Hans Günther Homfeldt/Wolfgang Schröer/Cornelia Schweppe

Transnationalität,
soziale Unterstützung, agency

Interkulturelle Bibliothek, Band 28

Rezension


Thema und HIntergrund

Soziale Hilfe bezieht sich bisher im Regelfall auf national-staatlich orientierte Unterstützungsbeziehungen und -strukturen. Diese nationalstaatliche Verortung bzw. Rahmung wird durch verschiedene Globalisierungs- und Entgrenzungsprozesse im Zusammenhang mit dem Strukturwandel der kapitalistischen Arbeitsgesellschaft grundlegend hinterfragt. "Entsprechend steht die Soziale Arbeit vor der Aufgabe, die bislang noch weitgehend national konnotierten Fachdiskussionen kritisch zu hinterfragen und im Hinblick auf die globale Einbettung von sozialen Problemlagen und Unterstützungsformen zu reflektieren" (S. 89). Vor diesem Hintergrund wird im vorliegenden Buch die soziale Unterstützungsforschung sozialwissenschaftlich geöffnet und der Blick über die Diskussion von agency-Theorien auf soziale Prozesse der Handlungsbefähigung und -ermächtigung in transnationalen Unterstützungsprozessen gelenkt.

Die Autoren

- Hans Günther Homfeldt ist Professor für Sozialpädagogik/Sozialarbeit an der Universität Trier. Arbeitsschwerpunkte: Soziale Arbeit, Internationale Soziale Arbeit, Soziale Arbeit und Lebensalter

- Wolfgang Schröer ist Professor für Sozialpädagogik an der Universität Hildesheim. Arbeitsschwerpunkte: Theorie und Geschichte der Sozialpädagogik und Sozialpolitik, Kinder- und Jugendhilfe, Übergänge in Beschäftigung, Transnationale Soziale Arbeit.

- Cornelia Schweppe ist Professorin für Sozialpädagogik der Johannes-Gutenberg Universität Mainz. Arbeitsschwerpunkte: Professionalisierung der Sozialen Arbeit, Internationale Soziale Arbeit, qualitative sozialpädagogische Forschung, Alters- und Altenhilfeforschung.

Aufbau

Das 90-Seitige Buch "Transnationalität, soziale Unterstützung, agency" gliedert sich in zwei Teile, enthält vier Kapitel und einen Ausblick. Vor dem Hintergrund des eingangs skizzierten theoretischen Zugangs werden im ersten Teil des Buches von Hans-Günther Homfeldt, Wolfgang Schröer und Cormelia Schweppe Unterstützungskontexte im Rahmen von Transmigrationsprozessen skizziert.

In diesem Forschungsschwerpunkt (Teil I: "Transnationalität, soziale Unterstützung und agency: Begriffsklärung und theoretische Grundlagen") werden vor allem alltägliche Unterstützungspraktiken und -prozesse, die die Akteurinnen und Akteure innerhalb von Transmigrationsprozessen entwickeln, beleuchtet.

Der zweite Forschungsschwerpunkt (Teil II: "Soziale Unterstützung und agency in transnationalen Kontexten") fokussiert die Perspektive transnationaler Organisationen, indem die Gestaltung von Unterstützungsprozessen durch transnationale Organisationen und die damit einhergehenden Handlungsoptionen der Akteurinnen und Akteure betrachtet werden.

Inhalt

"Der Begriff Transnationalität bezeichnet Verflechtungen im ökonomischen, politischen, kulturellen und sozialen Bereich sowie die hierauf bezogenen Organisationsformen, die gesellschaftliche Formationen hervorbringen, die quer zu nationalstaatlichen und -gesellschaftlichen Grenzen verlaufen" (S. 7). Im ersten Teil werden die relevanten Konzepte aufgearbeitet und die entsprechenden Begriffe definiert:

- Transnationalität (Kapitel 1),

- "Soziale Unterstützung" (Einführung und Kapitel 2),

- "agency" (Einführung und Kapitel 2.2) sowie

- "Armut und agency" (Kapitel 3).

