Paris an der Alster (Katalog)

Die Französische Revolution in Hamburg

Horst Gronemeyer / Harald Weigel (Hrsg.)

Rezension


Revolution für gebildete Stände "Paris an der Alster":
Eine spannende Spurensuche bei den Hamburgern

BONN. Im Jahre eins nach der Revolution traf man sich vor den Toren Hamburgs zu einer rauschenden Fête. Pünktlich zum 14. Juli im Messidor hatten der intellektuelle Landesherr Georg Heinrich Sieveking und einige seiner Bekannten zum "Revolutionsfest" geladen - und die Massen strömten herbei. Es war ein Tag der Freude und Ausgelassenheit; der Späße waren keine Grenzen gesetzt. So sollen muntere "Frauenzimmer" eine Bastille aus Marzipan zerstört haben und "auch ein Laternenpfahl en miniature", heißt es, sei "dabey gewesen".
Von Gesinnungsgefährten gedrängt, rief Klopstock, der große Dichter der Hansestadt, seine Ode an die Freiheit ins revolutionär bewegte Volk. "Frankreich schuf sich frei. Des Jahrhunderts edelste That hub / Da sich zu dem Olympus empor." Und die deutschen Bundesgenossen? Sie machten, resümierte nüchtern in seiner Einführung Professor Horst Gronemeyer, "aus der Revolution ein Alstervergnügen".
Solche Entdeckungsreisen in ein spannendes Kapitel deutscher Regionalgeschichte vermittelt in vielen Zeugnissen die jetzt in der Landesvertretung Hamburgs zu begutachtende und von der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg eingerichtete Ausstellung "Paris an der Alster - Die Französische Revolution in Hamburg". Die Weltoffenheit und geistige Freiheit der norddeutschen Metropole bereiteten den aufrührerischen Gedanken von der Seine einen fruchtbaren Boden. Besonders im Arbeitervorort Altona schlugen die Wellen der Pariser Kämpfe hoch. Radikale Flugblätter deutscher Jakobiner zirkulierten: "Nation! Volk Unsers Landes! Mitbrüder! (...)König, schaffe eiligst alle Plagen, die wir dir neulich anderweitig kundgethan, von uns weg." Viele berauschten sich am nahen, unendlich fernen Revolutionsgeschehen, wähnten den König schon nach Helgoland oder sonst wohin verbannt. Schwarmgeister nahmen den "Revolutions-Katechismus" zur Hand oder blätterten in dem Bändchen "Lieder der Freyheit gewidmet" -: die Revolution als "Beytrag zur Unterhaltung gebildeter Stände". Ach strahlendes Frankreich, wie warst du weit weg, möchte man mit Klopstock trauern.

Als Frankreichs Truppen aber über die deutschen Lande kamen und auch die Hansestadt besetzten, da erstarb die vorher bereits erlahmte Euphorie ganz. "Ach des goldenen Traums Wonn' ist dahin", zeterte, allen voran, Klopstock. Seinen Ehrentitel "Citoyen Français" jedoch gab er zu Lebzeiten nicht mehr zurück. Die Ideale der Revolution. sie waren aus Kopf und Herz des Hamburger Aufklärers nicht mehr zu tigen.

Kai Ritzmann


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