Hamid Reza Yousefi/Sarah Ginsburg

Kultur des Krieges:

Amerikanismus - Zionismus - Islamismus

Rezension


Blickt man zurück auf das vergangene 20. Jahrhundert, so hat man zwei zerstörerische und mörderische Weltkriege sowie verheerende Ideologien, zu denen der Marxismus-Leninismus und der Nationalsozialismus gehören, vor Augen. Diese dramatischen Ereignisse haben Gräben aufgerissen und Wunden hinterlassen; die Konflikte des 20. Jahrhunderts setzen sich im 21. Jahrhundert fort und finden ihren Ausdruck in terroristischen Gewalttaten. Den Armeen, die im 20. Jahrhundert auf der physischen Ebene so große Zerstörungen anrichteten, entsprechen die Ideologien, die auf der seelisch-geistigen Ebene Verheerungen solchen Ausmaßes hervorgerufen haben. Die terroristischen Gewalttaten werden fast immer von Selbstmordattentätern verübt, deren Opfertoden ein Höchstmaß an Verzweiflung zugrundeliegt, die auch aus der Wehrlosigkeit gegenüber Formen der Gewalttätigkeit entspringt.

In solchen spannungs- und konfliktgeladenen Zeiten zu leben, schärft die Gedanken und Sinne für jede Form die Gewalttätigkeit bereits im Stadium ihrer Entstehung und dies umso mehr nicht nur angesichts des unendlichen Leids, das die Ereignisse über die Menschen gebracht haben, sondern auch angesichts der vielen Toten, die zu beklagen waren und sind. Formen der Gewalttätigkeit bereits im Stadium ihrer Entstehung zu erkennen, macht es notwendig, in die Tiefenstrukturen der Kulturen der Menschheit einzudringen. Unterhalb der Vielfältigkeit der kulturellen Erscheinungen eines Landes befindet sich immer ein einheitliches, alle Erscheinungen beeinflussendes System, das gewissermaßen den alle Verästelungen der Kultur durchpulsenden Blutkreislauf darstellt und dieses System ist das Denken der Menschen. Nichts ist so charakteristisch für ein Zeitalter und für die Kulturen dieses Zeitalters wie die Art und Weise des Denkens. An dieser Stelle kommt einer Aussage des russischen Schriftstellers Lew Nikolajewitsch Tolstoi besondere Bedeutung zu: "Was du heute denkst, wirst du morgen tun." Gewalttätigen Gedanken werden irgendwann einmal Gewalttaten folgen.

Damit ist der historisch-politische Hintergrund des Buches Kultur des Krieges - Amerikanismus, Zionismus, Islamismus aufgezeigt, das Hamid Reza Yousefi mit den Forschungsgebieten interkulturelle Philosophie, Angewandte Religionswissenschaft und diskurshistorische Toleranzforschung und seine Co-Autorin, die Publizistin und Journalistin Sarah Ginsburg im Bautz-Verlag veröffentlicht haben.

Wirft man einen Blick auf den Klappentext: "Das Buch behandelt die Wesenszüge von Amerikanismus, Zionismus und Islamismus, denen ein völkerverachtender Universalitätsanspruch mit konkurrierenden Heilsbotschaften gemeinsam ist. Alle drei verfolgen das Ziel, die Welt gemäß der eigenen Vorstellung von Weltordnung zu gestalten. An dieser ungebremsten, bewaffneten Vernunft hat sich eine ‚Kultur des Krieges' entzündet. Jeder hält seine eigene politische Meinung, seine eigenen Werte für die ausschließliche Wahrheit. Weder Orientalismus- noch Okzidentalismus-Diskurse, die sich lediglich auf gegenseitige Schuldzuweisungen beschränken, sind Gegenstand der Untersuchung. Beabsichtigt ist eine Darstellung dieser -ismen unter besonderer Berücksichtigung der politischen Geschichte der letzten sechzig Jahre. Die zentrale Aufgabe des Buches ist es, diese Wesenszüge, welche die größten Herausforderungen im 21. Jahrhundert darstellen, zu diskutieren.", so ist zu konstatieren, daß er eigentlich nur einen matten Abglanz der Bedeutung des Buches widerspiegelt.

