Uwe Czubatynski

700 Jahre Quitzöbel

Beiträge zur Ortsgeschichte auf der Grundlage des Pfarrarchivs

Rezension


Im Jahr 2010 feiert das Prignitzer Dorf Quitzöbel das 700-jährige Jubiläum seiner Ersterwähnung. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, hätte das Dorf nicht das Glück gehabt durch einen erfahrenen Fachmann für die Geschichte von Prignitz und Altmark, den Leiter des Brandenburger Domstiftsarchivs Dr. Uwe Czubatynski, pünktlich zum Festjahr eine wissenschaftlich erarbeitete Ortsgeschichte zu erhalten. Zudem war der Verfasser jener historischen Darstellung selbst von 1994-2007 der für Quitzöbel zuständige Pfarrer. Bescheiden weist Czubatynski in der Einleitung seines Buches darauf hin, dass er eigentlich fast nur die Bestände des Quitzöbeler Pfarrarchivs und des Brandenburger Domstiftsarchivs nutzte, da ihm für die notwendigen, ausgedehnten Quellenstudien kaum Zeit blieb. Doch hat Czubatynski neben seiner stupenden Literaturkenntnis natürlich auch auf Dokumente aus Potsdamer und Berliner Archiven sowie aus der Rara-Sammlung der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin zurückgegriffen und hier manch schönes Stück aufgetrieben. Da die Masse der von ihm verwendeten Dokumente kirchlichen Ursprungs ist und demzufolge praktischen Zwecken der katholischen, später evangelischen Kirche dienten, ist eine Ortsgeschichte entstanden, welche die 700-jährige Geschichte des Ortes hauptsächlich aus dem keineswegs uninteressanten, doch anfangs gewöhnungsbedürftigen Blickwinkel "der Kirche" betrachtet. Nach einer Einführung in Ziel und Methoden seiner Untersuchung, einem kurzen Abriss zur Entstehung und Entwicklung des Ortes und einer Betrachtung zur Verwaltungsgeschichte des Pfarrsprengels Quitzöbel widmet sich Czubatynski tiefgründig und aktenbasiert folgenden Schwerpunkten, die zugleich immer ein eigenständiges Kapitel bilden: - dem Pfarrarchiv, seiner Entstehung und Überlieferungsgeschichte
- dem Kirchenvermögen in seiner geschichtlichen Entwicklung und im heutigen Bestand
- der Finanzverwaltung der dörflichen kirchlichen Einrichtungen vom 16. - 20. Jahrhundert
- der Geschichte aller im Dorf noch vorhandenen bzw. einstmals bestehenden kirchlichen Gebäude
- dem religiösen und künstlerischen Inventar der Quitzöbeler Kirche inklusive der vorhandenen Kriegerdenkmäler und der Stiftungen für die Kirche (letzteres ein Thema,
welchem Czubatynski schon seit längerer Zeit grundsätzliches Interesse entgegenbringt)
- der Geschichte des Pfarramtes in Quitzöbel inklusive der Lebensläufe der Pfarrer und
ihrer Einkommensverhältnisse dem kirchlichen Leben (inklusive der informative
archivalische Quellen hinterlassen habenden Kirchenvisitationen)
- der Geschichte des Quitzöbeler Gutes und der auf ihm residierenden adeligen Familien, welche das Patronat über die Kirche ausübten
- sowie dem Quitzöbeler Volksschulwesen (inklusive der Lebensläufe der hier einstmals
wirkenden Lehrer und einer Übersicht über das einst und heute in Quitzöbel immer noch gesprochene Platt). Am Ende des Buches finden sich zusätzlich vier wichtige Quellentexte zur Geschichte von Quitzöbel und, wie bei dem peniblen Archivar Czubatynski zu erwarten war, ein minutiös erarbeitetes Findbuch zum Pfarrarchiv Quitzöbel nebst einer Übersicht zur relevanten ortsgeschichtlichen Literatur. Der Rezensent, welcher sich neben seinen vielfältigen sonstigen historischen Interessen seit einigen Jahren mit der Prignitzer Geschichte beschäftigt, hat das Buch mit großen Genuss und Gewinn an historischer Belehrung gelesen. Methodisch mustergültig aufgebaut und zugleich straff gegliedert, bildet es für ihn nahezu das Ideal einer wissenschaftlich erarbeiteten Ortsgeschichte und durfte gleichwohl dem interessierten Laien nicht unverständlich bleiben. Kritisch wäre anzumerken, dass die Zwischenüberschrift unter "h)" auf S.66 unpräzise gewählt ist, da es sich um eine Enteignung zu Gunsten der Sowjetarmee und nicht der Nationalen Volksarmee der DDR handelte. Es wäre wünschenswert, wenn sich auch zukünftig qualifizierte Historiker finden, die sich der zwar zeitaufwendigen, doch fruchtbringenden wissenschaftlichen Untersuchung der Geschichte kleiner, "unbedeutender" Ortschaften in Deutschland widmen würden, da solche Untersuchungen in jedem einzelnen Fall unverzichtbare Bausteine für die künftige regionalgeschichtliche Forschung bilden. An dieser Stelle wäre im Falle von Quitzöbel (S.59 f.) beispielsweise auf das, nicht nur für die Geschichte der Prignitz wichtige und wesentliche, Deichbauwesen an der Elbe im Mittelalter, in der Frühen Neuzeit und in der Neuzeit zu verweisen.

Jürgen W. Schmidt


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