Kirche und Gesellschaft im Wandel der Zeiten

Festschrift für Gabriel Adriány zum 75. Geburtstag

Hermann-Josef Scheidgen, Sabine Prorok und Helmut Rönz (Hrsg.)

Abstract / Rezension


Aus der Einleitung

Gabriel Adriányi, dessen Großeltern aus vier verschiedenen europäischen Ländern stammten, wurde am 31. März 1931 in Naykaniza/Ungarn als Sohn der Eheleute Dr. Ferenc Vit und Ilona Migliorini geboren. Sein Vater übte den Beruf eines Rechtsanwaltes aus.

Als Schüler führte ihn sein Weg von der Grundschule seines Heimatortes zu Gymnasien nach Veszprém, Esztergom und Budapest. In der ungarischen Hauptstadt legte er am 19. Juni 1954 sein Abitur ab.

Schon als Jugendlicher fühlte er sich zum Priester berufen und studierte von 1954 bis 1959 Katholische Theologie an der Katholischen Akademie und im Zentralpriesterseminar in Budapest. Da sich Adriányi weigerte, die Versammlungen der regimetreuen so genannten Friedenspriester zu besuchen, wurde er vom Priesterseminar und den Studien auf Verfügung des Staatskirchenamtes ausgeschlossen. Am 02. April 1960 erfolgte seine Priesterweihe im Geheimen. Noch vor dem Bau der Berliner Mauer gelang ihm 1961 die Flucht über Leipzig und Berlin in den Westen. Nachdem er in Berlin vom dortigen Bischof Julius Döpfner empfangen wurde, entschied er sich, zu weiteren theologischen Studien nach Rom zu gehen. Er wohnte im Päpstlich-Ungarischen Institut in Rom und studierte am Angelicum, der Päpstlichen Thomas von Aquin Universität der Dominikaner, und arbeitete an seiner kirchenhistorischen Dissertation über die Stellung der ungarischen Kirche zum Österreichischen Konkordat von 1855. Am 18. Juni 1963 wurde er am Angelicum zum Dr. theol. promoviert. Er ging nun nach Deutschland zurück, wo er zunächst bis 1966 Kaplan in Ransbach in der Diözese Limburg war. Als Volksdeutscher bekam er am 15. Dezember 1966 aufgrund des Volkszugehörigkeitsgesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit zuerkannt.

Der Bonner Ordinarius für Osteuropäische Kirchengeschichte und kirchliche Zeitgeschichte, Professor Dr. Dr. Bernhard Stasiewski, ermunterte Adriányi dazu, sich im Fach Kirchengeschichte zu habilitieren. Für sein Habilitationsprojekt ›Ungarn und das Erste Vatikanum‹ gewährte ihm die 14 Einleitung der Herausgeber Deutsche Forschungsgemeinschaft ein zweijähriges Stipendium. Adriányi hatte hierdurch die Möglichkeit, in Rom, Wien und Paris zu forschen. Während der Ausarbeitung seiner Habilitationsschrift war er als Religionslehrer an einer Kölner Realschule tätig. Mit dem Abschluss seines Habilitationsverfahrens verlieh ihm die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Bonn am 27. Oktober 1971 die venia legendi für Osteuropäische Kirchengeschichte. Diese wurde 1975 auf Mittlere und Neuere Kirchengeschichte ausgeweitet. Im Anschluss an seine Habilitation wurde Adriányi an der Universität Bonn angestellt; zuerst als Assistent (1972) und dann als Dozent (1973). Daraufhin erfolgte die Ernennung zum außerplanmäßigen Professor (1974). Am 12. Mai 1976 wurde Adriányi zum ordentlichen Professor auf den Lehrstuhl für ›Mittlere und Neuere Kirchengeschichte‹ mit dem Zusatz ›mit Einschluss der osteuropäischen Kirchengeschichte‹ berufen, womit er einer der beiden Direktoren des Instituts für Kirchengeschichte war. Im Laufe seiner aktiven Professorenzeit war Adriányi in zahlreichen Gremien der akademischen Selbstverwaltung tätig. Seit seiner Berufung zum Professor war er Mitglied der Auslandskommission der Universität Bonn. Das Amt des Dekans seiner Fakultät bekleidete er von 1977-1978. Von 1986 an war er Mitglied des Konvents der Universität Bonn.
Seine rege Forschungstätigkeit auf dem Gebiet der Kirchengeschichte Osteuropas führte zu Berufungen in zahlreiche wissenschaftliche Gremien. Bereits seit 1975 war er Mitglied der Senatskommission für das Studium der deutschen Kultur und Geschichte in Osteuropa, deren Vorsitz er von 1993 bis 1999 inne hatte. Von 1975 bis 1992 war er im Vorstand der Sammlung Wissenschaft und Gegenwart (Regensburg), deren Historischer Kommission er bis 1985 vorstand. Im Jahre 1976 wurde er Vorstandmitglied des Ungarn-Instituts, München, wobei er bereits seit 1971 Mitherausgeber des Ungarn-Jahrbuches gewesen war. 1978 wurde Andriányi Mitglied des Herder-Forschungsrates, Marburg. 1983 erfolgte seine Wahl zum Vorstandmitglied des Instituts für ostdeutsche Kultur- und Kirchengeschichte. Im Jahr des politischen Umbruchs 1989 schloss sich Adriányis Ernennung zum Ehren-Domkapitular seiner Heimatdiözese Veszprém an.

