Peter Schmidtsiefer / Birgit Siekmann (Hg.)

Geschichte als Verunsicherung

Karl-Hermann Beeck und Günther van Norden
am Historischen Seminar Wuppertal

Rezension


Die Sammlung von Aufsätzen, mit der die Herausgeber und Autoren ihre Lehrer und ehemaligen Kollegen am Historischen Seminar der Bergischen Universität anlässlich des 80. Geburtstages der Emeriti ehren, sprengt den üblichen Rahmen derartiger Produkte. Beeck und van Norden haben mit eigenen Aufsätzen zu ihrer Festschrift beigetragen, Beeck allerdings nur mit einer Darstellung seines mentalitäts- und regionalgeschichtlichen Forschungsansatzes und einer Aufzählung der Arbeiten seiner Schülerinnen und Schüler. Van Norden hat einen bemerkenswerten Aufsatz zu einem Thema verfasst, das ihn - so scheint es - gewissermaßen als ,cantus firmus' während all seiner Arbeiten zur Geschichte der evangelischen Kirche im ,Dritten Reich' begleitet hat. Für ihn ist die Kirchengeschichte „Profangeschichte", nicht verschieden von anderen Teilgebieten der Geschichte wie der Rechts- oder Wirtschaftsgeschichte. Die reale Kirche sei eben nicht in der Transzendenz verwurzelt, sondern stecke voller Irrungen und Wirrungen. Und ihre heilige, transzendente Dimension? Van Norden verweist auf Bonhoeffer, dass es das Heilige nur im Profanen gebe (S. 79). Kein Beitrag trägt so stark zu jener „Verunsicherung" des Lesers bei, die dem Band den Titel gegeben hat.

Im Rahmen dieser Rezension würde es zu weit führen, die übrigen vierzehn thematisch weitgesteckten Aufsätze des Bandes, die alle der Mentalitäts- und der Kirchengeschichte, den Forschungsfeldern der beiden Emeriti, verpflichtet sind, ähnlich ausführlich zu würdigen. Deshalb seien nur einige Beiträge herausgegriffen. Martin Bachmann erörtert die Frage, ob und auf welche Weise auch der Geschichtsunterricht in der Schule zur produktiven und kreativen Verunsicherung von Schülern beizutragen hat. Mit mehreren Unterrichtsbeispielen demonstriert er, wie dieses geschehen kann (S. 95 ff) Joachim Studberg analysiert mentale Prägungen des alteuropäischen Adels anhand von dessen Jagdaktivitäten, die er als „Selbstinszenierung und Machtdemonstration" bewertet (S. 128). Wolfgang Heinrichs beschäftigt sich mit der „Frauenrolle im Wandel", insbesondere im Raum der (evangelischen) Kirche. Er entwickelt ein „bürgerliches Rollenverständnis" seit dem späten 18. Jahrhundert und macht dafür auch den Pietismus verantwortlich (S.141 ff). Ulrike Schuler behandelt „Anglo-amerikanische methodistische Missionen in Kontinentaleuropa im 19. Jahrhundert" (S. 209 ff}- Diese ging zunächst von den Wesleyan Methodists Englands aus und fasste zuerst in protestantischen Gebieten Fuß, um von dort auf katholische Territorien „überzuspringen". In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm dann die Methodist Episcopal Church aus den USA die Mission in Europa auf. In weiteren Beiträgen kommt die Gymnasialreform Richerts von 1924/25 ebenso zur Sprache wie die Darstellung der Hanse, die katholische Gemeinde Elberfelds ebenso wie der „Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands" nach dem Zweiten Weltkrieg. Eine Kino- (und Film-) Geschichte Velberts sowie Aufsätze aus dem umfangreichen Bereich des Kirchenkampfes (Birgit Siekmann, Sigrid Lekebusch, Gottfried Abrath, Volkmar Wittmütz) vervollständigen die Festschritt. Mit ihren Aufsätzen haben, wie die Herausgeber zu Recht feststellen (S. 51), alle Autoren nicht allein die Jubilare geehrt, sondern auch auf die Geschichte des Wuppertaler Historischen Seminars verwiesen, die von beiden Emeriti ganz wesentlich geprägt wurde.

Uwe Eckardt


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