Thorsten Paprotny (Hrsg.)

Romano Guardini heute

Mit Beiträgen von:
Jürgen Bärsch – Gunda Brüske – Martin Brüske –
Marian Eleganti – Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz – Anselm Grün –
Annette Kuhn – Walter Mixa – Friedrich Wetter –
Friedrich Wolfram – Markus Zimmermann

Abstract / Rezension


Aus dem Vorwort

Warum beschäftigen wir uns heute mit einer Gestalt wie Romano Guardini? Tun wir das aus Nostalgie, in Erinnerung an einen großen Theologen und Religionsphilosophen, einen scheuen, grüblerischen Gelehrten und frommen Gottesmann? Oder erhoffen wir uns von Guardini neue Impulse für die drängenden Fragen unserer Zeit, in Kirche und Welt?

Romano Guardini gehörte zu den bedeutendsten Theologen des 20. Jahrhunderts. Er vermochte eine ganze Generation von Gelehrten zu prägen. Wir denken an den Moraltheologen Alfons Auer, an die Philosophen Walter Brugger und Josef Pieper, an die später zu Kardinälen kreierten Theologen Hans-Urs von Balthasar und Hermann Volk, natürlich auch an Papst Benedikt XVI., an den Politologen Hans Maier, den Philosophen Josef Pieper, an den Germanisten Walter Killy und auch an Künstler wie Eugen Jochum und August Everding. Die Anregungen, die wir durch seine Gestalt und durch sein Werk vernehmen, wirken fort bis in unsere Zeit und können auch Denkanstöße für das Christsein heute geben.

Darf ein Christ Zweifel hegen? Guardini hätte dies unumwunden bejaht und vielleicht den von ihm bewunderten Kardinal Newman zitiert: "Glauben heißt, Zweifel tragen zu können." Christsein bedeutet aber auch treu sein: "Wie geht das zu, wenn ein Mensch sich in mündiger Entscheidung zum Glauben entschließt? […] Etwa verfliegt die Empfindung der Nähe Gottes, und um den Glaubenden her wird es religiös leer. Oder er muß erleben, was der religiösen Welt alles an Menschlichkeit anhaftet. Oder Ereignisse treten ein, die er mit dem Gedanken der Vorsehung nicht in Einklang bringen kann. Oder die Anschauungen der Zeit entfernen sich vom Glauben, so daß dieser als etwas Überholtes erscheint. […] Ganz töricht kann man sich in solchen Augenblicken mit seinem Glauben vorkommen - dann ist Zeit für die Treue. Sie sagt: Ich bleibe fest. Als ich glaubte, war das, was da wirksam wurde, keine bloße Hinneigung des Gefühls, oder die Anziehungskraft eines schönen Gedankens, sondern eine Tat des Kerns, der Person und ihres Ernstes. Das Wort "Glauben" bedeutet "geloben", die Treue geloben - Gott verläßt sich auf dieses Gelöbnis; also stehe ich zu Ihm. So bekommt der Glaube eine neue Bedeutung: er ist jene Tat, in welcher der Mensch die Zeit von Gottes Ferne und Schweigen überdauert. Wenn Er Seine Nähe fühlen läßt, sein Wort lebendig wird, dann ist es nicht schwer, Seiner Wirklichkeit gewiß zu sein; dann ist es Glück. Wenn Er sich aber verbirgt, nichts fühlbar ist, das heilige Wort nicht redet, dann war wird es schwer. Dann wird es aber Zeit für den wirklichen Glauben."

Warum bedürfen Christen eigentlich der kirchlichen Gemeinschaft? Kann nicht jeder Mensch für sich besser ganz allein ein gläubiges Dasein führen?
Guardini schreibt: "Glauben ist aber nicht immer leicht. Manchmal ist es sogar sehr schwer - schwer und im Alleinsein des Gewissens zu vollbringen. […] Wie könnte man die Kirche schöner deuten, als indem man sagt, sie sei die Gemeinschaft derer, die einander zu glauben helfen?"

Diese und viele andere Anregungen können wir in den Werken Guardinis entdecken. Es sind Einladungen zum Weiterdenken, manchmal auch zur Meditation und Ermunterungen zu Reflexionen über das Christsein. Die Autorinnen und Autoren dieses Bandes haben auf ganz unterschiedliche Weise die Bedeutung der Gestalt und der Werke Romano Guardinis erfahren. Neben Aufsätzen zu wissenschaftlichen Fragestellungen finden sich auch ganz persönliche Betrachtungen zu der Wirkung eines Mannes, dessen vielgestaltiges Schrifttum wir immer wieder neu entdecken können. Wir sehen vor allem in der Pluralität der Beiträge, daß Romano Guardini auf vielen Ebenen eine bemerkenswerte Wirkung entfaltet - und so manche Leserin, so mancher Leser mag sich nach Lektüre dieses Bandes ermutigt und ermuntert fühlen, für sich selbst die Denkwege Guardinis neu zu erkunden.
Thorsten Paprotny Hannover, im März 2007

Folgende Rezension erschien im Archiv für Liturgiewissenschaft, 53. Jahrgang 2011, Seite 329


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