt scheint jeden Tag komplexer zu werden. Das betrifft unser Gesundheitssystem, in dem die Maßgröße rein monetärer Werte ständig zunimmt und der leidende Mensch, der Patient, vergessen wird; das betrifft unser Rechtssystem, das die Würde des Menschen nur noch als ein Element neben den Grundrechten des Lebens oder der Freiheit einordnet, obwohl erst aus der Sicht einer absoluten Würde der Person der anthropologische Sinn des Lebens oder ein freiheitliches Handeln verständlich wird; das betrifft das Verständnis einer naturwissenschaftlich und technisch interpretierten Welt, von der wir uns immer mehr abhängig machen. Der Beitrag zum Lachen sowie der zu den menschlichen Emotionen und der Motivation soll den Menschen in seinem reflexiven Selbstverständnis wieder in die Welt einfügen, um dabei deutlich zu machen, dass wir in unseren kulturellen Errungenschaften durch die Betrachtung und Thematisierung des Menschen und seiner Welt zwar ständig über unsere Natur hinausgehen, dennoch aber immer auch Teil der Natur bleiben. Der Mensch wird erst zum Menschen in dieser dichotomen Situation. Der Aufsatz über die statisch-analytische Funktionalisierung und ihre Differenz zur dynamischen Funktion ergänzt diese Arbeiten und kann als Versuch angesehen werden, für das menschliche Selbstverständnis Neuland zu gewinnen.

Der Verfasser, Günter Fröhlich, ist Privatdozent für Philosophie an der Universität Regensburg und war von 2009 bis 2012 Gastprofessor am Humboldt-Studienzentrum der Universität Ulm.

18 Hans-Dieter Bahr
Die Anwesenheit des Gastes