Sandro Frefel

„Nach dem ein ehrsame gemeind
wohlbedächtlich darüber deliberiert“.

Berner Gemeindeversammlungen im 18. Jahrhundert

Band 7 der Schriftenreihe: Berner Forschungen zur Regionalgeschichte

Rezension


Gemeinden befinden sich heute in einer paradoxen Situation: Einerseits sind sie immer weniger in der Lage, Probleme des Alltags selbstständig zu lösen; andererseits kommt ihnen eine derart große mentale Bedeutung zu, dass Fusionen nur schwer zu realisieren sind. Die Gemeindeversammlung gilt weithin als Quelle von Demokratie und Volkssouveränität. Die Rückprojektion heutiger Vorstellungen in die Vergangenheit macht sie praktisch unantastbar. Der Zweck der vorliegenden Lizentiatsarbeit, die Sandro Frefel bei Heinrich Richard Schmidt am Historischen Institut der Universität Bern verfasst hat, besteht nicht darin, diese Glorifizierung fortzusetzen; vielmehr sollen kommunale Traditionen in der politischen Kultur der heutigen Schweiz kritisch erhellt werden.

Ausgangspunkt der Studie ist das Kommunalismus-Konzept von Peter Blickle. Die Gemeindeversammlung erscheint dabei als Kristallisationskern der Gemeinde. Der Autor fragt nach der Funktion der Gemeindeversammlung in den Landgemeinden des Staates Bern im 18. Jahrhundert und untersucht in der Reihenfolge des Ablaufs einer üblichen Gemeindeversammlung Teilnahmeberechtigung, Einberufung, Häufigkeit, Örtlichkeiten, Traktanden, Diskussion und Beschlussfassung. Schließlich folgt ein Überblick über die Vielfalt der Themen, über die zu beraten und zu entscheiden war, wie die Gemeindeorganisation, die Nutzung des Gemeindegutes und die Armenfürsorge. Die Quellengrundlage bilden zur Hauptsache die Protokolle aus den Gemeindearchiven von Aeschlen bei Oberdiessbach, Kirchberg, Trub, Twann, Utzigen und Worb, deren Erhaltungszustand sehr unterschiedlich ist. Ein Fazit, je 13 grafische Abbildungen und Tabellen sowie die Bibliografie runden die Publikation ab.

Sandro Frefel stellt fest, dass im bernischen Territorium die Gemeinde eine real- und personalrechtlich heterogene Gemeinschaft war; die die strukturell bedingten Herausforderungen auf pragmatische Weise zu lösen versuchte, und schließt daraus, dass die nähere Beleuchtung des Verhältnisses von Obrigkeit und Gemeinden gewinnbringend wäre für die aktuellen Diskussionen über Sinn und Unsinn des Erhaltes kleinräumiger, lokaler Strukturen. Einen ersten Beitrag dazu liefert Frefels sorgfältige Studie bereits selber.

Emil Erne


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