Wilhelm Kaltenstadler

Interpretation der Vorreden
Der ´Historia Francorum´
bei Gregor von Tours

Abstract / Rezension


Vorwort und Vorreden in der Frankengeschichte von Gregor von Tours sind weit mehr als bloße Einleitungen zu einem Geschichtswerk, das die ereignisreiche Zeit des Übergangs von der Spätantike ins frühe Mittelalter in einem bereits teilweise romanisch gefärbten Latein schildert. Dem Gesamtwerk ist die Gregorii praefatio prima, ein mehr allgemeines Vorwort, vorangestellt, in welches sich Gregor auch über die mangelnde Pflege der Wissenschaften beklagt. Auf dieses Vorwort, mit welchem Gregor seine Autorschaft rechtfertigt, folgen spezielle Vorreden zum ersten, zweiten, dritten und fünften Buch. In Buch 4 gibt es keine Vorrede. Hier steigt Gregor unmittelbar in die Ereignisse seit dem Tode der Königin Chrotichilde ein und er lässt seinem Ärger zur vermeintlich kirchenfeindlichen Finanzpolitik von König Chlothachar (497 - 561) freien Lauf. Dieses Buch enthält eine Fülle von Ereignissen und Entwicklungen aus allen möglichen Lebenbereichen. In diesem Buch findet sich nicht nur ein Vorwort Gregors von Tours, sondern auch ein umfassendes tiefschürfendes und kenntnisreiches Vorwort des französisch-amerikanischen Philosophie-Professors Dr. Illo Humphrey mit einer Fülle von Quellenverweisen.

Das Werk von Kaltenstadler beschränkt sich nicht auf Vorwort und Vorreden von Gregor, sondern nimmt auch auf andere Passagen der Frankengeschichte (und anderer lateinischer Werke des frühen Mittelalters) Bezug. Es ist im Grunde nicht nur eine historische, sondern auch eine philosophische, theologische und philologische Abhandlung. Gregors Werk wird sowohl auf seine historische Wirksamkeit untersucht als auch nach formalen Kriterien interpretiert (Grammatik, Orthographie etc.) und auch stilistisch, z.B. Abstraktionen und Bilder, Wortschichtung, Klangfarbe der Wörter etc., analysiert. Gregors Werk ist auch historisch relevant, wie z.B. das Kapitel "Kritikfähigkeit, Wahrheitsliebe und Glaubwürdigkeit des Autors" verdeutlichen.

Vorwort und Vorreden werden auch nach formalen Gesichtspunkten interpretiert. Bei der Übersetzung der lateinischen Texte stützt sich der Autor vor allem auf Rudolf Buchner in der Freiherr-von-Stein-Gedächtnisausgabe. Er bietet allerdings an manchen Stellen wortgetreue eigene Übersetzungen. Kaltenstadler begnügt sich aber nicht mit der Wiedergabe der lateinischen Texte, er liefert auch eine umfassende inhaltliche Auswertung und Interpretation des Vorwortes und der Vorreden. Ein ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis soll zu weiterer wissenschaftlicher Erforschung der noch immer vernachlässigten Übergangsepoche von der Spätantike ins frühe Mittelalter anregen. Die Gattin des Autors hat sogar zwei gelungene Fotos von der Kathedrale von Notre Dame in Paris beigesteuert.
Wilhelm Kaltenstadler 24.03.2012


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