Dies wird deutlich, wenn das Buch in einen größeren Zusammenhang gestellt wird. So legt der Titel Kultur des Krieges - Amerikanismus, Zionismus, Islamismus nämlich einen Vergleich mit dem Werk des Amerikaners Samuel P. Huntington Kampf der Kulturen - Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert nahe. Künftig würden nur noch selten, so führt Huntington in seinem Buch aus, Staaten oder Nationen Konflikte beginnen, vielmehr werde es zu Feindschaften zwischen den Kulturen oder - in seinen Worten - zwischen den Zivilisationen kommen, die zu schweren Krisen führen könnten. Das Zeitalter der Territorialkriege sei vorbei, so sagt Huntington, ihm folge die Epoche der Zivilisationskriege. Wichtig zum Verständnis und zur Einordnung des Buches von Yousefi und Ginsburg ist in diesem Zusammenhang, daß die Kernaussagen von Huntington widerlegt werden. Nicht Kulturen, Zivilisationen oder gar Religionen sind es, so versuchen die Verfasser nachzuweisen, zwischen denen es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommen wird, sondern innerhalb der Kulturen, Zivilisationen oder Religionen sind es ganz bestimmte Gedankenbildungen, die in Form von Ideologien als Amerikanismus, Zionismus und Islamismus auftreten und die zum Kristallisationspunkt von Gewalttätigkeiten werden können. Dabei unterscheiden die Autoren in aller Deutlichkeit zwischen dem amerikanischen Volk und dem Amerikanismus, zwischen den islamischen Völkern und dem Islamismus sowie zwischen den Angehörigen des jüdischen Volkes und dem Zionismus.

Indem die Autoren des Buches Kultur des Krieges auf die Ebene der Gedankenformen und der Art und Weise des Denkens herabsteigen, erreichen sie eine wesentlich weitreichendere Bearbeitungstiefe bei der Untersuchung des Problems des Auftretens von Gewalttätigkeiten und Kriegen als es in dem Buch von Huntington der Fall ist. Besonders bei der Beschreibung des Amerikanismus wird deutlich, daß es letztlich, wenn auch nicht in direkter Form ausgesprochen, um Strategien zur Erlangung der Weltherrschaft geht. Dies zeigt sich, wenn die Autoren die indische Journalistin Arundhati Roy zitieren, die zum Verhalten der Vereinigten Staaten von Amerika folgendes ausführt: "Innerhalb der eigenen Grenzen Redefreiheit, Religionsfreiheit, Gedankenfreiheit, die des künstlerischen Ausdrucks, der Eßgewohnheiten, der sexuellen Vorlieben [...] und vieles andere, alles ganz musterhaft und wunderbar. Außerhalb der eigenen Grenzen die Freiheit zu dominieren, zu erniedrigen und zu unterwerfen - gewöhnlich unter die wahre Religion Amerikas, den freien Markt." Weltherrschaft hat letztlich derjenige inne, dem es gelingt der Welt seine Gesetze aufzuprägen, und genau das ist es, was bei der Lektüre des Buches deutlich wird. Bei diesem Sachverhalt zeigt sich die Nähe des Buches Kultur des Krieges zu dem Buch des Amerikaners Zbigniew Brzezinski Die einzige Weltmacht - Amerikas Strategie der Vorherrschaft. Beide Bücher beschreiben die weltweiten, politischen und strategischen Aktionen der USA. Während Brzezinski die Welt als globales Schachbrett - die Originaltitel seines Buches ist The Grand Chessboard. American Primary and its geostrategic Imperatives - aus der Sicht Amerikas sieht, ist das Besondere an dem Buch von Yousefi und Ginsburg die unparteiische, interkulturelle Perspektive.

Die gegenwärtige gefährliche und die Menschheit bedrohende Konfliktlage in der Welt bedarf dringend einer Entschärfung; aber die Politiker und Diplomaten mit den hinter ihnen stehenden und sie beeinflussenden Gruppierungen, die doch Hauptakteure auf der Weltbühne sind, hinterlassen den Eindruck von Hilflosigkeit. In diesem Zusammenhang hat das Buch Kultur des Krieges seine besondere Bedeutung. Die gegenwärtigen Auseinandersetzungen im Kampf um die Weltherrschaft erhalten dadurch eine besondere Gefährlichkeit, daß die Vorgänge durch Verbreiten von Desinformation und glatter Unwahrheit mit Hilfe der Medien zunehmend immer schwerer durchschaubar werden.

Yousefi und Ginsburg ermöglichen nun dem Leser ihres Buches einen Blick in die Tiefenstrukturen der Weltverhältnisse, indem sie mit Sachlichkeit und gleichzeitiger nicht zu übersehender Engagiertheit sowie mit der Unparteilichkeit philosophischer Betrachtung die Entwicklungen nachzeichnen, die zu der gegenwärtigen Lage geführt haben. Dabei analysieren sie die Denkstrukturen und Formen des Denkens, indem sie die durch Mediengebrauch verfälschten Inhalte der Begriffe richtigstellen und den Ideologiecharakter verschiedener Gedankenrichtungen entlarven.

Bei dem Buch Kultur des Krieges handelt es sich um eine Arbeit, die sowohl in die Kategorie ‚Politische Philosophie' als auch in die Kategorie ‚Interkulturelle Philosophie' einzuordnen ist, deren wesentliches Anliegen es ist, die Grundlagen für Verständigung und Dialog zwischen Völkern und Kulturen zu schaffen. Hier sind die Ansätze der interkulturellen Philosophie von großer Aktualität und finden in dem Buch Berücksichtigung, wenn im Sinne einer vierdimensionalen Hermeneutik nicht nur das Selbstverständnis einer Kultur und ihr Verständnis einer fremden Kultur dargestellt wird, sondern auch wie die fremde Kultur sich selbst versteht und wie eine Kultur von einer fremden Kultur verstanden wird.