Adriányi betreute als Vertreter seiner Fakultät die Partnerschaften mit der Universytet Kardynala Stefana Wyszynskiego, Warschau, und mit dem Institut Catholique de Toulouse. In diesem Rahmen organisierte er zahlreiche Dozentenaustausche, Symposien und leitete zahlreiche wissenschaftliche Exkursionen, die sich bei den Studierenden großer Beliebtheit erfreuten. Insgesamt wurden 39 wissenschaftliche Exkursionen von Adriányi betreut. Von diesen führten 16 ins Ausland.

Sein großes Engagement für die Kontakte zu ausländischen Hochschulen brachten ihm zahlreiche Ehrungen ein; so die Ernennung zum Ritter des Ordens ›Palmes academiqués‹ (1991), die Ernennung zum Ehrendoktor der Katholischen Akademie der Warschauer Kardinal Wyszynski Universität (1996) und die Ernennung zum Universitäts-Privatdozenten der Loránd-Eötvös-Universität Budaptest (1999), wo er seitdem regelmäßig im Wintersemester Vorlesungen und Seminare an der Philosophischen Fakultät anbietet.

Seine lectio ultima hielt Adriányi am 2. Februar 2000 zum Thema ›Die Ostpolitik des Vatikans 1958-1978 aus Sicht eines Zeitzeugen‹. Anlässlich seines 65. Geburtstages überreichten ihm Kollegen, Schüler und Freunde eine Festschrift mit dem Titel ›Im Gedächtnis der Kirche neu erwachen. Studien zur Geschichte des Christentums in Mittel- und Osteuropa‹ mit 40 Beiträgen, die von den Professoren Reimund Haas, Karl Josef Rivinius und seinem langjährigen Mitarbeiter Dr. Hermann-Josef Scheidgen herausgegeben wurde.

Auch nach seiner Emeritierung wurde Adriányi mit weiteren Ehrungen ausgezeichnet. Am 20. November 2006 erhielt er vom ungarischen Minister für das nationale kulturelle Erbe den ›Vilmos Fraknöi-Preis‹, der nach einem der bedeutendsten Historiker Ungarns benannt ist. Im gleichen Jahr wurde Adriányi vom Ungarischen Staatspräsidenten in der Frankfurter Paulskirche für seine aktive Teilnahme am Ungarnaufstand von 1956 mit der Plakette ›Held der Freiheit‹ ausgezeichnet. Während Adriányis Bücher in der Zeit des Kommunismus in der ungarischen Nationalbibliothek im ›Giftschrank‹ aufbewahrt waren, erfuhr er direkt nach der politischen Wende seine Rehabilitation als Wissenschaftler, was sich auch dadurch dokumentieren lässt, dass er heute ›auswärtiges Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften‹ ist.