In diesem Teil gelingt es den AutorInnen, der Leserin/dem Leser den neuen Zugang näher zu bringen und sie/ihn für die verfochtene Sicht der Dinge zu begeistern. Damit wird eine Perspektive eröffnet, die soziale Unterstützung nicht nur als Linderung oder Prävention menschlichen Leids auf individueller Ebene versteht, "sondern auch auf die Gestaltung sozialer Strukturen und entsprechender organisationaler und zivilgesellschaftlicher Bedingungen" (S. 9).

"Transmigration" (Kapitel 3) und "Transnationale Organisationen" (Kapitel 4) stehen im Zentrum des zweiten Teils. Unter den Konzepten Transnationalität und transnationale soziale Räume werden in der sozialwissenschaftlichen Forschung die Lebensbedingungen von Transmigrantinnen und Transmigranten beleuchtet. Mit der Transmigration etablieren sich Formen sozialer Unterstützung, "die eine Betrachtung aus der agency-Perspektive herausfordern" (S. 45). Exemplarisch wird dies anhand der "Monetären Transfers als soziale Unterstützung der Armutsreduzierung (3.1), "Handlungsspielräume in transnationalen Kontexten der Erwerbsarbeit (3.2), "Transnationale Migrantenorganisationen und neue Formen des Regierens" (3.3) sowie "Transmigration als Herausforderung für soziale Dienste "vor Ort"" (3.4) dargestellt. Daran anschließend wird die neue Rolle Transnationaler Organisationen thematisiert. Die Herausforderung stellt sich, den Fokus in Bezug auf die Akteure zu öffnen "und systematisch die akteurskonstruktionen insgesamt in den neuen Mischungen von Ökonomie, Zivilgesellschaft und Alltagsleben in transnationalen Organisationen einzubeziehen" (S. 63).

Zielgruppen

Das Buch "Transnationalität, soziale Unerstützung, agency" eröffnet neue Perspektiven auf die Profession Sozialer Arbeit. Es eignet sich für Menschen, die gerne über den bisher bekannten theoretischen und alltäglichen nationalen Horizont hinausgehen und sich auf neue Grenzen und Konzepte einlassen.

Fazit

Angesichts aktueller gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse liegt der Zusammenhang von Trasnationalisierung, sozialer Unterstützung und agency auf der Hand. "Gleichzeitig lässt sich jedoch auch feststellen, daß sich eine diesbezügliche Forschung zwar in Anfängen etabliert, aber kaum systematisch entwickelt hat. Dennoch wird die Notwendigkeit offensichtlich, das Wissen, die Theorien und Begriffe ebenso wie die handlungsbezogenen Konzepte von sozialer Unterstützung zu erweitern, und zwar durch jenes Wissen und jene Praxis, die in transnationalen Kontexten hervorgebracht werden" (S. 65). An dieses Fazit lässt sich anschließen: Mit diesem Band wird ein Einstieg in eine neuartige Perspektive, der Transnationalisierung Sozialer Arbeit, vollzogen. Gleichzeitig bleiben die Konzepte und Begriffsbestimmungen noch auf einem Niveau, welches es durch Forschungsarbeiten und transdisziplinäre Arbeitszusammenhängen in den nächsten Jahren zu vertiefen gibt. Der Leser kriegt nach der Lektüre dieses Bandes Appetit auf den hier vertretenen Zugang. Damit sein Hunger gestillt wird, bedarf es jedoch weiterer und fundierterer Forschung und Theoriebildung in der eingeschlagenen Richtung. Es ist zu hoffen, dass die in dem Band vorgeschlagenen Forschungsschneisen durch Geldgeber gehör finden und so durch entsprechende Forschungen umgesetzt werden können. Ein Buch, welches zum Denken anregt und vermeintlich sicher Positionen und Sichtweisen grundlegend hinterfragt.

Prof. Dr. Christian Reutlinger, FHS St.Gallen


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