Von besonderer Bedeutung ist das dritte Kapitel ›Transformationen des Zionismus‹, das angesichts der Brisanz des Themas in einem Buch ›Kultur des Krieges‹ keinesfalls fehlen durfte; ist es doch der Zionismus gewesen, der zur Gründung des Staates Israel führte und damit zur Beunruhigung der politischen Verhältnisse beigetragen hat. Die Brisanz des Themas rührt bekanntlich daher, daß sehr leicht jede Behandlung des Themas in die Nähe des gebrandmarkten Begriffs ‚Antisemitismus' gerückt werden kann; umso größer ist das Verdienst der beiden Autoren, denen es gelungen ist, die ›Transformationen des Zionismus‹ präzise darzustellen, indem sie Begriffe richtigstellen und alle Aussagen aus der Entwicklung des Zionismus herleiten. Die Autoren legen dar, wie die dem Zionismus zugrundeliegende Idee nach der Gründung des jüdischen Staates mehr und mehr die Züge einer zionistisch-chauvinistischen Ideologie annahm, die ähnlich aggressiv-expansive Züge trägt wie der Imperialismus, wobei die Staatsgründung Israels mit der Unterstützung ehemaliger westlicher Mandatsmächte gegen den Willen der dort ansässigen Völker ausgeführt wurde. Allein die Charakterisierung des Zionismus nach der Staatsgründung als chauvinistische Ideologie wird sicher von nicht wenigen als Ungeheuerlichkeit angesehen; aber diese sollten unbedingt auf ein Lesen des Buches verwiesen werden, um sich von der Begründung und Gedankenführung überzeugen zu lassen.

Nicht weniger schonungslos als mit dem Zionismus gehen die Autoren mit dem Islamismus ins Gericht. Hier legen sie wieder besonderen Wert auf die Unterscheidung zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als einem radikalen Versuch, den Islam zu ideologisieren, zu politisieren und zu instrumentalisieren. Dabei zeigen sie, daß die Islamisten letztlich das Ziel verfolgen, "mit der unmittelbaren Politisierung der Religion die heterogene Welt durch einen radikalen Islam als einzige Weltzivilisation zu ersetzen. [...] Dies bedeutet, den Islam in eine imperiale Weltmacht zu verwandeln. [...] Bei der Realisierung dieses Anspruches halten die Islamisten die Umdeutung des Begriffs ‚Djihad' für unerläßlich". Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das Unterkapitel Islamische Ethik und die Djihad-Konzeption, in dem dargestellt wird, daß ‚Djihad' einer der wichtigsten Begriffe der islamischen Glaubenslehre überhaupt und mit ‚Mühe', ‚innerer Kampf' oder ‚Streben' zu übersetzen ist. Die Autoren legen dar, daß die Vertreter des Islamismus einen ungeheuerlichen Mißbrauch mit dem Begriff ‚Djihad' treiben.

In den dramatischen Auseinandersetzungen, von denen in diesem Buch die Rede ist, spielen die Medien eine wichtige Rolle. Deshalb sei an dieser Stelle auf das Unterkapitel Journalismus als geistige Besatzung hingewiesen, in dem die Wirkungsmechanismen der Medien und des Journalismus ausführlich dargelegt werden. So beschreiben die Autoren die Medien als Grundlage von Herrschaft, indem diese das Denken und die Vorstellungswelt der Menschen beeinflussen durch die Verbreitung bestimmter Begriffe und Ideologien, die in ständiger Wiederholung in die Köpfe der Menschen eingehämmert werden. Solche Wirkungsmechanismen zu durchschauen, ist nämlich Voraussetzung für die Möglichkeit zur eigenen Urteilsbildung in unserer medienüberfluteten Zeit.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß die beiden Autoren mit diesem Buch einen Beitrag geleistet haben, der den Lesern die eigene Urteilsbildung zurückgibt, die ihnen durch Desinformation aus Politik und Medien genommen wurde. Hervorzuheben ist, daß die Autoren eine konflikt- und emotionsgeladene Materie kompetent und kenntnisreich auf der Ebene der Sachlichkeit mit vielen Details in strukturierter Form zur Darstellung gebracht haben. Dabei haben sich beide von keiner Form einer ‚political correctness', die in der ganzen sog. ‚westlichen Welt' eine wichtige Rolle spielt und von keinerlei Tabus, die so zahlreich vorhanden sind, beeindrucken lassen, sondern haben sich aus philosophischer Perspektive nur der Wahrheit verpflichtet gefühlt. Das Buch ist nicht nur philosophisch interessierten Lesern zu empfehlen, sondern es sollte eine allgemeine Verbreitung finden; denn den Autoren ist es gelungen, allen Inhalten eine solche sprachliche Form zu geben, daß es von allen, die das Zeitgeschehen aufmerksam verfolgen, mit Spannung gelesen werden wird.

Peter Gerdsen


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