Lukas Boser

Natur – Nation – Sicherheit.

Diskurse über die Vereinheitlichung der Masse und Gewichte
in der Schweiz und in Frankreich (1747-1801)

Band 10 der Schriftenreihe: Berner Forschungen zur Regionalgeschichte

Rezension


Mit dem Diskurs über die Vereinheitlichung der Masse und Gewichte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts greift Lukas Böser in seiner Publikation ein Thema auf, das in der kulturhistorischen Forschung bislang wenig Beachtung fand, in dem sich aber wesentliche Aspekte der kulturellen, wirtschaftlichen und staatspolitischen Debatten dieser Epoche widerspiegeln.

Die Studie, die als Lizenziatsarbeit an der Universität Bern entstanden ist, konzentriert sich auf die Beispiele Frankreich und Schweiz und thematisiert Diskurse über die Vereinheitlichung von Massen und Gewichten in diesen beiden Ländern am Vorabend der Französischen Revolution und während der politischen Umwälzungen im Zuge der Revolution. Gestützt auf die Methode der historischen Diskursanalyse setzt sich der Autor zum Ziel, die Topoi, Themen und Argumente aus dem Diskurs über die Einführung des metrischen Systems in den beiden Ländern herauszuarbeiten und auf Veränderungen in der Argumentation im Verlauf der Zeit hinzuweisen. Die Fragestellung nimmt vielversprechende, interessante Aspekte in den Blick, zumal zwischen Frankreich und der Schweiz in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vielfältige Beziehungen bestanden, die überdies von einer zunehmenden Ambivalenz geprägt waren. Die von 1798 bis 1803 währende Helvetische Republik stand bekanntlich unter starkem französischem Einfluss.

Nach einem einleitenden Kapitel zeichnet Lukas Böser den Diskurs zum metrischen System in Frankreich vor und während der Französischen Revolution anschaulich nach und identifiziert die prägenden Akteure. Dabei zeigt sich, dass in Frankreich die Gelehrten der Académie des sciences und später des Institut de France in allen Phasen eine wichtige Rolle spielten. Den Diskurs zur Vereinheitlichung von Massen und Gewichten in der Schweiz präsentiert der Autor in zwei Kapiteln zur Oekonomischen Gesellschaft Bern und zur Helvetischen Republik. Das Quellenkorpus zur Oekonomischen Gesellschaft ergänzt er um vorhandene Schriften zum Thema aus der Naturforschenden Gesellschaft Zürich und der Gesellschaft landwirtschaftlicher Freunde in Bündten. Wesentliche Akteure wie Johann Georg Tralles und Philipp Albert Stapfer treten sowohl in der Oekonomischen Gesellschaft Bern wie auch als Politiker während der Helvetischen Republik im Zusammenhang mit dem Thema der Vereinheitlichung von Massen und Gewichten in Erscheinung.

Im folgenden Kapitel analysiert Böser die Akteure, Themen und Argumente in den untersuchten Diskursen. Dabei schält er die im Titel prominent platzierten Begriffe "Natur", "Nation" und "Sicherheit" - Letzteres ist im Sinne von Zuverlässigkeit und Konstanz der auf dem Markt verwendeten Masse und Gewichte zu verstehen - als wesentliche Topoi heraus. Zum einen galt die Suche nach einem möglichst "der Natur entnommenen" Mass insbesondere unter den französischen Gelehrten als Voraussetzung für ein universell verwendbares Masssystem. Zum anderen verstärkte sich im Zuge der Revolution der Fokus auf die eigene Nation, was den universellen Anspruch in den Hintergrund treten liess. Der Diskurs in der Schweiz bewegte sich stärker auf einer praktischen Ebene. Die "Sicherheit" und Transparenz für Käufer und Händler auf dem Markt sprach zum einen für ein einheitliches System anstelle der vielen lokalen Masse. Die "Sicherheit" bei den zu leistenden Abgaben, die in den unterschiedlichsten alten lokalen Massen festgeschrieben waren, wurde als Argument gegen jegliche Neuerungen ins Feld geführt. Sowohl Frankreich wie die Schweiz entschieden sich letztendlich für die Einführung des metrischen Systems. Die praktische Umsetzung beanspruchte insbesondere in der Schweiz noch beinahe 80 Jahre.

Böser gelingt es, die Diskurse in Frankreich und der Schweiz im Untersuchungszeitraum anschaulich darzustellen und zentrale Topoi der Zeit wie "Natur" und "Nation" herauszuarbeiten sowie für die Schweiz auch die Bedeutung der "Sicherheit" und Stabilität der zu entrichtenden Abgaben. Der Verfasser unterlässt es allerdings, den Fokus in den Schlussbetrachtungen noch einmal zu öffnen und die Diskurse zur Vereinheitlichung der Masse und Gewichte im grösseren Kontext der Epoche zu verorten.

Regula Wyss, Konolfingen


Copyright © 2010 by Verlag Traugott Bautz