Ram Adhar Mall

Mahatma Gandhi interkulturell gelesen

Interkulturelle Bibliothek, Band 27

Rezension


Mohandas Karamchand GANDHI (1869-1948), genannt "Mahatma", gehört zweifellos zu den bekanntesten Persönlichkeiten der jüngeren Weltgeschichte; sein Lebensweg, - seine durchaus kontroverse - ethische Haltung, seine Stellungnahmen zu sozialen, politischen, kulturellen und religiösen Fragen und auch seine eindrucksvolle Wirkungsgeschichte machen ihn zu einem der großen "Brückenbauer" und Vorbilder für eine tolerante, interkulturell offene Lebenshaltung.

Ram Adhar Mall hat die Biografie Gandhis im Kontext der vielfältigen und dramatischen Geschichte Indiens dargestellt und zentrale Einsichten und Handlungsimpulse zur Sprache gebracht. Wenn ein indisches Sprichwort sagt: "Dunkelheit verschwindet nicht durch das laute Schreien des Wortes Lampe, Lampe" (55), dann war Gandhi mit Sicherheit einer, der ein Licht angezündet hat, und zwar vor allem durch sein Einstehen für Wahrheit "satya" und Nicht-Gewalt "ahimsa", die untrennbar zusammengehören: "Es ist unmöglich, der Wahrheit zu dienen, ohne zugleich Gewaltlosigkeit zu üben" (33). Die Haltung des "satyagraha", welche "die Wahrheitsliebe, die Nicht-Gewalt und die Reinheit des Mittels" (57) als Bedingungen voraussetzt, versteht sich als individuelle Einstellung sowie als gesellschaftspolitisches Programm und fasziniert viele Menschen bis heute, wie eine vielfältige und widersprüchliche Rezeptionsgeschichte bis in die jüngste Gegenwart deutlich macht. Mall zeigt durch eine Untersuchung der "hinduistischen Identität und Nicht-Identität" Gandhis sowie durch einen Vergleich mit ihm nahestehenden Positionen (K. Marx, M. Buber, M. Scheler, K. Jaspers), wie schwer es ist, die Originalität der Haltung Gandhis "festzumachen", noch dazu in Begriffen der westlichen Philosophie. Bei aller Vorsicht und Differenziertheit des interkulturellen Vergleichs lässt Mall aber doch auch Nicht-Beliebiges anklingen: "Wer der Philosophie der Gewaltlosigkeit die universale Anwendung abspricht, hat eine Grundsatzentscheidung getroffen und bereits die falsche Seite gewählt" (123).

Franz Gmainer-Pranzl


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