Claudia Bickmann, Markus Wirtz, Hermann-Josef Scheidgen (Hrsg.)
unter Mitwirkung von Myriam-Sonja Hantke, Dennis Kumetat, Maia Traine und Viktoria Burkert

Religion und Philosophie im Widerstreit?

Internationaler Kongress an der Universität zu Köln, 13. – 16. Juli 2006

Zwei Teilbände

Rezension


Ernst Tugenhat setzt sich in seinem Beitrag mit dem Phänomen Religion auseinander (271-184). Ausgehend von der Publikation Egozentrik und Mystik thematisiert er die Problematik des anthropologischen Bedürfnisses nach einem Adressaten des Glaubens und der Konsequenzen dieses Phänomens. Die Mystik wird in ihren verschiedenen regional-kulturellen Ausprägungen als Modell für eine ‚intellektuell redliche', dem menschlichen Bedürfnis nach der Existenz eines intellektuell und ontologisch hoher stehenden Gegenübers gerecht werdende Problemstrategie präsentiert und vom Begriff der Verantwortung maßgeblich expliziert.
Heinz Kimmerle diskutiert die Frage nach der Welt der Geister und der Achtung vor der Natur (555-572), die er mit einer neuen Bewertungsmöglichkeit des Animismus verbindet. In unkonventioneller Weise stellt er heraus, was die Welt der Geister im afrikanischen Denken und Fühlen bedeutet und zeigt am Beispiel der Bewohner Zentralkenias auf, wie nach deren Vorstellung Geister Bäume als Wohnstätten schätzen. Der Umgang der Einheimischen mit diesem Phänomen bedeutet, das die natürlichen Dinge als beseelt betrachtet werden. Im Anschluss an Jacques Derridas Bemühen um eine neue Lehre der Geister thematisiert er deren Abwesenheit in den europäischwestlichen Kulturen. Kimmerle plädiert dafür, den Animismus als sechste Weltreligion anzuerkennen.
Für Ram Adhar Mall gibt es kaum einen Weg für das menschliche Denken, das zu Gott findet. Diese Position analysiert er in seinem Beitrag Religionsphilosophie. Eine interkulturelle philosophische Erkundung mit besonderer Berücksichtigung der indischen Philosophie (614-668). Auch Philosophie und Logik könnten hier keinen Weg beschreiten. Wer Gott zuerst zu einem philosophischen Begriff, zu einer philosophischen Idee, zu einem intentionalen noematischen Korrelat macht und dann von hieraus zur Erfüllung dieser Intention, d. h. zur Existenz schreitet, vergisst, das er Gott nach seinem Bilde und nach seiner Vorstellung macht. Philosophie qua Philosophie könne schwerlich zu Gott, zu einer theistischen Religion führen, denn sie würde dadurch ihre Denkart verlieren. Falls aber Philosophie doch von Gott und von Religion rede, so könne diese Rede nicht eine theologisch-gläubige und ontologische Rede von Gott sein. Philosophie und Religion blieben daher zwei grundverschiedene Betrachtungsweisen des Weltenrätsels.
Wenn bei der Edition der drei Bände der "Studien zur Interkulturellen Philosophie" auch kleinere Fehler zu bemängeln sind, z. B. ein fehlendes oder ein falsch zugeordnetes Abstract, so beeinträchtigt dies nicht den positiven Gesamteindruck. Die vorliegenden Aufsatzsammlungen sind für die aktuelle Lehre und Forschung von Bedeutung, weil sie unterschiedliche Dimensionen des Denkens thematisieren, die sich ergänzen, widersprechen oder gar bekämpfen. In diesem Zusammenhang ist die Rolle von Claudia Bickmann, der amtierenden Präsidentin der Gesellschaft für Interkulturelle Philosophie, hervorzuheben. Sie ist an der Gestaltung von Fachtagungen sowie der Konzeptualisierung der Bände inhaltlich maßgeblich beteiligt und setzt sich dafür ein, interkulturelle Fragestellungen in die aktuellen wissenschaftlichen Diskurse zu tragen.


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