Dominique Frey

Zwischen "Briefträger" und "Vermittler".

Schweizer Schutzmachttätigkeit für Großbritannien und Deutschland
im Zweiten Weltkrieg

Band 6 der Schriftenreihe: Berner Forschungen zur Neuesten Allgemeinen und Schweizer Geschichte

Abstract / Rezension


Am Morgen des 10. Oktober 1942 änderte sich der Alltag von 5500 britischen und deutschen Kriegsgefangenen schlagartig: Sie wurden an den Händen gefesselt, von den anderen Gefangenen abgesondert und vom Lagerleben ausgeschlossen. Dabei hatten sich die betroffenen Gefangenen nichts zuschulden kommen lassen. Sie waren Opfer eines Machtspiels von Vergeltung und Gegenvergeltung geworden, in das sich die deutsche und die britische Regierung in den vorhergehenden Tagen hineingesteigert hatten. Im Eidgenössischen Politischen Departement (EPD) war man darüber höchst beunruhigt. Die Schweiz hatte sowohl für Großbritannien wie für Deutschland das Mandat einer Schutzmacht übernommen und überwachte in dieser Funktion die völkerrechtlich korrekte Behandlung der Kriegsgefangenen auf beiden Seiten. Durch die Fesselungen hatten beide Mächte das Genfer Kriegsgefangenenabkommen bereitwillig gebrochen, die Situation drohte zu eskalieren. Eilends rief der Schweizer Außenminister, Bundesrat Pilet-Golaz, die verfeindeten Regierungen zur Einhaltung der Konvention auf. Doch dieser Appell markierte nur den Anfang von langen und schwierigen Verhandlungen, welche die Schweiz als Schutzmacht in den folgenden Monaten führte. Erst nach mehr als einem Jahr wurden auch in Deutschland den letzten Gefangenen die Fesseln wieder abgenommen. Die Bemühungen der Schutzmacht erwiesen sich als äußert abhängig von der Kooperationsbereitschaft der Kriegsparteien, die ihrerseits vom Kriegsverlauf geprägt war. Ebenso machten die Verhandlungen aber auch deutlich, dass in einer eskalierenden Situation die Schutzmacht als letzte diplomatische Verbindung einen Ausweg bieten konnte.


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