Paris an der Alster (Katalog)

Die Französische Revolution in Hamburg

Horst Gronemeyer / Harald Weigel (Hrsg.)

Rezension


Verspätete Böllerschüsse

Die Französische Revolution fand in Deutschland vor 300 Jahren den unterschiedlichsten Widerhall. Auch in unserer Stadt gab es revolutionäre Bestrebungen. Daran erinnert jetzt die Ausstellung "Die Französische Revolution in Hamburg" in der Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky.
Sie fand nicht 1789, sondern erst ein Jahr später statt. Sie war weder blutig noch hatte sie weitreichende politische Folgen. Aber es gab sie: Die "Französische Revolution in Hamburg". Allerdings handelte es sich dabei eher um ein großes Gartenfest mit ernstem Hintergrund, Tanz, Essen und Gedichtvortrag. Und mit Salutschüssen.
Die Feier war den Errungenschaften gewidmet, die in Frankreich dem Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 folgten. Denn auch die Hamburger konnten mit dem Schlachtruf "Freiheit - Gleichheit - Brüderlichkeit" etwas anfangen. Was hatte sich 1790 zugetragen? Der Kaufmann Georg Heinrich Sieveking (1751-1799) hatte in seinen Garten in Harvestehude, vor dem Dammtor, eingeladen. "Zum Frühstück versammelte sich alles in Harvestehude und um 12 Uhr 30 Minuten, nach der Pariser Uhr um zwölf, wurde dreimal geschoßen", berichtet die Arztfrau Sophie Reimarus darüber.
Die Hamburger Bürger sangen die "Freiheitskantate" des Gastgebers Sieveking - ein Loblied auf die Revolution. So erzählt Adolph Freiherr von Knigge (1772-1796). "Klopstock las zwei neue Oden. Bei Abfeuerung der Kanonen, Musik und lautem Jubel wurden Gesundheiten getrunken, unter anderen: auf baldige Nachfolge in Deutschland, Abschaffung des Despotismus etc. Vor und nach Tische wurde getanzt."
Wie kam es zu diesem "Revolutions-Fest" in Hamburg? Geistiger Hintergrund war die Zeit der Aufklärung, in der Begriffe wie Vernunft, Liberalität und soziales Engagement eine Rolle spielten. Schriftsteller und Gelehrte schlossen sich zusammen.
Besonders zwei Hamburger Kaufleute machten ihre Landsitze in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu privaten Diskussions-Zentren: Caspar von Voght (1752-1839) und eben Georg Heinrich Sieveking. Da auch von auswärts viele Gäste kamen, gelangten andere geistige und politische Ideen in diese Kreise. Auch der Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803) war ein gern gesehener Gast. Gerade in den Kreisen um Voght und Sieveking tauschte er seine Gedanken über die Ereignisse in Frankreich aus.
In Lesegesellschaften diskutierte die aufgeklärte, bürgerliche Öffentlichkeit die neuesten Ereignisse im Nachbarland, die in Journalen, Almanachen und durch Reisende übermittelt worden waren. Aber nicht nur das Hamburger Bürgertum engagierte sich für die revolutionären Ziele. In Altona, wo die Industrialisierung rasche Fortschritte machte, bildete sich ein Jakobinerklub der Unterschichten, der in anonymen Flugblättern seine Ziele formulierte.
Bald nach dem in Hamburg 1790 gefeierten Revolutionsfest trat jedoch bei vielen eine Ernüchterung ein. Die Entstehung der Schreckensherrschaft führte zu Enttäuschung. Klopstock wird zwar nicht zum Gegner der Revolution, ist aber tief enttäuscht. Voght und Sieveking wurden als Jakobiner verdächtigt.
Und mit dem Einmarsch französischer Truppen in Hamburg am 19. November 1806 brach dann eine ganz andere Zeit an : die des Franzosenhasses.

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