Stefan Luft

Leben und Schreiben für den Pietismus

Der Kampf des pietistischen Ehepaares
Johanna Eleonora und Johann Wilhelm Petersen
gegen die lutherische Orthodoxie

Rezension


Die erste Hälfte der hier anzuzeigenden Münchener Dissertation (1992) des Historikers und Journalisten Stefan Luft ist der Biographie des Ehepaares Petersen gewidmet. Da ihm bei seiner Arbeit meine 1988 abgeschlossene Erlanger Dissertation über das Leben der beiden Petersens (bis zum Jahre 1692) vorlag, hätte man erwartet, daß er sich in diesem biographischen Teil entweder kürzer faßt und sich mit den Ergebnissen meiner Arbeit auseinandersetzt oder neue Quellen präsentiert. Nichts davon ist geschehen. Vielmehr fällt Luft sachlich wie methodisch hinter die Forschung zurück, indem er nur referierend und zitierend die beiden Autobiographien nacherzählt. Das gilt leider auch für den Teil, wo Lufts Arbeit zeitlich über meine hinausgeht. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem von den beiden Petersens selbst produzierten Bild ihres Lebens findet nicht statt. Darüber hinaus bleibt der Autor bei der Aufzählung der biographischen Daten stehen. Er versteht es nicht, ein Bild von der geistigen Entwicklung der beiden Petersens und der Stringenz ihrer Gedankenwelt zu zeichnen.
Die andere Hälfte des Buches, das nach althergebrachtem Schema Leben und Lehre zusammenfügt, verfolgt anhand einzelner Schriften die literarischen Kontroversen des Ehepaares (Chiliasmuskontroverse mit August Pfeiffer; Wiederbringungslehre; Schlesische Betkinder; Pietismus und Juden). Man erhält hier einen schnellen Einblick in die wesentlichen Argumente der streitenden Parteien. Leider begnügt sich der Verfasser auch hier über weite Strecken damit, die einschlägigen Texte selbst sprechen zu lassen. So bleibt Lufts Arbeit auf dem Reflexionsniveau eines reinen Referates; ein Viertel des Textes, erhoben am m. E. durchaus repräsentativen 7. Kapitel mit einem Umfang von 67 Seiten, besteht aus barocken Zitaten; dagegen fehlt es an gedanklicher Reflexion und kritischer Prüfung der Quellen, an Ermittlung von Hintergründen und historischen Zusammenhängen (etwa die Veranlassung des Hamburger Religionseides durch die chiliastische Lehre Petersens), an übergreifenden Fragestellungen, an über den Wortlaut der Quellen hinausgehenden Interpretationen, an Auseinandersetzung mit der Forschung (z. B. bezüglich der Petersenschen Eschatologie mit W. Nordmanns und meiner Dissertation), an Überlegungen eines eigenen methodischen Zugangs zum Phänomen des Pietismus. Symptomatisch für das mangelnde Problembewußtsein sind die Schlußbemerkungen (316-323), in denen Luft die bekannten Theorien über die Entstehung der "neuen Frömmigkeit" und des Pietismus darbietet, ohne sie in Bezug zu seiner eigenen Untersuchung zu setzen.

Fazit: Das Buch ist für einen schnellen Überblick über die literarischen Kontroversen des Ehepaares nach 1692 ganz brauchbar, stellt aber für die Forschung keine wirkliche Bereicherung dar.

Markus Matthias / Halle a. S.


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