Gottfried Schwitzgebel


Martin Bubers Werk und Wirken interkulturell betrachtet

Martin Buber (1878-1965) ist in vielfacher Hinsicht herausragender Denker und profilierter Akteur sowohl auf dem kulturvermittelnden Plan als auch im kulturkritischen und interkulturellen Dialog zwischen Judentum und christlichem Abendland einerseits sowie zwischen Juden und Arabern in Palästina andererseits.

Ausgehend und immer verbunden mit der Tradition des osteuropäischen Judentums wird er zunächst zum großen Erneuerer religiösen Bewusstseins im Milieu des weitgehend assimilierten deutschen Judentums im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Ein erster wichtiger Beitrag hierzu ist die Repopularisierung des Chassidismus durch die literarische Bearbeitung und Herausgabe traditioneller Erzählungen. In diese Phase fällt auch sein erster und von Anfang an kritischer Kontakt zur zionistischen Bewegung Theodor Herzls. Höhepunkt des vermittelnden Arbeitens an der jüdischen Tradition ist dann die mit Franz Rosenzweig begonnene Übertragung der ›Schrift‹ ins Deutsche (5 Bücher der Weisung, Bücher der Geschichte, Bücher der Kündung, Schriftwerke).

Fast zur gleichen Zeit (1923) erscheint sein philosophisches Hauptwerk ›Ich und Du‹. Die dort vollzogene Begründung einer ›Dialogischen Philosophie‹ gehört mit ihrer expliziten Relativierung des neuzeitlich abendländischen philosophischen Konzepts des ›Ich als Selbst-Bewusstsein‹ zu den transkulturell einflussreichen Kritiken des neuzeitlichen abendländischen Selbstverständnisses von Individuum und Gesellschaft. (Man denke hierbei z.B. an die Wirkung auf E. Levinas und G. Marcel). Daneben enthält es auch eine profunde Kritik der fernöstlichen Mystik. Es beinhaltet zugleich eine Kulturtheorie auf der Basis des ursprünglich gemeinschaftlichen und religiösen Wesens des Menschen.

Nach seiner Emigration (1938) lebt und lehrt Buber in Jerusalem. Von Beginn an nimmt er exponiert Stellung zu Fragen des Zusammenlebens von Arabern und Juden in Palästina. Sein anfängliches Eintreten für einen gemeinsamen Staat beschert ihm heftige Kritik von Seiten der zionistischen Nationalisten. Im jüdisch-arabischen Dialog, wie er ihn als Hochschullehrer und Publizist praktiziert, und in seinem Beitrag zur Aussöhnung mit dem Deutschland der Nachkriegszeit wird das Bekenntnis zum Prinzip des Dialogs, das das zentrale Motiv seiner philosophischen und auch pädagogischen Arbeiten ist, zum bestimmenden Motiv seiner letzten Lebensjahrzehnte bis zu seinem Tod 1963 in Jerusalem. Grete Schaeder findet für diesen Wesenzugs Martin Buber den so treffenden Begriff des ›hebräischer Humanismus‹.

Diese kurze Einführung in das Leben und Werk Bubers versucht die genannten drei Aspekte seines Wirkens - den kulturvermittelnde, den kritischen und den interkulturell kommunizierenden - so zu entwickeln, dass die vorbildliche kulturelle und interkulturelle Kompetenz dieses profunden Kenners der abendländischen und östlichen Welt.


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