Ralf Schöppner


Emmanuel Levinas interkulturell gelesen

Die Beziehung zum anderen Menschen steht im Zentrum des philosophischen Werks von Emmanuel Levinas. Der Andere ist radikal anders in einem ethischen Sinne: Er beansprucht meine Aufmerksamkeit wider all meine Intentionen. Diese ethische Alterität ist zu unterscheiden von jeder kulturellen Alterität und gibt ihr sogar erst einen ganz spezifischen Sinn: Die Kulturen sind Formen, die auf den maßlosen Anspruch des Anderen mit dem Maß allgemeiner Gesetze, moralischer Normen und etablierter Praktiken antworten. Levinas interkulturell gelesen, das bedeutet, das Zusammenleben von Menschen verschiedener Kulturen vor dem Sinnhorizont der ethischen Alterität zu interpretieren. Das Buch expliziert hierzu vier Thesen:

1) Die hermeneutischen Prozesse des Verstehens des Anderen sind primär weder eine ethische Verpflichtung noch ein eigenes Interesse, sondern Antworten auf den Anspruch des Anderen.

2) Die Würde des Anderen ergibt sich nicht aus einer der kulturellen Alterität zugrundeliegenden gemeinsamen Zugehörigkeit zur Gattung Mensch, sondern aus der ethischen Fremdheit des Anderen.

3) Ein sich gegenseitig ernstnehmendes, interkulturelles Miteinander erwächst eher aus der aufstörenden Infragestellung eines eigenen profilierten Seins als ausgehend von den neutralisierenden Standpunkten eines transzendentalen Subjektes oder einer Distanznahme zur eigenen Kultur.

4) Dem wirklichen oder vermeintlichen "Kampf der Kulturen" ist zu begegnen mit einer Ernstnahme der in der ethischen Alterität begründeten potentiellen Konfliktivität und nicht nur mit Strategien der Harmonisierung.

Zum Autor:
Ralf Schöppner, geb. 1968, Praktischer Philosoph, Lehrer für humanistische Lebenskunde, Berlin. Studium der Philosophie, Politologie und Allgemeinen Literaturwissenschaften in Berlin, M.A. 2004. Promotion in Arbeit: Das Altern des Anderen - Interkulturelle Perspektiven im philosophischen Werk von Emmanuel Levinas. Veröffentlichungen zu Levinas und zur Philosophiedidaktik, Kurzprosa.


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