Elli Reichert

Wohlfahrt – Wirtschaft – Caritas

Der Fürsorgewissenschaftler Heinrich Weber
(1888-1946)

Rezension


Weber war seiner Zeit weit voraus

Heinrich Weber war seit den Anfangsjahren der Weimarer Republik nicht nur Diözesan-Caritasdirektor von Münster, sondern auch als Nachfolger von Franz Hitze Ordinarius für Fürsorgewesen und Gesellschaftslehre an der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der dortigen Universität - mit gleichzeitiger Lehrverpflichtung an der katholisch-theologischen Fakultät. Als kenntnisreicher Grenzgänger zwischen Wirtschaftswissenschaften und Theologie war er ein Vordenker einer modernen Caritas- und Fürsorgewissenschaft, zugleich aber auch ein von überkonfessioneller Offenheit geprägter Netzwerker der praktischen Caritasarbeit. 1935 zwangsweise nach Breslau versetzt, überlebte er den Krieg nur kurz und geriet bald ebenso wie sein wissenschaftlicher Ansatz in Vergessenheit.

Nachdem Manfred Hermanns bereits 1998 eine bis heute wichtige Biografie über Weber vorgelegt und damit seine Persönlichkeit und Lebensleistung wieder ans Licht gehoben hat, unternimmt es jetzt die evangelische Sozialpädagogin und Theologin Elli Reichert in ihrer erziehungswissenschaftlichen Dissertation dem bisherigen Stand der Forschung weitere Facetten hinzuzufügen. Die Verfasserin wählt einen stark systematischen Zugriff und konzentriert sich auf Webers Beitrag zu einer Wissenschaftsgeschichte der Caritas. Weber war demnach in manchen Punkten seiner Zeit weit voraus: Er erwies sich als Verfechter einer sozialen Ausbildung im Theologiestudium und führte schon früh Frauen zu staatswissenschaftlichen Promotionen.

Hervorhebenswert ist auch der umfangreiche Anhang des Buches, der unter anderem die Themenliste der von Weber betreuten Dissertationen und seine weit gespannten Herausgeberschaften dokumentiert.

Dr. Andreas Wollasch (Freier Historiker)


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