Nach der Emeritierung widmete sich Adriányi insbesondere der Erforschung der ungarischen Kirchengeschichte, wobei ihm zu Gute kam, dass er nunmehr Zugriff auf die Akten der staatlichen Archive hat, die ihm vorher verschlossen blieben. Erträge dieser Quellenstudien sind die Monographien ›Kleine Kirchengeschichte Ungarns‹ (2003), ›Die Geschichte der katholischen Kirche Ungarns‹ (2003) und ›Die Ostpolitik des Vatikans‹ 1958-1978 gegenüber Ungarn. Der Fall Kardinal Mindszenty (2004). Bei der letzten Studie konnte Adriányi Quellen heranziehen, die er von Kardinal Mindszenty selbst in Wien vor dessen Tod erhalten hatte. Adriányi kritisiert in dieser Monographie die vatikanische Außenpolitik unter Casaroli. Mit Wissen des Heiligen Stuhls seien in Ungarn regimetreue Friedenspriester zu Bischöfen geweiht worden.

Am Ostermontag 2010 feierte Adriányi sein Goldenes Priesterjubiläum, indem er in der Ungarnskapelle des Aachener Doms eine heilige Messe zelebrierte. Dies sollte eine Feier in aller Stille sein. Da einiger seiner besten Freunde jedoch davon erfahren hatten, überraschten sie ihn und kamen nach Aachen, um mit ihm dieses Jubiläum gemeinsam zu begehen.

Seit dem 01. Mai 2011 leitet und betreut Adriányi ein vierjähriges Forschungsprogramm der Ungarischen Akademie der Wissenschaften über die Synoden und die Katholikentage der ungarischen katholischen Kirche seit 1790, verbunden mit Forschungsreisen im In- und Ausland. Die Ergebnisse sollen in verschiedenen Publikationen veröffentlicht werden.
Gabriel Adriányi hat immer betont, dass er in erster Linie Priester und darüber hinaus Wissenschaftler sei, was seinem Ruf als renommierter Forscher nie abträglich war. In der Seelsorge setzt er sich besonders für die Kölner sowie für die Bonner Katholische Ungarische Gemeinde ein. In verschiedenen Pfarreien half er auch als Subsidiar aus.
In seiner Freizeit gilt Adriányis Hauptinteresse der Klassischen Musik, insbesondere der Oper, aber auch der konzertanten -, der Klaviermusik und dem Liedgesang. Zu seinen Lieblingskomponisten zählen Mozart, Beethoven, Wagner, Verdi und Puccini. Sein Cousin, Zoltan Pésko, ein Schüler Pierre Boulez´ und Lorin Maazels, ist einer der renommiertesten ungarischen Dirigenten und war Ende der neunziger Jahre vier Jahre lang Generalmusikdirektor von Düsseldorf, ein Amt, das so herausragende Musiker wie Felix Mendelssohn-Bartholdy, Robert Schumann und Carlos Kleiber inne hatten. Über Spezialfragen zur Klassischen Musik und deren Interpreten kann man sich mit Adriányi ebenso auf einem hohen reflektierten Niveau unterhalten wie über die unterschiedlichsten Themen zur Kirchengeschichte und zur Geschichte Osteuropas.

Sein besonderes Interesse gilt auch den außereuropäischen Kulturen, weshalb er zahlreiche Studienreisen zu den verschiedensten Ländern unternahm.
Dass Adriányi ein vorzüglicher Koch ist, wissen diejenigen Studierenden zu schätzen, die er im Anschluss an seine beliebten Auslandsexkursionen zu sich nach Hause einlud. Neben der ungarischen Küche, die er selbst vorzüglich beherrscht, schätzt er auch sehr die französische, mehr jedoch noch die belgische Küche.

