Jameleddine Ben-Abdeljelil

Ibn Ruschds Philosophie interkulturell gelesen

Interkulturelle Bibliothek, Band 4

Rezension


In der interkulturellen Reihe des Bautz-Verlages ist eine kurze und sehr lesenswerte interkulturell orientierte Einführung in das Denken des großen arabischen Philosophen Ihn Ruschd oder Averroes erschienen. Ibn Ruschd lebte im 12. Jahrhundert in Andalusien und gilt als einer der wichtigsten Aristoteliker der arabischen Geistesgeschichte. Jamel Ben-Abdeljelil bringt ihn uns wiederum als einen schillernden interkulturellen Denker naher und damit auch eine Zeit, in der kulturelle Mischungen und interkultureller Austausch eine Realität darstellten.
Die Arbeit ist in vier Teile gegliedert. Zunächst werden Ibn Ruschds Biographie und seine wichtigsten Werke dargestellt. Dabei geht Verf. insbesondere auf den berühmten Kommentar zu Platons Politeia ein, wo Ibn Ruschd kritische Bezüge zur Politik seiner Zeit herstellt und für die Gleichheit von Männern und Frauen eintritt. Ausführlicher dargestellt wird wiederum die "Tahafut al Tahafut" - die Auseinandersetzung mit dem islamischen Theologen al Ghazzali und indirekt auch mit dem neoplatonischen Aristoteliker Ibn Sina. Ibn Ruschd wird als ein konsequenter Rationalist begriffen, der das damalige Aristotelesbild von neoplatonischen Beigaben befreite und - im Gegensatz zur dialektischen Sophistik der Mutakallimun-Theologen - auf den Primat der Vernunft sowie der demonstrativen philosophischen Beweisführung insistierte. Anhand der hebräischen Übersetzungen der Werke von Ibn Ruschd wird dessen Einfluss auf jüdisches Denken belegt und am Beispiel von Parallelen mit dem Denken von Maimonides ergänzt; dies leistet der zweite Teil. Der dritte Teil ist wiederum dem lateinischen Averroismus gewidmet, also dem Wirken des Averroes ins christliche Mittelalter hinein. Dies betraf vor allem die "Theorie der doppelten Wahrheit" (der Averroisten), die Averroes selbst allerdings nicht so entwickelt hat, da er von der Einheit der philosophischen Vernunft ausging und das theologische Denken als anders und diesem untergeordnet bestimmte.
Im vierten Kapitel wird die Rezeption des lbn Ruschd in der modernen arabischen Philosophie beschrieben. Ibn Ruschd hatte in der mittelalterlichen islamischen Philosophie nur wenige Nachfolger und wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts in der arabischen "nahda" und wiederum in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts von Philosophen in arabischen Ländern aufgegriffen. Ben-Abdeljelil zeigt sehr deutlich, welche Anknüpfungspunkte sich ergaben, welche zu Recht an Ibn Ruschd anschlossen und welche mehr den Erfordernissen der arabischen Moderne entsprachen. Interessant ist auch seine Darstellung der postmodernen Überwindung des eigentlich nicht modernen, weil einheitlichen und doktrinären Vernunftbegriffs Ibn Ruschds bei dem marokkanischen Philosophen Mesbahi.
Ibn Ruschd war ein sehr kritischer Denker, der deswegen auch verfolgt wurde, und es ist interessant zu sehen, dass seine Anhänger oder Nachfolger auch von Verfolgung betroffen waren, und zwar in allen kulturellen Traditionen. Die konzise und philosophisch fundierte Darstellung schließt mit einer Würdigung des interkulturell bedeutsamen Philosophen als eines echten Universalisten und Anhängers einer unabhängigen, überzeitlichen und überkulturellen Vernunft. Und dennoch ergeben sich nach Meinung des Verf. auch interkulturelle Anknüpfungspunkte aus lbn Ruschds Theorie der verschiedenen Wege zum Glück, was Ben-Abdeljelil als Ansatzpunkt einer eigenständigen arabischen Moderne markiert.

Nausikac Schirilla


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