Ruedi Studer

Der Prozess gegen Captain Henry Wirz
und seine Hintergründe 1865

Band 5 der Schriftenreihe: Berner Forschungen zur Neuesten Allgemeinen und Schweizer Geschichte

Rezension


Der Autor ist nach Jürg Weibel (Captain Wirz., Bern 1991) der zweite Schweizer Historiker, der in deutscher Sprache ausführlicher über Henry Wirz, seinen Prozess und über das berüchtigte Gefangenenlager zirka 200 Kilometer südlich von Atlanta (Georgia) schreibt. In englischer Sprache bestehen mehrere hundert Artikel und Bücher, darunter sechs Dissertationen und Lizentiatsarbeiten sowie Filme und Theaterstücke. Hartmann Heinrich Witz, geboren 1823 in Zürich, wanderte nach kaufmännischer Ausbildung und Berufstätigkeit 1849 nach den USA aus und arbeitete vorwiegend in der Medizinalbranche. Er meldete sich bei Beginn des Amerikanischen Sezessionskrieges (1861 1865) als Freiwilliger zur Louisiana Infanterie der Armee der Konföderierten Staaten von Amerika (CSA). 1862 wurde er während der Schlacht von Fair Oaks/Seven Pines (Virginia) durch eine Gewehrkugel so schwer verwundet, dass er seinen rechten Arm künftig kaum mehr bewegen konnte. Kurz darauf wurde Witz zum Hauptmann befördert und zum Assistant Adjutant General von CS-Brigadegeneral John Winder ernannt, dem Chef von Militärpolizei und Gefangenenlagern im Raume Richmond (Virginia). Nach einem geheimnisumwitterten Aufenthalt 1863/64 in Europa wurde Captain Witz 1864 Kommandant des CS-Gefangenenlagers Camp Sumter, besser bekannt als Andersonville (Georgia). Damit nimmt sein tödliches Schicksal einen unaufhaltbaren Verlauf. 1864/65 kommen infolge der schrecklichen Zustände im Lager (Krankheiten, Hitze und Kälte sowie Mangel an Wasser und Verpflegung, Medizin und Zelten) in 14 Monaten knapp 13 000 der insgesamt rund 45 000 Gefangenen ums Leben. Nach dem Krieg wird Witz als einziger CS-Oflizier verhaftet und in der Bundeshauptstadt Washington einem mehrmonatigen Prozess unterworfen. Wegen Verschwörung und Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt, wird er - nach einem abgelehnten Begnadigungsgesuch - am 10. November 1865 durch den Strang hingerichtet.

Ruedi Studer handelt die Fragen zu Ursachen, Hintergründen, Ereignissen und Umständen des Prozesses und dessen Vorgeschichte quellengestützt, spannend und verständlich ab. "Welche Politik verfolgten die US-Behörden im Umgang mit den Verlierern des Bürgerkriegs"? Sein Ergebnis ist, dass Witz sowohl als Vertreter der verruchten Konföderation als auch deren versagenden Gefangenenwesens und zudem für seinen Vorgesetzten Winder, der Anfang 1865 gestorben war, am Galgen endete. Der US-Justizoffizier Glen W. LaForce bezeichnete 1988 den Prozess als nationale Schande. Das aufschlussreiche Werk von Studer zeigt in beklemmender Weise auf, wie sich Amerika bereits im Sezessionskrieg mit seinen Gefangenen schwer getan hat.


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