Zu seinem 75. Geburtstag planten Schüler, Kollegen und Freunde erneut eine Festschrift für Adriányi. Dieses Mal wollte man bewusst ein anderes Thema wählen. Adriányi zeigt sich stets sehr an sozialen und gesellschaftspolitischen Fragestellungen interessiert. Diese wurden immer wieder auch in seinen beliebten Postseminaren im ›Bonner Bären‹ diskutiert. So kamen die Herausgeber auf die Idee, die potentiellen Beiträger dazu einzuladen, einen Artikel zum Thema ›Kirche und Gesellschaft im Wandel der Zeiten‹ aus ihrem Forschungsgebiet zu wählen. Neben Kirchenhistorikern, Theologen, Historikern und Kunsthistorikern wirken auch bekannte Katholiken des öffentlichen Lebens mit. Im April 2008 musste Otto von Habsburg, der gerne einen Beitrag zu Ehren Adriányis verfasst hätte, aus gesundheitlichen Gründen seine Mitarbeit absagen.1 Er verstarb am 4. Juli 2011 in Pöcking.

Insgesamt erhielten die Herausgeber dreißig Zusagen zu diesem Projekt, wobei einzelne Themen eine genuine kirchenhistorische Ausrichtung haben, andere im engeren Sinne gesellschaftspolitische Fragen abhandeln. Die Mehrzahl befasst sich mit Überschneidungen von kirchen- und gesellschaftspoltisichen Themenstellungen. Die beigesteuerten Aufsätze ließen sich in eine klare Gliederung einbringen. Die ersten fünf Rubriken sind chronologisch und nach Territorien geordnet. Sie behandeln das Mittelalter, das Rheinland und Westfalen sowie Deutschland und schließlich Europa. Die vier weiteren sind thematisch gebunden und befassen sich mit der Rezeption des Zweiten Vatikanums, der Theologiegeschichte, der Sozialethik und der Gesellschaftspolitik.
Die Fertigstellung bzw. die Überreichung der Festschrift zog sich insbesondere durch einen Wechsel im Herausgebergremium hinaus. Während die allermeisten Autoren pünktlich ihre Beiträge lieferten, musste man auf einige länger warten. Grundsätzlich wollten die Herausgeber keine Autoren ausschließen, die ihre Festzusage nicht zurücknahmen. Da die Festschrift aufgrund des großen Zuspruchs deutlich umfangreicher wurde als geplant, musste auch ein neuer Finanzierungsplan entworfen werden. Zuletzt galt es noch einen Termin zu finden, an dem der Jubilar, der sich häufig in Ungarn und in anderen Ländern zu Forschungen aufhält, in Deutschland ist.
Da die Beiträger allesamt ausgewiesene Wissenschaftler sind, wurde auf eine zwangsverpflichtende Vorlage für das Zitieren verzichtet. Bei der Vielfalt der Beiträge versteht es sich von selbst, dass die Herausgeber nicht in jedem einzelnen Fall mit der Meinung eines Autors übereinstimmen müssen.
Der Dank der Herausgeber gilt Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Reimund Haas, Köln, der in der fortgeschrittenen Phase der Erstellung dieser Festschrift an der Organisation des neuen Finanzierungsplanes mitgewirkt hat und uns ansonsten als erfahrener Editor kompetent beraten hat. Ebenso bedanken wir uns bei Hamid Reza Yousefi, Trier, der bereits mehrere Festschriften im Bautz Verlag herausgegeben hat, für seine Vorschläge zur formalen Gestaltung und zum Aufbau dieses Sammelwerkes. Dem Verleger Traugott Bautz, Nordhausen, danken wir für die Aufnahme dieser Festschrift in sein Verlagsprogramm und für die gute Zusammenarbeit. Den Sponsoren unseres Sammelwerkes, die namentlich in der Titelei aufgeführt sind, gilt abschließend unser Dank.

Köln und Bonn, am Fest des heiligen Martin von Tours, dem 11. November 2011

Hermann-Josef Scheidgen und Sabine Prorok

Folgende Rezension erschien in der Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln, Ausgabe 4/2012 vom 27. Januar 2012, Seite 47


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