Johannes Büttner und Hans Dietrich Bruhn

Chemisches Denken in der Medizin.

Die Geschichte des Laboratoriums der
1. Medizinischen Klinik der Universität Kiel

Edition Lewicki - Büttner, Band 3.1

Rezension


Nachdem die chemische Identifizierung und Analyse von Körpersubstanzen, besonders von körpereigenen Flüssigkeiten seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts mehr und mehr für die medizinische Forschung und Praxis nutzbar gemacht wurden, setzte unter dem Einfluss des Erkenntniszuwachses der organischen Chemie der planmäßige Ausbau der Klinischen Chemie mit eigenen Laboratorien in Kliniken seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts ein. Der Aufbau und die Leistungen eines großen Kliniklaboratoriums aus der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts werden in dem vorliegenden Band geschildert. Er enthält den ersten Teil der Geschichte des Laboratoriums der 1. Medizinischen Klinik der Universität Kiel und umfasst den Zeitraum von 1915 bis um 1965. Der an der Klinik von 1956-1969 als Laborleiter tätige Johannes Büttner (geb. 1931) verfasste die Darstellung. Ihre Fortsetzung bis zur Gegenwart kündigt dessen jüngerer Kollege Hans Dietrich Bruhn als 2. Band in derselben Buchreihe an.

Nach einem Überblick über die Arbeiten der im Kliniklaboratorium unter drei Klinikdirektoren, Alfred Schittenhelm (1915-1934), Hanns Löhr (1934-1941) und Helmuth Reinwein (1942-1962), tätigen Wissenschaftler mit ihren Kurzbiographien, werden die Themen, Methoden, Geräte, Hilfsmittel und die Arbeitsbedingungen wie die verfügbaren Räumlichkeiten chronologisch geordnet erörtert. Auf Zusammenhänge mit der jeweils zeitgenössischen Forschung wird hingewiesen (vgl. u. a. S. 28 f.), wenn deren Einzelheiten auch nicht bei jedem Thema, das in Kiel bearbeitet wurde, zusätzlich ausgebreitet werden. Die jeweils verwendeten Arbeitsmethoden und die Geräte werden eingehend mittels Abbildungen erläutert (vgl. S. 46 f., 93-117), was besonders hervorzuheben ist, da Mitteilungen über überholte Hilfsmittel oft mit diesen selbst verworfen werden. Anzuerkennen ist auch, dass der Autor chemische Substanzen und Reaktionen, die früher unbekannt oder missverstanden wurden, nach Möglichkeit mittels moderner Kenntnisse identifiziert und erläutert (vgl. u. a. S. 46 f., 67 f., 121-125). Neben der den Schwerpunkt der Darstellung bildenden innerwissenschaftlichen, d. h. hierbei biochemischen Interpretation der Forschungsleistungen der Wissenschaftler im Klinischen Laboratorium (von den Laborleitern bis zu den Assistenten) werden die die Arbeitsbedingungen prägenden politischen und organisatorischen Einflüsse auf den Klinikalltag nicht übergangen. Man erhält einen lebendigen Eindruck von der Wirksamkeit der Umwelt für die wissenschaftliche Arbeit. Deren wissenschaftliche Themen und ihre experimentelle Bearbeitung waren durch vielfältige Einflüsse von der Zeit des 1. Weltkriegs über den danach beginnenden Ausbau des Labors, durch dessen wiederholte Zerstörung im 2. Weltkrieg und endlich den Wieder- und erneuten Aufbau seit den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts geprägt. Die Auswirkungen der Herrschaft des Nationalsozialismus werden nicht nur bei einzelnen Biographien sondern auch hinsichtlich ihrer Wirksamkeit für die Wahl von Arbeitsthemen deutlich gemacht (S. 71-76). Die Entwicklung des Kliniklabors an der Universität Kiel, die an den dort tätigen Personen und Gegebenheiten dargelegt wird, kann sicherlich in vielen Punkten als exemplarisch für andere deutsche Kliniklaboratorien gelten.

Die aus dem Kieler Hauptlaboratorium hervorgegangenen Originalpublikationen werden außer in den Fußnoten in einer eigenen Bibliographie zusammengestellt (S. 148-182); auch die Bildquellen, teilweise aus Archiven stammend, werden nachgewiesen. Eine "Allgemeine Bibliographie" mit der zitierten Sekundärliteratur (S. 183-199) sowie ein Personen- und ein Sach-Index erhöhen die Benutzerfreundlichkeit.

An der sorgfältig dokumentierten Darstellung wird exemplarisch deutlich, wie die Entwicklung von einer beiläufigen Verwendung chemischer Verfahren, zunächst nur qualitativer chemischer Analysen von körpereigenen Substanzen, zu dem mit modernen chemischen und physikalischen Kenntnissen untermauerten planmäßigen Einsatz chemischen Wissens in der Klinik verlief. Auch die Notwendigkeit der Spezialisierung von Medizinern auf die Klinische Chemie wird deutlich.

Brigitte Hoppe, München


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